KAS (Köln)

Vorschläge für den deutschen Aufsatz des Sonderlehrgangs A

1.) Erinnerung an ...

2.) Wie verwirklicht Michael in Wiecherts „Hirtennovelle“ das Wort Carossas „Im engsten Kreise wag’s, dich reich zu leben“?

3.) Nicht der ist auf der Welt verwaist,
dem Vater und Mutter gestorben,
sondern wer für Herz und Geist
keine Lieb’ und kein Wissen erworben.
(Rückert)


Lebenslauf

Als viertes von den sieben Kindern des Kaufmanns Otto B. und Elisabeth B., geb. V., wurde ich am 24.5.1928 in Köln geboren. Ich verlebte im Kreise der Geschwister eine frohe Kindheit. Die ersten beiden Schuljahre verbrachte ich in der Volksschule in Riehl. Wegen eines Umzuges mußte ich die Schule wechseln, und mir fiel das Einleben in der neuen Schule schwer. 1938 kam ich auf die Antoniter-Schule, und ich verlebte dort den sorglosesten Teil meiner Schulzeit.

Da meine beiden ältesten Brüder in einem Internat erzogen wurden, sorgten meine Eltern dafür, daß wir Geschwister wenigstens die Ferien gemeinsam verleben konnten. Die Ferientage auf der Kurischen Nehrung werden für mich immer in der Erinnerung weiterleben, denn hier durfte ich nicht nur mit meinen Geschwistern wilde Spiele in den Dünen spielen, sondern hier erlebte ich auch in der Gemeinschaft mit meinen Geschwistern die Unendlichkeit des Meeres, die mich die Größe des Schöpfers ahnen ließ. Hier erwachte zum ersten Mal in mir der Wunsch, musizieren zu können, angeregt vielleicht durch das Gemeinschaftslied, das in unserer Familie gepflegt wurde, vielleicht aber auch durch die ewige Melodie des Meeres, die Tag und Nacht in meine Seele hinein sang.

Als wir zu Hause waren, durfte ich mit Klavierstunde beginnen. Durch den ausgezeichneten Musikunterricht der Musiklehrerin unserer Schule reifte in mir der Wunsch, Musiklehrerin zu werden. In der Rundfunkspielschar wurde meine Liebe zur Musik und besonders zum Chorsingen noch erhöht. Orgelstunden, die ich seit April 1944 nahm, leiteten mich zur Kirchenmusik hin, so daß nun vor mir die Frage stand, ob ich mich für Kirchenmusik oder Schulmusik entscheiden würde.

Im Herbst 1944 wurden leider diese jungen Pläne schon zerstört. Nicht nur für unser Volk, sondern insbesondere auch für unsere Familie begann eine sorgenvolle Zeit. Ich mußte Kriegsdienst am Westwall leisten, meine Mutter war mit meinen jüngeren Geschwistern im Oberbergischen Land evakuiert, und mein Vater war geschäftlich an Köln gebunden. Mein jüngster Bruder war vermißt in Rußland, wir erhielten bald die Nachricht von der Verwundung meines zweiten Bruders, und von meinem ältesten Bruder fehlte jegliche Nachricht. Furchtbar traf es mich, daß unser geliebtes Heim, das Band, das uns bisher an Köln gebunden hatte, im Oktober ganz zerstört wurde. Das so herrliche unbeschwerte Leben meiner Kindheit schien mir jäh zusammengebrochen. Die neue Zeit forderte von mir hart und unerbittlich die Aufgabe aller persönlichen Wünsche.

Als im März 1945 die Fronthilfe aufgelöst wurde, stand ich mit einer Kameradin ganz allein in dem Kriegsgebiet. Nach Hause konnten wir nicht, weil die Gebiete, wo unsere Eltern waren, schon vom Amerikaner eingenommen waren. Wir schlugen uns zu meinen Großeltern durch und mußten da zwei Monate bleiben.

Danach kam ich zu meinen Eltern nach Dillenburg und durfte dort noch einmal eine schöne Zeit erleben, die deshalb für mich so viel bedeutete, weil sie mein Seelenleben so stark beeinflußte. Ich kam in kirchliche Kreise hinein, die mich auch wieder zur Beschäftigung mit Kirchenmusik hindrängten. Ich lernte das Gruppenleben der evangelischen Jugend kennen, schätzen und lieben, und ich wurde beseelt von dem Wunsche, selbst einmal führend in so positiv christlich eingestellter Jugendarbeit stehen zu dürfen.

Nachdem in Köln unsere Wohnung wieder beziehbar war, zog unsere Familie zurück nach Köln. Wir erlebten bald das große Glück, daß einer meiner Brüder aus der Gefangenschaft zurückkehrte; leider fehlt jegliche Nachricht von meinen beiden vermißten Brüdern. Deshalb will die rechte Freude in unserer Familie nicht mehr aufkommen.

Als wir von der Existenz einer Orgel in der Kirche in Bickendorf erfuhren, durfte ich die Orgelstunden wieder aufnehmen. Ich musiziere heute mit solcher Hingabe und Begeisterung, daß ich mich endgültig für Kirchenmusik entschlossen habe. Augenblicklich vertiefe ich mein Musikstudium vor allem durch die Teilnahme am Chorsingen des Bach-Vereins.

Die Arbeit im christlichen Jugendbund, die ich neben der Schule pflegte, hat in mir den Entschluß gereift, einen Beruf zu wählen, der mich beides tun läßt: musizieren und Jugend führen. Ich möchte Pfarrgehilfin werden, werde deshalb zunächst in Elberfeld mein Kirchenmusikstudium abschließen und anschließend eine Bibelschule besuchen. Ich kann kaum fassen, daß für mich einmal die Zeit kommen soll, in der ich frei und ungehemmt die Dinge tun darf, für die ich mir jetzt die Zeit stehlen muß, und die mir doch die liebsten Dinge sind.