KAS (Köln)

Vorschläge für den deutschen Aufsatz des Sonderlehrgangs B

1.) Alles, was uns begegnet, läßt Spuren zurück, alles trägt unmerklich zu unserer Bildung bei. (Goethe) (Nach eigenen Erlebnissen)

2.) Die Volksmärchen: Eine Brücke zwischen den Völkern. (Vorgelegt wird: 1.) Ein sibirisches Märchen: Das Fisch-Mädchen, 2.) ein deutsches Märchen: Die Sterntaler, 3) ein französisches Märchen: Cendrillon.

3.) Vergleich zweier Mutterbildnisse: (Christoph Amberger: Margarete Welser. Hans Thoma: Bildnis der Mutter des Künstlers)


Lebenslauf

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Diese sorglosen Jahre wurden jäh unterbrochen, als mein Vater zu Anfang 1939 nach Greifenberg in Pommern versetzt wurde. Ich sträubte mich sehr gegen diesen Wechsel und lebte mich nur schwer ein. Und doch habe ich Pommern, das Land an der Ostsee, liebgewonnen. Ich besuchte in Greifenberg die staatliche Friedrich-Wilhelm-Oberschule für Jungen. Besonders an die wenigen Mädchen wurden grosse Anforderungen gestellt. Ich konnte mich aber ganz meinen Arbeiten für die Schule widmen und war eine gute Durchschnittsschülerin. Deutsch, Erdkunde und Geschichte hatte ich besonders gern, daneben alle Fächer, die mit Musik, Zeichnen und Kunstgewerbe zusammenhängen.

Vom Kriege merkten wir wenig, bis im Sommer 1944, - ich war gerade in die 8. Klasse versetzt worden, - Ostdeutschland zum Kampfgebiet wurde. Die pommrische Bevölkerung baute den „Ostwall". Ich wurde im Kreise Schlawe eingesetzt und musste von August bis November an Panzer- und Schützengräben bauen. Anschliessend wurde ich zum Arbeitsdienst eingezogen, musste aber vor Ende des Jahres wegen Krankheit wieder entlassen werden. Bis zum Februar blieb ich zu Hause; die Schule in Greifenberg war geschlossen. Früher schon, und in dieser Zeit besonders, arbeitete ich mit Begeisterung in der Volksbücherei, trotz Kälte und mancherlei Schwierigkeiten. Ich vergass die gefährliche Lage, in der wir waren, als die Russen immer weiter vordrangen. Die Stadt zu verlassen, war verboten, bis es in den ersten Märztagen 1945 zu spät war. Wir wurden auf den Dörfern hin und her getrieben, mein Vater wurde zur Arbeit mitgenommen. Seitdem erhielten wir keine Nachricht mehr von ihm.

Bis zum Herbst arbeitete ich in der Landwirtschaft auf einem grossen Gut, das von einem polnischen Militärkommando bewirtschaftet wurde. Meine Mutter und ich schlugen uns schlecht und recht durch. An eine geistige Beschäftigung war nach der schweren körperlichen Arbeit von morgens bis abends nicht mehr zu denken. In der darauf folgenden Zeit war ich in einem polnischen Haushalt beschäftigt. Mitte Dezember wagten wir es schliesslich auszuwandern. Bis zum Frühjahr blieben wir bei Verwandten in der Nähe von Magdeburg. Weil ich meinen Schulabschluss nicht in der russischen Zone machen wollte, gingen wir über die Grenze in englisch besetzte Gebiet. Hier fanden wir bei unserer Verwandten in Frechen bei Köln ein Unterkommen.

So kam es, dass ich die Kaiserin-Augusta-Schule in Köln-Ehrenfeld besuche. Es fiel mir sehr, sehr schwer, mich einzugewöhnen. Ich musste mich erst wieder in der Schule und der neuen Lebensweise zurechtfinden. Dass es mir schliesslich gelungen ist, habe ich der schönen Kameradschaft in unserer Klasse und vor allem dem Verständnis zu verdanken, dem ich begegnete.

