KAS (Köln)

Vorschläge für den deutschen Aufsatz des Sonderlehrgangs B

1.) Alles, was uns begegnet, läßt Spuren zurück, alles trägt unmerklich zu unserer Bildung bei. (Goethe) (Nach eigenen Erlebnissen)

2.) Die Volksmärchen: Eine Brücke zwischen den Völkern. (Vorgelegt wird: 1.) Ein sibirisches Märchen: Das Fisch-Mädchen, 2.) ein deutsches Märchen: Die Sterntaler, 3) ein französisches Märchen: Cendrillon.

3.) Vergleich zweier Mutterbildnisse: (Christoph Amberger: Margarete Welser. Hans Thoma: Bildnis der Mutter des Künstlers)


Lebenslauf

Betrifft: Lebenslauf der Schülerin Carmen Albertz

Am 12. Oktober 1927 wurde ich als Tochter der Eheleute Kaufmann Heinz A. und Sophie, geb. F. in Köln geboren. - Nach vierjährigem Volksschulbesuch nahm mich Ostern 1938 die Kaiserin-Augusta-Schule in ihre Sexta auf. Die Unterrichtsstunden hier gaben mir Einblick in eine neue Welt. Vor allem die englische Sprache übte einen besonderen Reiz auf mich aus.

Im Herbst 1939 mußte mein Vater zur Wehrmacht einrücken, aus deren Dienst er als Offizier erst 1945 zurückkehrte. - Für unsere Familie, zu der auch noch ein kleinerer Bruder gehört, gestaltete sich das Leben erst schwierig, als die Luftangriffe an Heftigkeit zunahmen. Im Sommer 1942 verließen wir Köln für drei Monate, weil meine Mutter dringend Erholung nötig hatte. Während dieser Zeit war es mir nicht möglich, eine Schule zu besuchen, da die nächste Stadt etwa fünfzig Kilometer entfernt war. - Unser Ort, Oberbärenburg im Erzgebirge, lag sehr einsam. Diese Einsamkeit und Ruhe nach allen Kriegserlebnissen im Westen wurde mir unerträglich. Man brachte uns Rheinländern nicht das geringste Verständnis entgegen. Dieses Verhalten verbitterte mich anfangs; nachher bemitleidete ich diese engherzigen Menschen, die in der größten Leidenszeit ihres eigenen Volkes noch darauf bedacht waren, aus der Not anderer Nutzen zu ziehen. Sie konnten ja nicht anders sein, da sie nie in Kampf und Gefahr über die Kleinlichkeiten des Alltags hinausgewachsen waren.

Im Oktober 1942 trieb uns das Heimweh nach Köln zurück. Dieser Aufenthalt in Sachsen hatte mich gelehrt, daß schlimmer als Not und Schrecken die Abhängigkeit von andern Menschen ist. Nie mehr wollte ich die Heimat im Krieg verlassen; lieber in steter Gefahr als auf fremde Hilfe angewiesen sein. - Zu meiner großen Freude wurde ich in Köln nun wieder in meine alte Klasse eingegliedert. Nach der langen Einsamkeit war mir die Gemeinschaft ein Geschenk.

Als im Sommer 1944 wegen des Rückzuges im Westen die Kölner Schulen den Unterricht schlossen, nahm ich an einer Funkausbildung teil. Dieser Kurs interessierte mich sehr, und bald wurde ich mit einigen andern zur Prüfung ausgewählt. Mitte November sollte sie stattfinden; anschließend sollte ich zu einer Heimatfunkstation einrücken.

Infolge der schweren Luftangriffe war meine Mutter jedoch wieder erkrankt. Wir schlossen uns einem Evakuierungstransport an und erreichten unter ständigen Tieffliegerangriffen erst nach einer Woche Naumburg an der Saale, unsern künftigen Aufenthaltsort. Das Leben dort fiel mir recht schwer. Meine Gedanken waren stets im westlichen Kriegsgebiet, und ich wünschte mir, wieder in unserer Luftschutzgemeinschaft zu sein, um alle Leiden gemeinsam zu ertragen mit den Menschen, die mir in der Gefahr Kameraden geworden waren. Die Sehnsucht nach dieser Frontkameradschaft quälte mich; und anstatt mich in dieser Ruhe zu erholen, litt ich unter den Verhältnissen.

