KAS (Köln)

Vorschläge für den deutschen Aufsatz des Sonderlehrgangs B

1.) Alles, was uns begegnet, läßt Spuren zurück, alles trägt unmerklich zu unserer Bildung bei. (Goethe) (Nach eigenen Erlebnissen)

2.) Die Volksmärchen: Eine Brücke zwischen den Völkern. (Vorgelegt wird: 1.) Ein sibirisches Märchen: Das Fisch-Mädchen, 2.) ein deutsches Märchen: Die Sterntaler, 3) ein französisches Märchen: Cendrillon.

3.) Vergleich zweier Mutterbildnisse: (Christoph Amberger: Margarete Welser. Hans Thoma: Bildnis der Mutter des Künstlers)


Lebenslauf

Am 21. Dezember 1927 wurde ich in Köln geboren. Wohl behütet von meinen Eltern, verbrachte ich meine ersten Kinderjahre mit meinen beiden älteren Brüdern.

Meine Mutter sorgte für ihre drei Kinder liebevoll. Ihre schweren körperlichen Leiden ertrug sie ruhig und geduldig. Sie war besonders begabt auf dem Gebiet der Musik, und es machte ihr große Freude, ihre Kinder mit dieser Kunst vertraut zu machen. Leider mußte ich schon sehr früh meine Mutter entbehren; sie starb, als ich 10 Jahre alt war. Doch hat sie in den wenigen Jahren, wo sie mir zur Seite stand, meine Bildung sehr gefördert.

Mein Vater ist Lehrer. Seine Kinder einen Beruf erlernen zu lassen, der ihnen Freude macht und sie zu zielbewußten und selbstständigen Menschen zu erziehen, betrachtet er als seine Lebensaufgabe. Er bereitete mich auf die Schule vor und stand mir auch später immer als Ratgeber zur Seite.

Mit 6 Jahren kam ich in die Volksschule Köln, Lochnerstraße. Das Lernen fiel mir leicht. Ganz besonders gerne hatte ich Heimatkunde und Musik. - 1938 wurde ich in die Kaiserin-Augusta Schule aufgenommen. Zunächst war mir die Art des Unterrichts an einer Höheren Schule neu und ungewohnt. Später aber fand ich Gefallen an dem vielseitigen und anregendem „Studium". Besonders interessierte ich mich für Geschichte, Erdkunde und Physik.

Leider wurde mein Fleiß durch den frühen Tod der Mutter vermindert: Häusliche Sorgen nahmen meine Zeit in Anspruch. - Erst als mein Vater sich wieder verheiratete, und eine ruhige und kluge Mutter den Haushalt übernahm, konnte ich mich wieder ernstlich der Schule widmen. Ich besuchte nun sehr häufig das Theater und las gern; dadurch wurde mein Interesse für die Dichtkunst geweckt.

Zu Beginn des Krieges wurden mein Vater und mein ältester Bruder zum Heeresdienst einberufen. Ich mußte nun Mutter, die fast von den Sorgen des Krieges erdrückt wurde, tapfer zur Seite stehen. In dieser Zeit lernte ich zum erstenmal selbständig handeln. - Die Grausamkeit und der bittere Ernst des Krieges kamen mir erst recht zu Bewußtsein, als 1942 mein ältester Bruder an der Ostfront fiel.

1940 und 1941 wurden noch zwei kleine Schwesterchen geboren. Durch den ständigen Umgang mit den kleinen Geschwistern gewann ich eine besondere Zuneigung zu Kindern, und es erwachte in mir der Wunsch, einmal als Lehrerin Kinder erziehen und bilden zu können.

Im September 1944 wurden die Schulen geschlossen, und wir sollten alle in Rüstungsbetriebe einberufen werden. Im Oktober wurde ich aber mit meinen Eltern und Geschwistern ins Emsland evakuiert. Wir kehrten erst im November 1945 wieder nach Köln zurück.

Studieren konnte ich auf dem Lande nicht, da mir jede Möglichkeit fehlte. Die Zeit benutzte ich darum, um praktisch in der Landwirtschaft zu arbeiten. Auf diese Weise lernte ich den friesischen Bauern und seine schwere Arbeit kennen.

Da ich mir vorgenommen habe, Lehrerin zu werden und hierzu das Abitur erforderlich ist, bin ich im Januar 1946 wieder in die Schule eingetreten.

Nach dem Abitur möchte ich die pädagogische Akademie besuchen, um mich auf den Lehrerinnenberuf vorzubereiten.

Abituraufsatz

Die Volksmärchen: Eine Brücke zwischen den Völkern. (Vorgelegt sind: Ein sibirisches Märchen: „Das Fisch-Mädchen", ein deutschen Märchen: "Die Sterntaler", ein französisches Märchen: „Cendrillon".)

A. Einleitung: Das Volksmärchen

B. Hauptteil: Das Volksmärchen: Eine Brücke zwischen den Völkern.

Das Thema wird im Plan vermißtI. Die Volksmärchen sind in ihrem Wesen gleich.

