KAS (Köln)

Vorschläge für den deutschen Aufsatz des Sonderlehrgangs B

1.) Alles, was uns begegnet, läßt Spuren zurück, alles trägt unmerklich zu unserer Bildung bei. (Goethe) (Nach eigenen Erlebnissen)

2.) Die Volksmärchen: Eine Brücke zwischen den Völkern. (Vorgelegt wird: 1.) Ein sibirisches Märchen: Das Fisch-Mädchen, 2.) ein deutsches Märchen: Die Sterntaler, 3) ein französisches Märchen: Cendrillon.

3.) Vergleich zweier Mutterbildnisse: (Christoph Amberger: Margarete Welser. Hans Thoma: Bildnis der Mutter des Künstlers)


Lebenslauf

Als ich am 1. August 1928 geboren wurde, wohnten meine Eltern schon in Sürth, einem kleinen Ort vor Köln, wo ich aufwuchs, die Volksschule besuchte und auch heute noch wohne.

An meine frühe Kindheit erinnere ich mich nicht mehr, ich weiß nur noch, daß ich schon als kleines Kind, obwohl ich noch nicht lesen konnte, eine große Vorliebe für Bücher hatte; sie ist auch heute noch lebendig. Mit Sehnsucht erwartete ich die Zeit, wo ich endlich lesen lernen würde, und so fiel mir der Eintritt in die Schule Ostern 1934 und die erste Zeit dort nicht so schwer, wie vielleicht anderen Schülern. Das Lernen wurde mir leicht, besonders das Lesen, und bald war es meine Lieblingsbeschäftigung. Da mir das Lernen Freude machte, beschlossen meine Eltern, mich in die höhere Schule zu schicken. So trat ich nach der bestandenen Aufnahmeprüfung Ostern 1938 in die Kaiserin-Augusta-Schule ein.