Im Dezember 1944 meldete ich mich auf einer sprachlichen Oberschule in Naumburg an, da dort der Schulunterricht bisher störungslos verlaufen war. Meine neuen Klassenkameradinnen erschienen mir fremd, obwohl sie sich meiner freundschaftlich annahmen. Ich spürte zum erstenmal, daß die Kriegserlebnisse mich anders geformt hatten. Ihre Alltagssorgen schienen mir lächerlich und kleinlich. Ihr Kummer war kein Kummer. Die Kriegszeit hatte mich einerseits hart, andererseits duldsam gemacht und mir Stunden der Besinnung geschenkt. Obwohl ich ein für Äußerlichkeiten empfänglicher Mensch bin, so hatten mir die drückenden Lebensbedingungen die Augen für tiefere Werte geöffnet. So kam es, daß ich mich innerhalb der Gemeinschaft doch einsam fühlte. Diese Einsamkeit verstärkte noch meine Sehnsucht nach der Heimat und meinen früheren Kameradinnen.

Im Januar 1945 bracht die Front im Osten ein. Zum erstenmal im Krieg schlossen sich auch die sächsischen Schulen. Von den Schülern wurde „Einsatz" gefordert. Da ich mehrere Sanitätsausbildungen erhalten hatte, wurde ich dem Roten Kreuz zugeteilt. Wieder kam ich mit Flüchtlingselend und Armut in Berührung.

[ Hier fehlt etwas!! ]

serer Familie beitragen.

Mit großer Mühe erhielt ich zum 1. Juli 1945 eine Bürostelle in einer Naumburger Firma, nachdem ich neben meiner Arbeit auf dem Lande Stenografie und Schreibmaschine in einem Abendkurs gelernt hatte. Es kam jedoch nicht mehr zu einer praktischen Betätigung, weil der Einmarsch der Russen in unsere Stadt erfolgte. Am Vortage gelang es uns, Naumburg zu verlassen.

Nach einer Woche erreichten wir Köln, wo wir unsere Wohnung, wenn auch beschädigt, ausgeplündert und teilweise bewohnt vorfanden. Obwohl die Lebensverhältnisse sich äußerst schwierig gestalteten, nahmen wir alle Lasten freudig auf uns in dem glücklichen Gefühl, wieder zuhause zu sein.

Bald kehrte mein Vater, von dem wir zehn Monate ohne Nachricht gewesen waren, aus englischer Kriegsgefangenschaft zurück. Damit war meine Weiterbildung gesichert. - Zunächst ging ich zum Hildegardislyzeum, das ich nach der Versetzung in den einjährigen Sonderkurs verließ, um die Kaiserin-Augusta-Schule zu besuchen. Ich wurde wieder in meine alte Klasse eingewiesen, was mich sehr glücklich machte.

Obwohl ich den Anforderungen des Unterrichts gewachsen bin, schmerzt es mich, daß ich meine Leistungen wegen der unzureichenden Ernährung und der allgemeinen Belastung nicht so steigern kann, wie ich möchte.

Besonderes Talent habe ich zum Zeichnen. Für Englisch und Geschichte sowie Erdkunde und Biologie interessierte ich mich am meisten. - Den größten Einfluß auf die Bildung meines Charakters glaube ich vor allem der Deutschstunde dieses letzten Jahres zuschreiben zu müssen. Sie hat mir geholfen, einen neuen Weg aus dem inneren Zwiespalt zu finden und frei zu werden von allerlei Einflüssen und Auffassungen, die mich die äußeren Dinge des Lebens überschätzen ließen.

Wenn es mir möglich ist, möchte ich nach bestandener Abschlußprüfung mit dem Studium der Zeitungswissenschaft beginnen. Da ich nach vielen Richtungen hin interessiert bin, glaube ich, daß dieses Studium für mich passend ist und mich einem Beruf zuführt, der meiner Neigung und Eignung entspricht.

Abituraufsatz

II. Die Volksmärchen: Eine Brücke zwischen den Völkern. (Vorgelegt wird: Ein sibirisches Märchen: „Das Fischmädchen", - ein deutsches Märchen: „Die Sterntaler", - und ein französisches Märchen: „Cendrillon".

Gliederung:

In A steckt ein Teil des ThemasA) Einleitung: Das Märchen, als Spiegel der gemeinsamen A (zu üppig für den Inhalt)Weltanschauung der Völker.

