KAS (Köln)

Klasse OI R

Von dieser Klasse konnten bislang lediglich die Lebensläufe der Schülerinnen aufgefunden werden.


Lebenslauf

Am 21. Mai 1929
wurde ich als Tochter des Obermeisters der Schutzpolizei Anton K. und seiner Ehefrau Christine K., geb. N., in Köln-Lindenthal geboren.

Am 28. Mai 1929
wurde ich in der Kapelle der dortigen Frauenklinik von einem katholischen Geistlichen getauft.

Ostern 1935 - Herbst 1941:
Besuch der Volksschule in Köln-Ehrenfeld, Baadenbergerstraße.

Herbst 1941:
Aufnahme in die Klasse 3 b der Aufbauzüge für Mädchen, Spichernstraße.

Herbst 1941 - Oktober 1944:
Besuch dieser Schule.

Oktober 1944:
Schließung der Schule wegen der Kriegsereignisse.

Oktober 1944 - Juni 1945:
Evakuierung nach Westfalen; kein Schulbesuch.

Juni 1945:
Rückkehr nach Köln.

Oktober 1945:
Aufnahme in die Klasse R6b der wiedereröffneten Kaiser-Augusta-Schule.

Ostern 1946:
Einweisung in die Klasse UIIR.

Ostern 1947 - Ostern 1949:
Versetzung in die Klassen OIIR, UIR, OIR.

Mein Vater stammt aus einer alten, westfälischen Bauernfamilie, die Vorfahren meiner Mutter hingegen lebten alle in Köln. So verband sich in mir das heitere Gemüt des Rheinländers mit dem ernsteren, schwereren des Westfalen.

Geschwister habe ich nicht, und ich bin in meinen ersten Lebensjahren wenig mit anderen Kindern zusammengekommen. Ich wollte es auch gar nicht. Viel lieber beschäftigte ich mich allein. Ich holte mir Bleistift und Papier und begann zu kritzeln; im Laufe der Jahre nahmen diese Kritzeleien dann allmählich erkennbare Formen an. Im fünften Lebensjahr versuchte ich unter Anleitung meiner Mutter einfache Handarbeiten. Eine besondere Vorliebe hatte ich von jeher für Blumen, und selbst Unkraut, an dem die meisten achtlos vorübergehen, stellte ich sorgsam in Väschen auf.

Der erste Schultag brachte eine große Wendung. Er war für mich der erste Schritt in die große, fremde Welt, und es sind viele Tränen dabei geflossen. Ich hatte das Glück, eine liebevolle Klassenlehrerin zu bekommen, die ich während meiner ganzen Volksschulzeit behielt. Mit ihrer Hilfe lebte ich mich langsam ein und bekam Freude am Lernen. Sie war es auch, die mich zum Besuch der Aufbauschule vorschlug. Sie setzte sich sehr für die Einwilligung meiner Eltern ein, denn diese hatten ursprünglich gar nicht vor, mich zur höheren Schule zu schicken, und ich selbst hatte die Vorstellung, daß dort Unmögliches verlangt würde. Schließlich erreichte sie es aber doch, daß wir ihren Vorschlag annahmen, und so besuchte ich nach bestandener Aufnahmeprüfung die Aufbauschule.

Ich kann dieser Lehrerin nicht genug dafür danken, daß sie mir den Besuch dieser Schule ermöglicht hat, denn daran knüpfen sich, trotz der düsteren Kriegsereignisse im Hintergrund, meine schönsten Erinnerungen. Der Übergang zur Aufbauschule fiel mir nicht schwer, denn sie bedeutete für mich nicht etwas gänzlich Fremdes. Sie stand unter derselben Leiterin wie die Volksschule, aus der ich kam, und auch mehrere Lehrerinnen waren mir schon von dorther bekannt. Das Lernen fiel mir leicht, und ich erzielte bald sehr gute Erfolge. Im Jahre 1943 hatte ich sogar das Glück, einen Preis zu erhalten, der von höherer Stelle für die beste Schülerin jeder Klasse gestiftet worden war.

In einem besonders herzlichen Verhältnis stand ich zu meiner neuen Klassenlehrerin. Sie erweckte in mir das Interesse für die Naturwissenschaft, sodaß ich mich entschloß, mich auch später eingehender damit zu befassen. Darüber hinaus trug sie durch ihre frische Art viel mit dazu bei, daß ich bei den schrecklichen Erlebnissen der Bombennächte nicht ganz verzagte.