Das erste Jahr fiel mir schwer, ich kam von einer Dorfschule und mußte mich anstrengen, um mit den Stadtschülern mitzukommen. Ich mußte mich erst eingewöhnen in die neue Umgebung; aber langsam ging es aufwärts, und ich bekam wieder mehr Freude an der Schule. Mein Lieblingsfach war seit der 3. Klasse Geschichte, und seit der Zeit lese ich auch am liebsten historische Romane und Biographien geschichtlicher Persönlichkeiten. - Da ich das einzige Kind blieb, konnte sich meine Mutter ganz meiner Erziehung widmen. Als ehemalige Lehrerin förderte sie vor allem meine Freude am Lesen, führte mich in die deutsche Literatur ein, lehrte mich auf Stil und Wert des Buches zu achten und nicht nur des Inhaltes wegen ein Buch zu lesen, sondern auch über das Gelesene nachzudenken. Ich bekam nur gute Bücher in die Hände, sodaß ich in späteren Jahren schlechte „Literatur" von selber ablehnte. Mein Ausdruck wurde flüssiger, ich selbst aber vielleicht etwas frühreif; diese Entwicklung wurde durch den Verkehr mit älteren Freundinnen verstärkt. - Mein Eltern lieben beide sehr die Natur und wandern gerne. Aber in unserer Gegend hat man dazu wenig Gelegenheit, und so machten wir jeden Sommer eine längere Reise, an die See, nach Tirol oder in den Schwarzwald. Ich lernte unsere schönen alten Städte kennen, machte herrliche Wanderungen, und die Freude an der Natur, die Sehnsucht nach der Ferne wurde in mir geweckt. - So vergingen die ersten fünf Jahre in der höheren Schule sorgenlos für mich, obwohl schon drei Jahre Krieg war. Die Schule und das Zusammensein mit den Klassenkameradinnen füllten den Tag aus. Wir wurden durch den Unterricht angeregt und hatten Freude an allem Begeisternden und Wissenwerten, Interesse auch an allem, was um uns vorging. - Aber dann griff der Krieg auch in mein Leben ein. Der Fliegeralarm wurde immer schlimmer, und meine Eltern beschlossen, mich zu Verwandten nach Hindenburg in b/S zu schicken. Das war im Sommer 1943. Erst jetzt beschloß ich, die Schule weiterzubesuchen und das Abitur zu machen. Bis dahin wollte ich nach der 5. Klasse abgehen und Kindergärtnerin werden. Doch meine Eltern rieten mir ab, und heute bin ich froh, daß ich ihrem Rat gefolgt bin. In Hindenburg besuchte ich ein Jahr die Oberschule und wurde in die 7. Klasse versetzt. Ich lebte mich schnell dort ein, in der Schule, wie in meinem neuen Zuhause. In der Schule wurde es mir allerdings nicht leicht, Schritt zu halten, ich war weit zurück, und die Mädel waren nicht zugänglich, wie ich das von den Rheinländern gewohnt war. Zuerst hatte ich oft Heimweh, doch all das Neue, das auf mich einstürmte, half mir, es zu überwinden. Ich war bis jetzt als einzige Tochter verwöhnt worden, hier lernte ich, mich anzupassen, selbstständiger[!] zu werden und dankbar zu sein für alles, was man an mir und für mich tat. - In der Schule bekamen wir Latein und Französisch neu dazu, besonders viel Freude hatte ich aber an Chemie. Neben meinen Aufgaben hatte ich noch Muße genug, meiner Lieblingsbeschäftigung, dem Lesen, weiter nachzugehen. Meine Verwandten besaßen meist moderne Literatur, vor allem entdeckte ich jetzt ausländische: englische, französische, amerikanische Schriftsteller. Leider mußte ich nach einem Jahr Hindenburg wieder verlassen, weil die Russen Schlesien bedrohten. - Ich kam in das Elternhaus meines Vaters nach Wiesbaden, wo ich bis November 1945 blieb. Dort ging ich ein halbes Jahr in die 7. Klasse der Oberschule, bis im Februar 1945 die Schule zerstört wurde und die Amerikaner einzogen. Zuerst war ich ganz froh, einmal der Schule entronnen zu sein und widmete mich mit Eifer dem Haushalt meiner Tante. Aber schon nach einem halben Jahr legte sich meine Begeisterung, und ich sehnte mich nach Hause, nach dem sorglosen, abwechslungsreichen Schulleben zurück. Aber erst nach einem halben Jahr, in dem ich alles Bittere der Fremde erlebte, konnte ich nach Hause zurückkehren. Zwei Monate blieb ich nun ohne feste Beschäftigung. Ich wagte mich zunächst nicht in die Schule, weil ich mich in den ungefähr anderthalb Jahren, in denen ich keinen Unterricht gehabt hatte, ganz der Schule entwöhnt hatte. Doch ich wollte meine Schulbildung abschließen, und so trat ich im Januar 1946 wieder in die Kaiserin-Augusta-Schule ein, um endgültig das Abitur zu machen. Ostern 1946 wurde ich dann in den Sonderkursus aufgenommen. -

Ursprünglich wollte ich Bibliothekarin werden, ich glaube auch, daß ich in diesem Beruf etwas leisten könnte; aber heute sind die Aussichten so ungewiß, daß ich den Gedanken fast aufgegeben habe; zu einem anderen Beruf habe ich mich noch nicht entschließen können. -

Abituraufsatz

Vergleich zweier Mutterbildnisse: (Christoph Amberger: Margarete Welser. Hans Thoma: Bildnis der Mutter des Künstlers)

A. Einleitung: Das_ Bildnis, ein_ Spiegel der Zeit.

B. Hauptteil.

I. Beschreibung A unachtsam!der Margarete Welser .

II. Eindruck des Bildnisses.

in den Ausf. 1 TeilIII. Beschreibung s. o. A.der Mutter des Künstlers .

in den Ausf. 1 TeilIV. Ihre Darstellung, verglichen mit Margarete.

C. Schluß. Themagedanke durchzieht den Plan nicht. Hauptteil!Gemeinsamer Zug der Mütterlichkeit .

A. Ein Bildnis ist ein Spiegel der Zeit: der Anschauungen und der Lebensweise, ein Porträt außerdem noch ein Abbild der Persönlichkeit. So sehen wir auch an!bei den beiden Mutterbildnissen sofort, daß Jahrhunderte dazwischen liegen I, und beide Frauen aus ganz entgegengesetzten Verhältnissen stammen.