Die drei Teile bringen, wie der Plan erkennen läßt, einen Vergleich der MärchenB I) Hauptteil : „Cendrillon", ein charakteristisches Märchen des französischen Volkes.

B II) „Das Fischmädchen", als russisches Märchen.

B III) Zwischen russischem und französischem Märchen die deutschen: „Sterntaler".

C enthält Ged. zum Th., leider meist utopische.C) Das Gemeinsame und Verbindende der Märchen der Völker.

A I. Vor Zeiten, als die Menschen noch keine Kontinente und Nationen kannten, lebten sie in Wäldern, an Flüssen und Seen. Sie hatten eine Gemeinschaft gebildet und einige hatten_ einen König erwählt, den sie um Rat fragen konnten, wenn sie etwas bedrückte. A. falsch ?Es gab keine Standesunterschiede , denn der König heiratete die Tochter eines Müllers, wenn sie ihm gefiel; und die Prinzessin vermählte sich mit einem Jäger, wenn sie ihn lieb hatte.

Das Leben in diesem begrenzten Personenkreis, der Köhler, Fischer und Edelleute, Bettler und Lakaien umfaßte, war denkbar einfach und natürlich. Diesen schlichten Menschen erschienen manche Naturereignisse unerklärlich. In ihrer Phantasie gaben sie die Mächte, die hinter diesen Erscheinungen standen, Hexen und Feen, Zwerge und Riesen, Nixen und Geister. So entstand das Märchen in der einfachen Wiedergabe ergreifender Situationen, die im täglichen Leben des Volkes vorkamen. In diesem Punkte sind sich alle Märchen gleich. Sie spiegeln die AWeltanschauung der Völker, daß das Licht die Finsternis besiegt, das Gute belohnt, das Böse bestraft wird. Die Menschen sind kontrastiert, es gibt gute und schlechte, schöne und häßliche. Diese Kontraste bilden sich verschieden scharf aus bei den einzelnen Völkern. Doch in ihrem Grundgedanken gleichen sich alle.

Inhaltsangabe!B I Das französische Märchen „Cendrillon" erzählt von einem armen, aber schönen Mädchen. Da Armut im Märchen belohnt wird, so heiratete Cendrillon eines O ?tages , wenn auch mit der Hilfe einer guten Fee, einen Prinzen. Ihre Schwestern, von denen sie vorher verachtet wurde, baten sie um Verzeihung; und Cendrillon verhalf auch ihnen zum Glück, indem sie jeder einen Edelmann zum Gemahle gab. - Dieser versöhnliche Ausgang ist besonders bezeichnend für das Wesen des französischen Volkes. Th.!Wenn wir „Cendrillon" mit dem deutschen „Aschenputtel" vergleichen, so erkennen wir, daß das deutsche Märchen Gut und Böse schärfer abtrennt, und das Böse härter bestraft. Das französische Märchen ist versöhnlicher gestimmt gegenüber denen, die ihr Unrecht einsehen. Die Gegensätze sind im Verhältnis zum deutschen verwischt. Bemerkenswert ist auch die Ausschmückung der Geschichte. - Th.Cendrillon trug Samtpantoffel und fuhr in einer sechsspännigen Kutsche mit sechs Lakaien. Hierin erkennen wir die besondere Vorliebe des französischen Volkes für Pracht und Kostbarkeiten; und darin wieder offenbart sich die sprühende Lebensfreude.

InhaltsangabeB II Ganz anders ist das sibirische Märchen vom „Fisch-Mädchen". Hier gibt es keine Könige, die rauschende Feste feiern. Die Geschichte berichtet in kargen, farblosen Worten von einem armen sibirischen Fischer, der nicht einmal einen Angelhaken besaß. Nicht hell und froh, sondern dunkel und trübe erscheint uns diese Geschichte, wie die Landschaft, in der das Volk lebt, das dieses Märchen erzählte. - Nachdem das Glück in Gestalt des Fisch-Mädchens in das Haus des Fischers einkehrte, wurde er vorwitzig. Übermut und Neugier trieben ihn, das Geheimnis, das über dem Fisch-Mädchen lag, aufzudecken. Th.Das Erwachen seiner Neugierde und deren Befriedigung besiegelt das Schicksal des Fischers. Er stürzt sich selbst durch seinen Fürwitz in die Armut zurück. - Die W.phantasielose Art, in der das Märchen plötzlich schließt, läßt auf den Charakter des Volkes schließen, das eine kargere und ärmere W.Phantasie besitzt als das deutsche und französische.

