KAS (Köln)

Vorschläge für den deutschen Aufsatz des Sonderlehrgangs B

1.) Alles, was uns begegnet, läßt Spuren zurück, alles trägt unmerklich zu unserer Bildung bei. (Goethe) (Nach eigenen Erlebnissen)

2.) Die Volksmärchen: Eine Brücke zwischen den Völkern. (Vorgelegt wird: 1.) Ein sibirisches Märchen: Das Fisch-Mädchen, 2.) ein deutsches Märchen: Die Sterntaler, 3) ein französisches Märchen: Cendrillon.

3.) Vergleich zweier Mutterbildnisse: (Christoph Amberger: Margarete Welser. Hans Thoma: Bildnis der Mutter des Künstlers)


Lebenslauf

Mein Vater, Theodor S., dessen Heimat die Hocheifel ist, wurde, da es seinem ernsten Wesen am besten lag, Mittelschullehrer. Meine Mutter war technische Lehrerin. Ihre Vorfahren stammen aus dem bergischen Land; sie selbst ist Kölnerin. Am 15. Februar 1927 wurde ich in Köln-Müngersdorf geboren.

Am 1. April 1933 wurde ich in Köln-Melaten eingeschult. Die vier Volksschuljahre werden mir unvergeßlich bleiben. Meine Lehrerin machte mir das Lernen zu einer wirklichen Freude, und schon damals hatte ich den Wunsch, das zu werden, was sie war.

Der gleich hinter dem Haus liegende Stadtwald lockte meinen Vater, der die Natur sehr liebt, oft hinaus, und wir Kinder waren seine treuen Begleiter. Es war zu schön, mit ihm den Vögeln zu lauschen und den ewigen Wechsel der Jahreszeiten zu erleben. Durch wundervolle Wanderungen, die sich später anschlossen, gewann ich ein immer innigeres Verhältnis zur Natur. Dem Leben der Tiere stand ich durch unseren Hund und unsere Kaninchen nicht mehr fremd gegenüber, und ich lernte sie verstehen. Meine erste heilige Kommunion, deren tiefen Sinn ich unbewußt fühlte, war der Abschluß meiner Kinderzeit und zugleich der Beginn einer neuen, ernsteren Schulzeit.

1937 kam ich auf die Oberschule für Mädchen in Lindenthal, Weyerthal. Mein Wunsch, weiter zu lernen, war geblieben; er wuchs, da ich sah, wie innerlich befriedigt meine Eltern waren, wenn sie sich geistig betätigten. Mein Vater besaß, da er sich für fremde Sprachen sehr interessiert, viele fremdsprachliche Bücher. Meine Liebe für Sprachen wurde durch sein Interesse geweckt, und in der Schule waren mir diese Fächer neben Geschichte und Mathematik die liebsten. Bücher wurden meine guten Kameraden. Meine kleine Bibliothek wurde immer größer. Die Märchen von Grimm, Stifters und Freitags Werke nahmen einen wichtigen Platz ein; sie las ich besonders gern.

Da meine Eltern sehr musikliebend sind, ließen sie mir schon früh Klavierunterricht geben. Nachdem ich die ersten Schwierigkeiten überwunden hatte, führte mich meine Lehrerin mit feinem Verständnis in die Werke berühmter Meister ein. Die Musik bedeutete mir bald alles. Sie gab mmir oftmals Trost, und besonders Bachs Werke, die ich am liebsten spiele, schufen in mir eine große Klarheit.

Erst mit dem 20. April 1944 zeigte sich mir der Krieg mit seiner ganzen krassen Brutalität. Unser Haus brannte zum Teil aus. Meine Schwester erkrankte durch die Angriffe schwer. Dazu wurde mein Vater zur Front eingezogen. Ich nahm meiner Mutter in ihren großen Sorgen soviel ab, wie ich konnte; das machte mich noch ernster, als ich schon war.

Als die amerikanischen Truppen sich der Westgrenze näherten, wurde meine Klasse im Westwall, in der Nähe Monschaus, eingesetzt. Wir blieben nur 14 Tage dort; dann wurden wir vor dem angreifenden Feind zurückgezogen. Das Vertrauen in unsere Führung, deren Rücksichtslosigkeit wir gefühlt hatten, war erschüttert. Wir kehrten selbständiger, aber voller Zweifel und Sorge um die Zukunft nach Hause zurück.

