KAS (Köln)

Vorschläge für den deutschen Aufsatz des Sonderlehrgangs B

1.) Alles, was uns begegnet, läßt Spuren zurück, alles trägt unmerklich zu unserer Bildung bei. (Goethe) (Nach eigenen Erlebnissen)

2.) Die Volksmärchen: Eine Brücke zwischen den Völkern. (Vorgelegt wird: 1.) Ein sibirisches Märchen: Das Fisch-Mädchen, 2.) ein deutsches Märchen: Die Sterntaler, 3) ein französisches Märchen: Cendrillon.

3.) Vergleich zweier Mutterbildnisse: (Christoph Amberger: Margarete Welser. Hans Thoma: Bildnis der Mutter des Künstlers)


Lebenslauf

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dadurch mussten meine Leistungen, die anfangs kaum Schwierigkeiten aufkommen liessen, nachlassen. Der erste Schulwechsel erfolgte während des dritten Volksschuljahres, da wir nach Lindenthal umzogen. Es fiel mir schwer, mich in der neuen Umgebung einzuleben, und erst später habe ich gelernt, mich schneller in einem neuen Lebenskreis einzufinden. Meine Erinnerungen an die kurze Lindenthaler Volksschulzeit sind verschwommen, die Klasse blieb mir fremd und ebenso die Lehrerin, deren Lob mich nicht freuen konnte und deren Art, Strafen zu vollziehen, mich zurückschrecken liess. Es war eine Erlösung für mich, als meine Eltern mir erlaubten, das vierte Volksschuljahr zu überspringen, was damals gerade möglich war, und die Sexta der Kaiserin-Augusta-Schule zu besuchen. Endlich war ich Schülerin einer höheren Schule und gleichzeitig in demselben Gebäude wie meine Schwester. So viele Vorteile auch durch die vorzeitige Aufnahme auf der Oberschule zu erwachsen schienen, so habe ich doch immer, sowohl in der deutschen Grammatik als auch im Rechnen feststellen müssen, dass die Kenntnisse des vierten Volksschuljahres fehlten.

In der neuen Schule musste ich mich sehr ändern, meine Mitschülerinnen wussten bald, dass ich ihrem bewussten Auftreten etwas unsicher gegenüberstand, und es kostete viele unglückliche Tage bis ich mich in der Klasse wohlfühlte.

1943 verloren wir durch eine Luftmine unser Haus, und damit hatte die unbeschwerteste Zeit ein Ende. Meine Schwester setzte ihr Medizinstudium in Greifswald fort, und meine Eltern waren gezwungen, mich eine kurze Zeit meinem Schicksal allein in Köln zu überlassen. In den täglichen Sorgen, die aus dem unsteten Leben erwuchsen, ging mein Interesse und die Vorliebe für die Schule unter, die Leistungen sanken. Da wir keine Bleibe in Köln hatten und mein Vater nach Berlin versetzt wurde, zogen Mutter und ich zu meiner Schwester nach Greifswald. Es ist mir nie gelungen, mit den Pommern in Verbindung zu kommen, das Temperament des Pommern und das des Rheinländers sind zu verschieden, um zu harmonieren. Das äusserte sich besonders in der Schule, und dadurch wurde mir die Möglichkeit, in den Stoff des Unterrichtes einzudringen, besonders erschwert. Die Lücken, die dadurch entstanden waren, dass die Schulen im Westen ihren Unterricht kaum durchführen konnten, machten sich jetzt unangenehm bemerkbar. Mein Versetzungszeugnis in die achte Klasse wies zwar keine fünf auf, war aber nur ausreichend. Es schien mir jedoch keineswegs eine genügende Grundlage für ein Abitur zu sein, und unter Berücksichtigung meiner Jugend erlaubte mir der Schulleiter, eine Klasse zurückzugehen. Das Abschlusszeugnis des Jahres 1944 von der sechsten Klasse war das beste, das ich seit über einem Jahr in Händen hielt. Da begann Pommern mit seinen Aufforderungen zu Kriegsdiensten, die sich bis zum Frühling des Jahres 1945 hinzogen. Im März 1945 floh ich vor den Russen zu Bekannten nach Alfeld an der Leine, das bereits Ostern von den Amerikanern besetzt wurde. Meine Eltern und meine Schwester waren für mich wie verschollen. Ich musste mich zum ersten Mal selbständig bei fremden Leuten durchsetzen. Geld hatte ich kaum, da die Verbindung mit meinen Eltern plötzlich abgebrochen war. Als ich meine Eltern im September 1945 wiedersah, war ich um viele Erfahrungen reicher und auch lebenstüchtiger geworden. In der Zeit, in der meine Eltern ein neues Heim in Köln zu gründen suchten, ging ich auf die Oberschule in Alfeld und Ostern 1946 siedelte ich nach Köln über und wurde dort in den Sonderkurs der Kaiserin-Augusta-Schule aufgenommen. Nach dem Abitur möchte ich die Universität besuchen, um dort Germanistik und eine Fremdsprache zu studieren.

