KAS (Köln)

Vorschläge für den deutschen Aufsatz des Sonderlehrgangs A

1.) Erinnerung an ...

2.) Wie verwirklicht Michael in Wiecherts „Hirtennovelle“ das Wort Carossas „Im engsten Kreise wag’s, dich reich zu leben“?

3.) Nicht der ist auf der Welt verwaist,
dem Vater und Mutter gestorben,
sondern wer für Herz und Geist
keine Lieb’ und kein Wissen erworben.
(Rückert)


Lebenslauf

Am 5. April 1929 kam ich als zweites Kind des Opernsängers Werner A. und seiner Ehefrau Ilse A., geborene S., in Potsdam zur Welt. Bald nach meiner Geburt wurde mein Vater nach Köln verpflichtet, und so lebte ich seit meiner frühsten Kindheit in Köln.

Ich besuchte die Junkersdorfer Volksschule von 1935-1938 und wurde dann auf die Oberschule für Mädchen, Antoniterstraße, später Georgsplatz, umgeschult.

Ich erwartete meinen ersten Schultag mit großer Vorfreude auf alles „Neue": Die neuen Lehrerinnen, die neuen Unterrichtsstunden und die neue Klasse. Meine Erwartungen wurden erfüllt; gleichzeitig mußte ich jedoch den Abstand erkennen, den ich vorläufig vom Stand der Klasse hatte. In den ersten Monaten, als ich mit viel Fleiß versuchte, mein fehlendes Grundschuljahr aufzuholen, halfen mir meine Lehrerinnen wie Mütter, machten mir immer wieder neuen Mut und stärkten mein Selbstvertrauen. Ihnen verdanke ich es hauptsächlich, daß ich nie die Lust am Unterricht verlor, sondern immer stärkeres Interesse vor allem an naturwissenschaftlichen Fächern bekam und mit einem guten Versetzungszeugnis in die zweite Klasse kommen konnte.

Meine liebste Stunde jedoch war von der Sexta an Turnen. Ich hatte eine unbändige Freude an Schwung und Bewegung und gab mir Mühe, immer schwerere Übungen zu erlernen. Wie glücklich war ich, als meine Eltern mir erlaubten, zu reiten und später Hockey und Tennis zu spielen. Mein Lieblingssport ist Tennis geworden. Er brachte mir schon manchen Erfolg.

Ich verlebte eine sorglose Jugend, voller Freuden und ohne bindende häusliche Pflichten.

Als die Bombenangriffe immer heftiger wurden und die Front unserer Heimat näher rückte, wurde unsere Schule am Ende der sechsten Klasse geschlossen und ich kam in ein Kriegseinsatzlager.

Das war eine schwere Umstellung für mich: Vom Leben eines Schulmädels auf das ungewohnte eines Landmädels. Statt schöner Schulstunden, die uns innerlich bereicherten, und statt Sport zehnstündige körperliche Arbeit, bei der keine Rücksicht auf die genommen wurde, denen die Betätigung schwer fiel und ungewohnt war. Zu der schweren Arbeit kam die Schwierigkeit, sich mit den Arbeitskameradinnen zu verständigen, die aus allen Bevölkerungsschichten zusammen kamen. Unter diesen Umständen mußte ich all meine inneren Kräfte, viel guten Willen und Frohsinn zusammen nehmen, um die anfänglichen Spannungen zu überbrücken. Aber es gelang besser, als ich zuerst dachte; ich schaffte die Arbeit, obwohl ich eine der Kleinsten war, und zwischen uns Mädeln bildete sich durch gemeinsame Freuden und Leiden langsam eine schöne Kameradschaft. So habe ich das Gefühl, daß diese nicht leichte Zeit für meine Entwicklung wertvoll und eine Zeit der Bewährung war. Sie stellte mich zum ersten Mal allein in ein Leben, mit dem ich kämpfen mußte, gab mir Gelegenheit, meine Kräfte kennen zu lernen und mich selbst zu besiegen.

Am 23. November 1944 reiste ich nach Potsdam zu meinen Großeltern, um dort so lange als irgend möglich am Schulunterricht teilzunehmen. Ich besuchte die siebte Klasse und kann kaum sagen, wieviel Freude mir nach dem eintönigen Lagerleben der vielseitige Unterricht machte. Ich fand hier zum ersten Male in meinem Leben eine Klassengemeinschaft, die in allen Lagen, die einer Klasse zustoßen können, zusammenhält und habe mich dort sehr glücklich gefühlt. Meine Großeltern hatten eine schöne alte Bibliothek, in die ich mich in meiner Freizeit vertiefen durfte. Von Shakespeare, von dem Leben, das aus seinen Dramen sprach, war ich damals ganz gefesselt und deklamierte schlecht und recht, wie es ging, Teile, die mir besonders gefielen. Seit dieser Zeit ist es mein großer Wunsch, ein Kunstwerk würdig zu sprechen und so doppelt erleben zu können.

Mit dem letzten D-Zug entkam ich aus Berlin und erreichte Köln nach einer abenteuerlichen Fahrt.

Als nach der Besetzung Deutschlands das normale Leben nur langsam wieder in Gang kam, beschäftigte ich mich zu Hause viel mit Klavierspiel. Obgleich ich es leider nicht über eine recht durchschnittliche Leistung hinausbrachte, steigerte sich doch mein Interesse am musikalischen Kunstwerk so, daß ich mir in der Folgezeit kaum eine Aufführung im Konzert- und Opernleben entgehen ließ. Seit dieser Zeit ist mir Musik etwas Lebensnotwendiges geworden; sie gibt mir immer neue Kraft und Erbauung.

Sobald der Sport 1946 wieder aufzuleben begann, nahm ich ihn begeistert auf und fühlte bald, daß aus der Liebhaberei eine Lebensaufgabe geworden war. Ich entschloß mich, Sportlehrerin zu werden.

Ich sehe den Sinn des Sports nicht nur darin, den Körper zu schulen und seine Leistungsfähigkeit zu steigern, sondern ich weiß, daß es ebenso wichtig ist, durch ihn geistige Konzentration, starken Willen und faire Kampfesweise zu entwickeln. Ich freue mich, diese Ideen, die mich ganz erfüllen, an junge Menschen weiterzugeben und ihnen durch sportliches Können und Leben ein Vorbild zu werden.

Seit November 1945 besuche ich die Kaiserin Augusta-Schule, und seit Ostern bin ich im Sonderkursus, dessen Pflichtenkreis mich nun ganz erfüllt.

15 - Kriegserleben