In der Nacht des 31. Oktober wurde unser Haus durch zwei Volltreffer und Phosphorkanister vollständig zerstört; wir selbst wurden nur wie durch ein Wunder vom Erstickungstod gerettet.

In Weimar fanden wir bei Bekannten freundliche Aufnahme. Mein Interesse galt hier den Wirkungsstätten der großen Dichter, noch mehr aber ihren Werken. Sie ließen mich die Kriegsnot für Tage vergessen und lehrten mich, wieviel wertvoller geistiges Besitztum als materielles ist.

Ostern 1945 wurden wir erneut ausgebombt und zogen nach Sulzbach bei Apolda. Ich wiederholte und erweiterte den Lehrstoff der Schule und las nebenher englische und deutsche Schriftsteller. Auf eine Nachricht meines Vaters kehrten wir nach Köln zurück.

Am 26. November 1945 fing die Schule wieder an. Anfangs fiel es mir schwer, mich in der mir fremden Kaiserin-Augusta-Schule einzuleben. Doch durch das große Verständnis meiner Klassenlehrerin wurde mir die Schule bald wieder zur Freude. Ich hoffe, daß sich mein sehnlicher Wunsch, zu studieren und Lehrerin zu werden, erfüllt und bitte darum, zur Prüfung zugelassen zu werden.

Abituraufsatz

Alles, was uns begegnet, läßt Spuren zurück, alles trägt unmerklich zu unserer Bildung bei. (Nach eigenen Erlebnissen.) (Goethe.)

A. Einleitung:

Erlebnisse können dem Leben eines Menschen einen besonderen A. gemeint: Richtung!Sinn geben.

B. Ausführung:

Formulierung der Gliederung entspricht weder dem Inhalt der Teile noch dem Ziel des ThemasI. Warum mir die Musik zu einem unvergeßlichen Erlebnis wurde.

II. Warum ich das Miterleben einer Krankheit nie missen möchte.

III. Warum ein Naturerlebnis zu meinem Leben gehört.


C. Schlußsatz.

A. Im Leben eines jeden Menschen reihen sich Ereignisse aneinander. Sie scheinen ihm selbst vielleicht unbedeutend und geben seinem Leben doch einen ganz besonderen Sinn. Erst im Lauf der Zeiten erkennt der Mensch ihre Wirkung und merkt, daß sie dazu beitrugen, ihn reicher und reifer, ihn zu dem zu machen, was er ist.

In meinem Leben sind mir bisher noch keine Erlebnisse begegnet, die mich von einem zum anderen Tag zu einem neuen Menschen geformt hätten. Alles, was ich erlebte, schien mir fast selbstverständlich, und erst viel später merkte ich, wieviel sie mir bedeuten, und daß es unlöslich mit mir verbunden ist.

B. I. Ich weiß nicht mehr den Tag, an dem ich mich mit anderen jungen Menschen in dem kleinen Musikzimmer meiner Klavierlehrerin einfand; ich weiß nur noch, daß ich aus Oirgend einem Grund erregt und etwas bedrückt war. Wir wollten die Werke einiger alter Meister spielen; wir wollten sie erleben und zu verstehen suchen. Doch ich konnte mich nicht recht sammeln. Die Töne flatterten an mir vorbei, sie gaben mir keine Erholung. Da erklang, erst leise, doch dann mächtiger, ruhig[?] und klar, eine Klavierkomposition von J. S. Bach. Sie zog mich mit all meinen Gedanken ganz in ihren Bann und ließ mich erst los, als der letzte Ton verklungen war. Nach diesem Stück war ich ganz ausgeglichen, wußte aber nicht I_ warum, sondern ich nahm es hin, als müßte es so sein. Den Nachmittag vergaß ich bald wieder. Die Tage liefen in ihrer Alltäglichkeit weiter fort. Sie wurden mir erhellt durch die Musik, die mir immer mehr Freude machte. Bachs Werke waren mir nicht mehr fremd. Sie waren mir lieber, als die anderer Meister, und wenn ich sie spielte, schien es, als ob alle meine Sorgen und GNöten sich in ihrer kristallenen Klarheit lösten. Jener Nachmittag kam mir wieder ins Gedächtnis, wo ich in der Musik nicht nur die Kunst in ihrer lebendigen Schönheit erlebte, sondern auch ihre heilende Kraft verspürte. Musik bedeutet mir seitdem nicht nur Unterhaltung und Freude, sie ist mir O G Azu etwas geworden, daß sich nicht mehr aus meinem Leben fortdenken läßt. Hinter der Musik bleiben alle Sorgen, das alltägliche Leben zurück. Wenn ich ganz in sie versunken bin, meine ich I_ den starken Strom des Unverfänglichen zu spüren. Steif.Dies löst in mir ein Gefühl, daß mich tiefinnerlich „glücklich" macht, reich und A (platt)zufrieden .