Deutsch und Geschichte waren während meiner Schulzeit die Unterrichtsfächer, die mich am meisten interessierten. Während der Spielzeit 42/43 des Schauspielhauses gab es wohl kaum ein Schauspiel, das ich nicht gesehen hätte, und dadurch habe ich meine Vorliebe für die deutsche Sprache und die deutsche Dichtkunst gefestigt. Aufsätze habe ich immer gerne geschrieben und ebensoviel Freude machte es mir, Gedichte auswendigzulernen. Schon lange hatte ich den Wunsch, nach meinem Abitur die Journalistenlaufbahn einzuschlagen, ich habe diesen Gedanken aber aufgegeben, da ich den Beruf heutzutage für zu aussichtslos halte, besonders für eine Frau. Ich glaube auch, dass ich mir durch das Philologiestudium eher eine Lebensgrundlage erwerben kann als durch das Musikstudium, das ich ebenfalls in Erwägung gezogen hatte.

Abituraufsatz

Die Volksmärchen: Eine Brücke zwischen den Völkern. (Vorgelegt wird: 1.) Ein sibirisches Märchen: Das Fisch-Mädchen, 2.) ein deutsches Märchen: Die Sterntaler, 3) ein französisches Märchen: Cendrillon.

Gliederung:

A Einleitung: Das Märchen, eine Dichtung für die Jugend und das Alter.

B Hauptteil:

I Das Märchen als Verbindung zwischen den Völkern, da es das Gemeinsame betont.

II Das Märchen als Verbindung zwischen den Völkern, da es das Eigentümliche erkennen lässt.

C: Schluss: Formulierung!Die Jugend als Bindeglied zwischen den Völkern durch das Märchen.

Das Märchen ist Poesie, die nicht nur für Menschen eines bestimmten Lebensalters zugänglich ist. Das Märchenbuch hat seinen bestimmten Platz im Bücherschrank, und es kommt vor, dass auch der Erwachsene danach greift, nicht mit der Absicht, es einem Kinde vorzulesen. Wenn ich an Märchen denke, so sind es sicher die alten Volksmärchen der Brüder Grimm, die mir vorschweben. Das mag in dem besonders tiefen Wesen des deutschen Märchens begründet sein oder auch darin, dass mir nicht viel von der Märchendichtung anderer Völker bekannt ist. Logik?Deshalb ist aber der Eindruck, den die Volkspoesie dreier ganz verschiedener Völker auf mich ausübte, erstaunlich, und Einleitung führt nicht zum Th.die innere Beziehung der Märchen kann wohl kaum deutlicher hervorgehoben werden, als wenn sie nacheinander gehört werden.

Sibirien - Deutschland - Frankreich: Welche Gegensätzlichkeiten liegen diesen drei Begriffen zugrunde! Es gibt ?kaum etwas , was die Menschen dieser Länder verbindet . Das Märchen aber verwischt die A.Äusserlichkeiten , die durch verschiedenes Herkommen, durch geographische Lage und durch das_ Klima bedingt sind und zeigt den Menschen so I_ wie er als Mensch ist, in seinen Sehnsüchten, seinem Drang, den Dingen auf den Grund zu kommen, in seinen guten und schlechten Eigenschaften. So besteht in den Motiven, die den drei Märchen zugrunde liegen, kaum ein Unterschied. Es werden Menschen geschildert, die an äusseren Gütern arm sind und von der Hilfe der Mitmenschen verlassen, durch ihren inneren menschlichen Wert aber wird ihnen das Glück zuteil. Nur ein junges Volk hat genügend Naivität und ist ursprünglich genug, um Märchen zu dichten. Erst einseitige und unzureichende Begründungdurch die Kultur , indem ein Volk über das andere hinaus wächst, werden Grenzen aufgerichtet. Die Naturverbundenheit der Menschen löst sich, und an Stelle von einfachen, verständlichen und schönen Sinnbildern treten Worte und Begriffe.