Für einen Beruf habe ich mich bis jetzt noch nicht fest entschliessen können. Aus Freude am Zeichnen und durch die Tätigkeit meines Vaters angeregt, dachte ich schon einmal an den Beruf einer technischen Zeichnerin. Auf eine Möglichkeit zu studieren, kann ich jetzt nicht warten, sondern muss jede passende Gelegenheit wahrnehmen, meinen Lebensunterhalt möglichst bald selbst zu verdienen. Und ich habe das feste Vertrauen, dass ich nach so viel Schwierigkeiten auch diese, die allerdings auch gross sein wird, überwinde.

Abituraufsatz

Vergleich zweier Mutterbildnisse.

(Christoph Amberger: Margarete Welser

Hans Thoma: Bildnis der Mutter des Künstlers.)

A. Die beiden Mütter Ain ihrer Zeit .

B. Der Vergleich.

I Bildnis der Margarete Welser

a) Ihr Äusseres.

Formulierungb) Versuch, aus dem Äusseren das Wesen zu erkennen.

c) Wie kam es, dass das Wesen der Welserin so wurde?


II Bildnis der Mutter von Hans Thoma und der Vergleich Gzu dem Gemälde Ambergers.

in II a ist der Thema-Gedanke nur einmal angedeutet, wie man der Glied. entnehmen kann.a) Äusseres .

b) Vergleich der beiden Mütter in ihren Wesen.

C. Zusammenfassung der Erkenntnisse.

A Die beiden vorliegenden Gemälde zeigen uns Frauen aus ganz verschiedenen Zeiten und Lebenskreisen. Margarete Welser, eine Tochter aus dem berühmten Kaufmannsgeschlecht und spätere Gattin des Konrad Peutinger, lebte in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Die Mutter von Hans Thoma steht uns zeitlich und ihrem ALebenskreis nach viel näher. Sie lebte im vorigen Jahrhundert und war Bäuerin im Schwarzwald.

B I a) Das Gemälde Christoph Ambergers zeigt uns Margarete Welser im Alter von sechzig Jahren. Sie war damals schon viele Jahre die Gattin des Konrad Peutinger. Wir sehen sie in dem Kirchenstuhl der Familie. Die mit vielen, nur schwach angedeuteten Ornamenten geschmückten Pfeiler der Kirche bilden den Hintergrund des Bildes, gegen den sich der schwarze Mantel und das weisse Kopftuch abheben. Obwohl wir Stil.durch den Kirchenstuhl nicht die ganze Gestalt erkennen können, muss Margarete Welser gross von WGestalt gewesen sein. Durch den weiten, faltigen Samtmantel mit Stickereien und Pelerine wird ihre Stattlichkeit noch betont. In den fein geformten und schneeweissen Händen hält sie das geschlossene Gebetbuch. Ihr Kopftuch ist so gebunden wie bei den Frauen der Ritter, von denen Walter von der Vogelweide sagt, sie sind „wol gebunden". Heute tragen die Nonnen einiger Orden noch diese Tracht. Das Gebinde lässt nur einen kleinen Teil des Gesichtes frei, die Augen, die Nase, den Mund und die Wangen. Dadurch wirkt ihr Antlitz sehr klein und schaut gleichsam aus einem Rahmen heraus. Die Züge selbst sind sachlich nicht richtigstreng und nicht ausgesprochen fraulich . Auf den ersten Blick scheint das Antlitz in seiner Ausgeglichenheit noch jung, ohne Runzeln. Fast will man es nicht glauben, dass es das Gesicht einer Sechzigjährigen ist. Bei genauerem Hinsehen entdecken wir jedoch einige Falten, Adie sich um die Augen hinziehen . Die Augen selbst sind ?starr in die Ferne gerichtet.