Th.!B III. Zwischen diesen beiden Märchen, dem französischen und russischen, steht das deutsche: „Die Sterntaler". Das kindliche Gottvertrauen des deutschen Volkes spüren wir deutlich heraus. Dieses kleine Mädchen in den „Sterntalern" war von aller Welt verlassen, (-)so wie das deutsche Volk oft von aller Welt verlassen ist . Es hatte keinen mehr außer dem lieben Gott, an den es sich wenden konnte. Opferfreudig teilt es seinen letzten Besitz mit andern Armen, die noch weniger haben. Es läßt sich ausnutzen, und es gibt sogar sein Hemdlein her. Da wird es vom Himmel belohnt für seine Nächstenliebe. Die Sterne fallen vom Himmel und werden zu Talern, sodaß es nun reich ist.

C.) Diese drei Märchen, die charakteristisch sind, für die Völker, die sie formten, unterscheiden sich nein!nur rein äußerlich . Ihr Wesen ist gleich. In der Ähnlichkeit ihres Gehalts erkennen wir eine geistige Verwandtschaft der Völker, die sich aus einer gleichen sozialen Struktur gebildet haben. Klar kommt das Th. auch jetzt nicht herausEs hat also Zeiten gegeben , in denen es keine nationalen Gegensätze gab. Die Völker sind sich erst später fremde geworden, nachdem sie ihren kindlichen Glauben u. ihr natürliches Wesen verloren haben. Sie stehen nicht mehr in enger Verbundenheit mit der Natur und versuchen vermessen, göttliche Kräfte zu verderblichen Zwecken auszunutzen.

Eine neue Brücke von Volk zu Volk kann das Volksmärchen werden. Denn in ihm erkennen wir die gleichen Grundanschauungen. Wenn die Völker gleiche Gedanken haben und sie austauschen, so müssen sie sich verstehen. - ein neues Märchen! So war das Th. nicht gemeint.Obwohl das Volksmärchen tendenzlos ist, so hat es eine unbewußte erzieherische Wirkung . - Wenn die Völker wieder glauben, daß übermütige, weltliche Klugheit gedemütigt wird I, und das Böse, wenn auch nach langem Kampf, dem Guten weichen muß, dann kann es sein, daß sich die Völker bald wie Kinder verstehen, die das gleiche Märchen lieben I, und gemeinsam mit glänzenden Augen zuhören, wenn man es ihnen erzählt. Und sie werden alle zus. mit dem Lichte gegen die Finsternis stehen, um dem wahrhaftig Guten zum Sieg zu verhelfen. Untereinander werden sie Nächstenliebe üben, wie das kleine Mädchen in den Sterntalern; keiner wird in Hunger und Not allein sein. Wenn sie in Bedrängnis sind, werden sie in kindlichem Vertrauen auf Gottes Hilfe doch nicht verlassen sein. (-) Th.!Vielleicht kann ein Volk auch Trost in seinen Märchen finden. Geht es dem deutschen Volk nicht genauso wie dem kleinen Mädchen in den „Sterntalern"? Sind wir nicht auch von aller Welt verlassen in Armut und Not? Vielleicht kommt auch für unser Volk der Tag, an dem ihm Gott beisteht, sich ein neues Leben aufzubauen in einer Völkergemeinschaft nicht unter Nationen, die die wahren Werte verkennen und in Haß gegeneinander stehen.

Die wesentlichen Gedanken zum Thema findet man in der Einleitung und im Schluß, hier allerdings in sehr merkwürdiger Auffassung. Die Ausführungen selbst bringen einen oberflächlichen Vergleich der Märchen, gestützt im Wesentlichen auf eine Inhaltsangabe. Die Verfasserin hat dabei nicht begriffen, wie wertvoll es für das Verständnis unter den Völkern wäre, wenn sie sich auch in ihren Eigentümlichkeiten verstehen und kennen lernten. Trotz einzelner besserer Stellen muß der Aufsatz darum als

Nicht genügend bezeichnet werden.

Die Jahresleistungen waren durchschnittlich Genügend.

22.II.47. T. Rolff.