Doch nicht nur das Gemeinsame des menschlichen Strebens sondern auch der Personenkreis, die Darstellung und Personifizierung der Natur stellt alle Märchen auf eine Basis. Der König und seine Umgebung vermag die Phantasie des Volkes besonders zu fesseln, und den Fischer in seiner armseligen Hütte kennt jedes Kind. Die Natur aber erscheint jedem Menschen als etwas ganz Lebendiges und Geheimnisvolles, und der Gedanke, ihr menschliche Gestalt zu geben, liegt nahe. Gerade das Kind neigt wohl dazu, die Natur zu personifizieren. Das Märchen in seiner Einfachheit und Klarheit ist jedem Volke verständlich sowie es auch Kindern, von diesen allerdings ungewusst, Einblick in das Menschenleben zu geben vermag. Das Märchen ist Bindeglied zwischen den Völkern und erinnert an deren gemeinsamen Ursprung. Der Gehalt der Märchen ist zu kurz gekommen.

Die Märchen vereinigen aber nicht nur die Menschen, indem sie das Gemeinsame erkennen lassen. Durch Die Ausführungen beschränken sich natürlich nicht auf Aufbau und Sprache.Aufbau und Sprache bringen sie uns die Eigentümlichkeit der Völker näher, sie zeigen ihre Entwicklungsstufe, und wir lernen das fremde Volk kennen: Es ist wohl naheliegend, das sibirische und das französische Märchen an dem deutschen zu messen, da dieses am tiefsten und ergreifendsten wirkt. Das sibirische Märchen ist in Sprache und Aufbau das einfachste. Die Sätze sind karg I_ und die Sprache bemüht sich nicht, die Phantasie des Lesers durch farbenreiche Schilderungen zu wecken. Trotzdem bleibt das Gefühl, dass das Märchen einen tiefen s. o.Gehalt hat. Es schildert uns I_ wie Diese Feststellung gehörte in den I. Teil.der Mensch sein Glück verscherzt, indem er seinen Ursprung zu erkennen sucht. Es lehrt damit die Erkenntnis, im Ausdruck mißglücktdass der Mensch durch seinen Wissensdrang immer wieder zurückgeworfen wird.

Das deutsche Märchen ist viel lebendiger und wärmer. Ein frommer, inniger Ton durchzieht es, und trotz seiner einfachen Handlung klingt es wie eine Geschichte, die jenseits der Wirklichkeit liegt. Die Verkleinerungsformen der Wörter machen das ganze Geschehnis noch rührender und eindringlicher. Bezeichnend für das deutsche Märchen ist es auch, Odas den Sterntalerkind der Lohn für seine Güte und sein Mitleid ein Hinweis, der nicht ausgenutzt wird.direkt vom Himmel zuteil wird, während der Fischer des sibirischen Märchens das Glück aus dem Meer heraufholt .

Das französische Märchen ist im Gegensatz zu dem deutschen und dem sibirischen Märchen oberflächlich. Eine Übertragung ins Deutsche betont vielleicht den Unterschied I_ Logik?aber das einfach Schöne des deutschen Märchens fehlt. Die Hauptsache ist das Äusserliche, den Worten fehlt alle Herzlichkeit und den Menschen wirklich echtes Empfinden. So vermissen wir an dem französischen Märchen das, was wir als eigentliches Wesens des Märchens voraussetzen: Natürlichkeit und Innigkeit eines tiefen Gefühls.

gehört nicht zum Th. Wir erkennen das besonders, wenn wir Cendrillon mit demselben deutschen Märchen vergleichen. Trotzdem liegt aber dem französischen Märchen der gleiche Gedanke zugrunde wie dem deutschen, ?nur durch Sprache und Auffassung wird er im französischen Märchen oberflächlicher.

Das Märchen ist vielleicht Irrtumeine eigentümlich deutsche Dichtung , trotzdem bleibt auch der Reiz des sibirischen und französischen Märchens bestehen, und ein Kind wird sie mit derselben Versenkung in eine unbekannte Welt auch anhören. Gerade weil die Märchen auf die Jugend besonders tief wirken I_ kann eine Brücke zwischen den Völkern aufgerichtet werden, da sie das Gemeinsame und das Besondere der fremden Völker sieht.

Die Aufgabe ist erkannt, aber nicht konsequent durchgeführt. Der Gedanke des Themas tritt schließlich so weit zurück, daß die Märchen nur noch verglichen werden. Die Arbeit ist in gewandter Sprache geschrieben:

Befriedigend.

Die Jahresleistungen waren ebenfalls Befriedigend

22.II.47 T. Rolff.