Leider fand diese schöne Schulzeit einen sehr traurigen Abschluß. Der Unterricht wurde durch die dauernden Fliegeralarme empfindlich gestört. Unsere Schule wurde vernichtet, und während der Sommermonate des Jahres 1944 wurde der Unterricht zum Teil im Stadtwald vor dem Bunker unter freiem Himmel abgehalten. Da kam nach den Herbstferien ein Befehl der damaligen Regierung, daß alle Schülerinnen, die gesundheitlich dazu in der Lage wären, zum Einsatz herangezogen würden. Wir sollten auf größere Güter der Kölner Umgebung verteilt werden, um dort Rüben und Kartoffeln auszumachen. Aus unserer Klasse waren es außer mir noch sieben, die dazu bestimmt wurden. Wir versammelten uns an einem der nächsten Tage um 10 Uhr am Opernhaus. Bis gegen ½ 11 Uhr war die Bannführerin, die die Leitung übernehmen sollte, noch nicht da. Da kam Voralarm. Ich ging sofort zu dem nahegelegenen Beethoven-Bunker; die anderen blieben noch zurück. Ich hatte gerade den Bunker erreicht, als Großalarm kam, und im gleichen Augenblick fielen auch schon die Bomben. Als ich nachher wieder auf die Straße kam, sah es trostlos aus. Die ganze Umgebung war ein Trümmerfeld. Ich hatte nur immer den einen Gedanken: „Was mag aus meinen Kameradinnen geworden sein?" Ich sollte es bald erfahren. Zwei hatten noch versucht, den Bunker zu erreichen, mußten aber auf halbem Wege in ein Haus flüchten; sie kamen mit dem Leben davon. Die übrigen fünf fanden in einem Luftschutzraum in der Mittelstraße zusammen mit ungefähr hundert anderen Menschen den Tod.

Diese Ereignisse hatten mich tief ergriffen. Meine Eltern glaubten, daß ich weitere Angriffe ohne gesundheitlichen Schaden nicht überstehen würde und hielten es deshalb für das beste, mich in eine ruhigere Gegend zu schicken, zumal der Schulunterricht nicht aufrechterhalten werden konnte. Ich ging nach Westfalen zu meinem Onkel, der den Hof meiner Großeltern geerbt hat. Dort half ich in der Küche und im Stall. Ich konnte in dieser Zeit wenig in meine Bücher sehen, denn dafür wurde wenig Verständnis gezeigt. Ich hätte jetzt, da ich mehr Ruhe hatte, gerne hin und wieder etwas gezeichnet, aber das wurde mit unnützer Spielerei gleichgesetzt. Ich wurde durch dieses Leben sehr niedergedrückt, zumal die stete Sorge um meine Eltern hinzukam. Als dann im Frühjahr 45 meine Mutter kam, siedelten wir zu meiner Großtante in einem benachbarten Städtchen über. Sie bemühte sich, uns jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Dort lebte ich wieder auf. Ihr Haus wurde mir zur zweiten Heimat.

Im Sommer 45 konnten wir wieder nach Köln zurückkehren. Wir fanden unsere Wohnung unversehrt vor. Mein Vater war auch schon wieder zurückgekehrt. In den nächsten Monaten machte ich viel Handarbeit und zeichnete. Besonders die Blumen reizten mich immer wieder zum Malen, denn sie sind ja unerschöpflich reich an Farben und Formen. Häufig machte ich auch Wanderungen mit Altersgenossinnen. Im übrigen wiederholte ich, was ich früher gelernt hatte, und wartete auf die Wiedereröffnung der Schulen.

Eines Tages hörte ich, daß in unserer Nähe die Kaiserin-Augusta-Schule eröffnet werden sollte. Ich meldete mich dort an und wurde im Oktober 45 in die Klasse R6b aufgenommen. In dieser Schule beschränkte man sich nicht darauf, uns nur möglichst viel Wissen zu vermitteln, wir sollten darüber hinaus die Verbindung von Wissenschaft und Kunst mit dem Leben erkennen. Wir wurden dazu angehalten, Stellung zu nehmen zu den Ereignissen unserer Zeit und uns ein eigenes, klares Urteil zu bilden.

Nun bin ich in der Klasse OI angekommen und hoffe, im Frühjahr 1950 die Reifeprüfung abzulegen. Danach will ich versuchen, eine Stelle in einem chemischen Laboratorium zu bekommen oder, wenn mir das nicht gelingt, einen Beruf ergreifen, in dem ich mich zeichnerisch betätigenn kann.