II. Das Verschiedene in den einzelnen Märchen gibt ein Charakterbild der einzelnen Völker.


C. Schlußsatz.

A. Die einfachste und echteste Dichtung ist das Volksmärchen. Aus ihm sprechen die wahren Charakterzüge eines Volkes. Zu dem Volksmärchen haben alle, ob mehr oder weniger begabt, in ihrer besonderen Art etwas beigetragen. Doch nur junge Völker können ein echtes Märchen gestalten; da sie noch eine lebendigere Phantasie haben und noch ungehemmter und freier A.im Dichten sind .

B. I. Vor mir liegen drei Märchen, ein sibirisches, ein deutsches und ein französisches. Es ist geradezu erstaunlich, wie ähnlich sie in ihrem Wesen sind. Alle sind sie in der sachlich nicht zutreffend.gleichen anschaulichen, reinen und einfachen Art dargestellt. Die Scenen[!] in allen drei Märchen wahrscheinlich im Ausdr. verfehlt.sind aus dem Leben gegriffen . - Ein armer Fischer fängt ein junges Fisch-Mädchen, was ihm heimlich den Haushalt versorgt und ihm Essen gibt, bis die Neugierde des Fischers ihn dieses Glückes beraubt. - Oder, ein armes Mädchen, dessen Vater und Mutter gestorben sind, irrt im Wald umher und verschenkt in seiner Gutherzigkeit alles, was es besitzt; wird dann aber für seine Güte vom Himmel mit vielen Sterntalern belohnt. - Cendrillon I_ das Töchterchen eines Edelmannes I_ wird von der bösen Stiefmutter verstoßen und schlecht behandelt. Eine gute Fee aber macht es dennoch glücklich und reich. -

Auch der Personenkreis ist in allen drei Märchen Die einzelnen Abschnitte werden nicht innerlich, im Sinne des Themas, verbunden.begrenzt . Es sind entweder Menschen, die wie der Fischer und das Sterntalermädchen sehr eng mit der Natur in Verbindung stehen, oder, wie in „Cendrillon", Könige, Prinzen und Edelfräuleins, zu denen das Volk ja immer voller Ehrfurcht aufsieht.

Auch der das ist gerade nicht der Fall.Gehalt und der Sinn sind in allen drei Märchen dieselben. Das Gute siegt über das Böse. Die weltliche Klugheit wird gedemütigt.

Nein, in den Volksmärchen gibt es keine Schranken, die die einzelnen Völker voneinander trennen. Die Volksmärchen verbinden wie eine Brücke die Völker und lassen uns spüren, daß es eine Ähnlichkeit im Wesen der Völker gibt.

II. Doch zeigen die Volksmärchen auch gewisse Unterschiede. In jedem Märchen treten nämlich die besonderen Eigenarten eines Volkes hervor. - So spricht aus dem sibirischen Märchen die Armut der Menschen dieses Landes. Es ist W.noch ein sehr junges Volk,. was W.noch sehr mit der Natur verbunden ist. Die Leute führen ein einfaches und genügsames Leben. Gold und Silber, was den Menschen so leicht ins Verderben zieht scheinen sie noch nicht zu begehren, denn davon sprechen sie garnicht in ihrem Märchen. Das Ende dieses Märchens ist tragisch, ganz dem schwermütigen Charakter der Bewohner Sibiriens entsprechend. - - Einfach und schlicht ist auch das deutsche Märchen. Doch liegt über diesem Märchen ein gefühlvoller, harmonischer Ton. Ein A. (kitschig)echtes deutsches Gretchen haben wir in dem Sterntalermädchen, naiv, einfach, mitleidig und gutgläubig.

Frankreich ist ein sehr reiches und fruchtbares Land. Es konnte deshalb auch viel Wert auf äußere Pracht und auf_ Prunk legen. Der Reichtum und die Lebensfreude der Franzosen spricht auch aus ihrem Märchen „Cendrillon". Diese Besonderheiten aber geben dem Märchen seine eigene Art und seinen Reiz. - Doch sprechen diese Verschiedenheiten in den Märchen nicht gegen den Gedanken, daß das Volksmärchen die Brücke zwischen den Völkern ist. (-) stört.Sie sind ja doch in ihrem Wesen so ähnlich. - Ihre Verschiedenheiten zeigen uns nur die vielseitigen Charakterzüge der Völker, die wir ja auch kennen müssen I._ um sie verstehen zu können.

C So bilden die Volksmärchen eine Brücke zu den anderen Völkern, und wir gewinnen durch sie ein wahres Bild von ihnen, was wir vielleicht auf andere Art erreichen können.

Die Aufgabe ist begriffen; aber der Weg zu ihrer Lösung kann nicht gebilligt werden: Nur am Schluß jedes Hauptteiles wird das Thema herangezogen. Dadurch scheinen die Ausführungen größtenteils in der Luft zu hängen. Da der Ausdruck ungelenk und die Ordnung mangelhaft ist, erreicht die Leistung knapp die Grenze

Genügend.

Die Jahresleistungen waren durchschnittlich Genügend.

22.II.47 T. Rolff.