b) Sie scheint den Handlungen des Gottesdienstes nicht streng zu folgen, und doch ist sie dabei wirklich andächtig. Ihre Stilganze Haltung ist keine gezwungene , die sie nur in der Kirche einnehmen würde. Genau so stelle ich sie mir auch in ihrer häuslichen Umgebung vor. Ist es nicht merkwürdig, dass die Söhne ihre Mutter, die einem sehr glänzenden Hauswesen vorstand, in ihrem Kirchenstuhl malen liessen? Dieses innerlich tiefe, wirklich religiöse Leben, wie es ihr Gesicht und ihre Wganze Haltung zeigt, scheint ihr eigentliches Leben zu sein. Sicher hatte sie in ihrer Jugend ein prächtiges Leben geführt. Wenn wir nun dieses Bild sehen, können wir die Umwandlung ahnen, die mit ihr vorgegangen isst. Aus einem lebensfrohen, jungen Menschen ist diese Frau geworden, von der eine wunderbare Klarheit und Reinheit ausgeht. Wie sie sich rein äusserlich hinter die Schranken ihres Kirchenstuhles zurückgezogen hat, so hat sie auch in ihrem Innern eine Schranke errichtet, durch die Deutung zu eng.keine Schlechtigkeit und Verderbnis der Welt hindurch kann . Ihr Wesen ist einfach, klar, ohne jede Zerrissenheit.

c) Wir fragen uns nun, wie sie zu diesem Menschen geworden ist. unwahrscheinliche Erklärung.Frau Margarete lebte in einer Zeit, in der sich die Gedanken der Humanisten auswirkten. Luther hatte seine Thesen verkündet. Daneben versuchte aber auch die katholische Kirche sich von ihrer Weltlichkeit zu befreien und ebenfalls zu reformieren. Sie wollte wieder so einfach werden I, wie in ihren Anfängen. Diese Bestrebungen blieben nicht ohne Einfluss auf das Leben des OEinzelnen , wie wir an Margarete Welser sehen. Sie wurde zu diesem schlichten und einfachen Menschen, den wir auf dem Bilde vor uns haben. StilDiese Gedanken zeigen sich auch in ihrer äusseren Erscheinung . Ihrer Kleidung fehlen jegliche bunten Farben und G_ Schmuck. Sie trägt keine kostbaren Ringe, die ihr, als der Welser-Tochter, ziemen würden. Trotz dieser sehr s. Gliederung: I a!einfachen Kleidung, erkennen wir aber sofort, dass sie eine Frau aus vornehmem Hause ist. Das zeigt schon ihre fürstliche Haltung und G_ besonders ihre Gesichtszüge, die neben aller Einfachheit edel sind.

II a) Bei der Betrachtung des zweiten Bildes kann ich mir gut vorstellen, mit wieviel Liebe und Freude Hans Thoma daran gegangen ist, seine Mutter zu malen, sonst wäre nicht dieses rührende Bildnis entstanden. SatzbauWir erkennen sofort, dass es eine Bäuerin darstellt, an dem schwarzen Mieder, den weissen Ärmeln und dem frischen roten Kragen. Das Gesicht ist von der Feldarbeit gebräunt, und die blonden Haare sind an der Stirn und an den Schläfen von grauen Streifen durchzogen. Wenn wir uns an das Gesicht der Margarete Welser erinnern, so erscheinen uns die Züge der Bäuerin noch mehr zerfurcht und verarbeitet. Tiefe Rillen und Furchen auf der Stirne, um Auge, Nase und Mund eingegraben, sind die Spuren, die viele Sorgen und harte Arbeit zurückgelassen haben. Bez.Von ihnen scheint das Gesicht klein und alt geworden zu sein. Die Augen sind immer halb geschlossen, wie bei der Arbeit auf den Bergwiesen in der grellen Sonne. Ihr Blick ist nach innen gerichtet, so als ob sie über ihr arbeitsreiches Leben nachsinne. Sie haben aber doch einen warmen, herzlichen Schimmer im Gegensatz zu den kühlen, zu scharf.abweisenden Augen der Welserin. Aus ihnen spricht das tiefe Verständnis für jeden Menschen, ein natürliches Mitgefühl und eine immer opferbereite Hilfe für alle, die in Not sind. Dabei geht es ihr beileibe nicht gut; sie muss sich vielmehr sehr plagen, um ihre Kinder grosszuziehen. Das liess sie auch so früh altern. Als ihr Sohn sie so malte, war sie sicher noch keine sechzig Jahre alt, wie Frau Margarete auf ihrem Bild. Auch Stilhätte die Art der Darstellung Ambergers nie zu dieser einfachen Frau gepasst.