II. Vielleicht ist es gut, daß wir manches Erlebnis, das in unser Leben tritt, erst dann in seiner ganzen furchtbaren Wirkung erkennen, wenn es uns persönlich schon viel Gutes gegeben hat. Hätte ich damals gewußt, daß die Krankheit meiner Schwester sich wohl nie mehr besserte, ich glaube, im Ausdr. weder klar noch schönes wäre in mir das zerbrochen, was einem Menschen sonst über vieles hinwegzuhelfen vermag. Die lange Zeit der Krankheit, die ich zuerst als etwas hinnahm, was sein muß, wandelte mich unmerklich; mir vielleicht noch weniger bemerkbar, als den Menschen, die mich kennen. Ich meine, es könnte keinen Menschen geben, der einem anderen nicht in seinen Schmerzen helfen und ihm Linderung zu geben versucht. Meine eigenen Wünsche stellte ich gerne zurück, um die meiner Schwester zu erfüllen und sie fröhlich zu sehen. Ich war dann innerlich glücklich befriedigt und versuchte, ihr immer helfen zu dürfen, wenn sie es bedurfte. - Jene Zeit gab mir aber noch mehr. Sie schenkte mir Mitgefühl für die Menschen, die ich an einem innerlichen oder äußerlichen Schmerz leiden sah. Sie waren mir nicht mehr fremd wie früher, als ich ihnen verständnislos gegenüberstand. Schon mit einem Wort, mit stillem Zuhören, wenn sie von sich sprachen, konnte ich ihnen helfen.

III. Ein Erlebnis, das (-) „Wörtchen".noch nicht (-)allzu lange zurückliegt, gab mir vielleicht am meisten.

Während eines Ferienaufenthaltes auf dem Lande machte ich gegen Abend eines verhältnismäßig schönen Tages noch einen Spaziergang. Mein Weg lief über eine sanfte Hügelung , von der man die ganze Umgebung überschauen konnte. Auf der einen Seite lag das Land schon unter dem zarten grauen Nebelschleier der kommenden Nacht, doch auf der anderen Seite blendete mich fast die untergehende Sonne, die ihren Aganzen Glanz und ihre ganze Hitze noch einmal in ihren Farben auf die Erde auszuschütten schien . Damals bedeutete mir das Erlebnis nur ein Naturschauspiel, wie es den Menschen manchmal geschenkt wird.

Ich erinnerte mich noch oft an diesen Abend, doch allmählich verblaßte in mir die Erinnerung an das Spiel der Farben, deren wirkliche Schönheit ich (-) überflüss. „Wörtchen"ja doch nicht mehr sehen konnte. steif.Das Erleben wurde mir zu einem Weg, der mich zum rechten Verständnis für die Natur führte . Und gleichzeitig erweckte es in mir eine tiefe Ehrfurcht vor allem, was Gott schuf. StellungSpäter, als ich Goethes Gedichte erlebte, mußte ich unwillkürlich auch wieder an jenes Erlebnis denken. War es nicht, als ob auch ich damals zwischen dem Tag und der Nacht gestanden hätte, und das Schicksal des Menschengeschlechtes (-) s. o.auch zu spüren schien?

C. Meine WErlebnisse haben andere Menschen vielleicht auch Werlebt , doch können sie ihnen nie das bedeutet haben, was sie für mich waren. Wären sie nicht in mein Leben getreten, ich wäre nie das geworden, was ich heute bin.

Ruhig und trotz der schlecht formulierten Gliederung zielsicher hat die Verfasserin an drei Erlebnissen, die allerdings einen reichlich breiten Raum einnehmen, die Wahrheit des Thema-Wortes bewiesen. Der sprachliche Ausdruck bleibt nicht immer auf gleicher Höhe, sondern ist manchmal ungeschickt oder sinkt ins Allerweltsdeutsch ab. Der persönliche Stil der Vf. ist eben noch in der Entwicklung begriffen:

Befriedigend.

Die Jahresleistungen waren durchschnittlich Genügend.

22.II.47 T. Rolff.