KAS (Köln)

Vorschläge für den deutschen Aufsatz des Sonderlehrgangs A

1.) Erinnerung an ...

2.) Wie verwirklicht Michael in Wiecherts „Hirtennovelle“ das Wort Carossas „Im engsten Kreise wag’s, dich reich zu leben“?

3.) Nicht der ist auf der Welt verwaist,
dem Vater und Mutter gestorben,
sondern wer für Herz und Geist
keine Lieb’ und kein Wissen erworben.
(Rückert)


Lebenslauf

Am 31. Mai 1927 wurde ich als erste Tochter des Kaufmanns Matthias Karl L. und seiner Ehefrau Wilhelmine, geb. J. in Köln geboren. Ich besuchte vier verschiedene Volksschulen, das Lernen fiel mir leicht und machte mir Freude. Die Eltern erzogen mich früh zu selbständigem Handeln und ließen mir viel Freiheit. 1937 kam ich zur Kaiserin-Augusta-Schule. Das Schulleben wurde ernster. An Freiheit gewöhnt, stieß ich mit meinem übermütigen Wesen oft an. Die Schule lehrte mich, oft mit Nachdruck, die Einhaltung bestimmter Grenzen dieser Freiheit. Ich mußte mich zügeln und im Zusammenleben mit den Mitschülerinnen Zurückhaltung üben; das alles war nicht leicht für mich.

Deutsch und Mathematik waren meine Lieblingsfächer. Im Deutschunterricht klärten wir in gemeinsamer Aussprache Lebensfragen. Menschen- und Völkerschicksale wurden aufgeworfen und erweckten Wiederhall in mir selbst. Außerhalb der Schule vermittelte mir meine Mutter eine stärkere Beziehung zur Dichtkunst, vor allem zu den Werken von Henrik Ibsen und Friedrich Hebbel. Sie veranlaßte mich zum Lesen und sprach mit mir über das Gelesene.

Der strenge, durchsichtige Aufbau und die Tatsache, daß alles zu beweisen ist, zogen mich zur Mathematik. An ihr war alles wahr und ohne Falsch.

Mein Vater wurde zum Kriegsdienst eingezogen. In unserem häuslichen Leben änderte sich für mich nicht viel.

1944 kam ich zum Westwall, in ein Dorf im Hohen Venn, wo mich das Heimweh fast krank machte. Die eigentliche Bedeutung des Elternhauses ging mir auf. Dort war ich geborgen und von Liebe umgeben gewesen, hier fühlte ich mich vereinsamt und unsicher. Ich empfand tiefe Dankbarkeit gegen die Eltern in mir, denn sie hatten mir durch ihren Fleiß ein schönes Heim und ein sorgloses Leben ermöglicht. Ich sollte helfen, die Heimat zu schützen, aber über der Sehnsucht nach der Mutter wurde mir alles andere gleichgültig: das Heimweh war stärker als meine Vaterlandsliebe. Abends, wenn der Wind über die Hochebene blies, schlich ich mich ins Freie. Draußen ward mir wohler, sah ich doch die gleichen Sterne am Himmel wie über meinem Elternhaus. Unbeirrt zogen die Sterne ihren Weg, ihre sicher bestimmte Bahn sagte mir, daß auch mein Weg vorgezeichnet sei und daß mein Schmerz vorübergehen werde. - Nach acht Tagen schon war unser Einsatz beendet, und ich kehrte nach Köln zurück.

Wegen der immer größer werdenden Luftgefahr begaben wir uns nach Sachsen. Dort besuchte ich eine hauswirtschaftliche Schule, war jedoch unglücklich wie nie zuvor in meinem Leben. Dem Unterricht fehlte jede Ordnung, das Verhalten der Schülerinnen entbehrte jeder guten Form. Ich hatte keinen Nutzen vom Schulbesuch und sehnte mich zur Kaiserin-Augusta-Schule zurück, wo ich das wiederzufinden hoffte, was ich hier entbehrte.

Das Kriegsende erlebte ich im Harz. Danach kehrten wir in unsere Wohnung in Köln zurück.

Ich wartete mit Ungeduld auf den Wiederanfang der Schulen, denn ich wollte bald eine abgeschlossene Schulbildung erhalten, und meine Tage sollten wieder voll ausgefüllt werden. Deshalb war ich glücklich, als der Unterricht im November wieder begann.

Die Ungerechtigkeiten des täglichen Lebens, in denen sich der Stärkere über den Schwächeren durch Unrecht hinwegsetzt, und gegen die wir scheinbar machtlos sind, erregten meinen Widerwillen und erweckten in mir die Absicht, in meiner späteren Arbeit dem Recht zu dienen, ich möchte Jura studieren. Darüber, wo und wie ich meine juristischen Kenntnisse später verwerten werde, bin ich mir noch nicht im Klaren. Doch möchte ich das Studium beginnen, im Vertrauen, daß ich später ein befriedigendes Betätigungsfeld finden werde.