Frau Thoma war sicher ein religiöser Mensch. Wir können das schon aus ihrer Arbeit, der Arbeit eines Bauern, die ohne Gottes Segen keine fruchtbringende wird, und dem Umgang mit Lebendigem, ihren Tieren, schliessen. Sie brauchte also nicht nach aussen hin Religiösität[!] zeigen, wie die Welserin. Jene hatte ja auch ein ganz anderes Leben. Sie brauchte nicht um materielle Güter zu kämpfen. ein aus moderner Auffassung geborener IrrtumSo war ihr Leben lange nicht so ausgefüllt . Daraus können wir uns erklären, dass sie einen Ersatz suchte und ihn in den Lehren der Kirche fand.

Am klarsten würden die Unterschiede zwischen den beiden Bildern zu erkennen sein, wenn ihnen jede Anmerkung, was sie darstellen, fehlte. Frau Thoma würde wohl jeder als eine echte Mutter bezeichnen, die alles, selbst das Letzte I_ für ihre Kinder tut. Sie arbeitet von morgens bis abends für sie, und was die Kinder können, hat sie sie gelehrt. Sie lebt nicht nur unter ihnen, sondern im wahrsten Sinne des Wortes mit ihnen. Wie anders ist dagegen die Mutter der Söhne des Konrad Peutinger. Frau Margarete braucht nicht selbst für ihre Kinder zu sorgen. Und doch ist das nicht so, schlecht und unklar ausgedrückt.als wenn die Hände ihrer Mutter ihnen diesen Dienst erwiesen haben . Dass die Welserin nicht einfach Mutter in ihrem Hause sein konnte, hängt mit ihrer Geburt, ihrer Erziehung zusammen. Sie konnte ihren Söhnen nicht das sein, was Frau Thoma ihren Kindern warweil , weil sie immer die Patrizierin nach OAussen hin Orepresentieren musste. Dadurch entstand vielleicht eine s. o.Leere in ihrem Leben, die sie durch ihre Religiösität[!] ausfüllen wollte . Dass sie aber daneben ihre Mutterpflichten nicht vergass, zeigt die Liebe, oder besser die Verehrung, die ihre Söhne ihr erwiesen, als sie ein Bild ihrer Mutter Amachen liessen. Sie müssen sie auch ganz verstanden haben, weil sie sie in ihrem eigentlichen Reich malen liessen.

Trotz dieser grossen Unterschiede stellen die beiden Bilder steht nicht in den [.?.]wirkliche Mütter dar . Wir müssen sie nur aus ihrer Umgebung und ihrer Zeit heraus verstehen können.

Das entscheidende Gewicht wurde auf die Beschreibung der Bilder gelegt (s. Gliederung), obwohl die Verfasserin um ihre Aufgabe wußte. Das Bild der Welserin ist nicht ganz richtig gesehen und gedeutet, während Thomas Werk besser verstanden ist. Die Sprache ist oft noch ungeschickt und steif:

Genügend.

Der Aufsatz entspricht den Jahresleistungen.

22.II.47 T. Rolff.