B. I. Christoph Amberger malte Margarete Welser, eine Tochter des berühmten Patriziergeschlechtes, im 60. Lebensjahr, auf Wunsch ihrer Söhne. Er hat sie dargestellt im Kirchenstuhl der Familie. Verzierte Säulen im Renaissancestil ragen hinter ihr auf, mit den Armen lehnt sie sich auf das Pult des Kirchenstuhls[..?..] weißen, gepflegten Händen hält sie das Gebetbuch. Das Bild ist wahrscheinlich! (es lag nur in einer Photographie vor)_ in dunklen, abgetönten Farben gehalten, nur das helle Kopftuch hebt ihr Gesicht scharf hervor. Die Kleidung erinnert in ihrer schmucklosen Einfachheit an das Gewand einer Nonne. In der Zeit des aufblühenden Kapitalismus und bei einer so reichen Frau erwartet man eigentlich prächtige, farbenfrohe Kleidung; aber in dieser sachlich nicht richtig.betonten Schlichtheit zeigt sich der Einfluß der Reformation, die allen äußeren Prunk und alle irdische Pracht ablehnte I, und ganz auf strenge Einfachheit und das Leben im Jenseits gerichtet war, ? auch sprachlich mißraten.weshalb der Maler die Margarete Welser wohl auch in der Kirche und nicht in ihrer täglichen Umgebung gemalt hat. Das Gebinde, das ihr Antlitz so dicht umrahmt, verstärkt den Eindruck der Abgeschlossenheit, der schon durch die Schranke des Kirchenstuhls angedeutet wird. - II. - Ihrem I, trotz ihrer sechzig Jahre noch faltenlosem Gesicht I, kann man das Leben einer Frau aus dem reichen Bürgerstande ansehen: unberührt von allen Sorgen und Mühen des Alltags, abgerückt von der Welt des Volkes, die oft voller Häßlichkeiten ist. Der Ausdruck des Gesichtes ist ruhig, gesammelt, gut ihre Augen blicken aufgeschlossen, freundlich und doch kühl den Beschauer an. O. zu stark im Ausdruck. (s. auch C)Es ist wenig frauenhaft weiches in ihren Mienen , vielleicht in dem leichten gütigen Lächeln um ihren Mund.

-III. Das Bildnis ist nicht von dem eigenen Sohn gemalt, gut es ist mehr eine Patrizierin als eine Mutter. Es liegt ein Hauch von kühler Unnahbarkeit über dem Bild; es ist wohl lebendig und lebensnah, A unachtsam: die Persönlichkeit ist ...und doch der Wirklichkeit entrückt . Wir vermissen die Liebe und die Wärme des Gefühls. -

III.IV. Der Maler des anderen Bildes, Hans Thoma, hat viele fremde Länder gesehen und ist doch seiner engeren Heimat treugeblieben; er stammt aus einem Bauerngeschlecht, und so malt er auch seine Mutter als eine Schwarzwald-Bäuerin in ihrer bunten, schlichten Tracht. Auch das Gewand der Patrizierin ist einfach, aber es ist -doch mehr A! von ...eine vornehme Einfachheit, während das Kleid der Bäuerin wirklich volksmäßig einfach ist. Kein Hintergrund füllt die Bildfläche aus, keine Schranke trennt sie vom Beschauer; wie sie mitten im Leben steht, steht sie mitten im Bild und wirkt durch ihre lebendigen Züge unmittelbar auf uns. Ihr Haar, von einzelnen grauen Fäden durchzogen, ist glatt hinter die Ohren zurückgekämmt. Die eine Hälfte des Gesichtes liegt im Schatten, umso deutlicher tritt die andere Hälfte hervor. Sie hat nicht A salopp.so ein weißes, weiches, vorvon jedem Sonnenstrahl und rauhen Luftzug behütetes Gesicht wie die reiche Bürgersfrau. Jede Falte, jede Runzel erhält von einem Leben voll Arbeit, die herabgezogenen Mundwinkel, die dem Gesicht einen herben Zug verleihen, verraten den Kummer und die Entbehrungen, die diese Frau in ihrem Dasein für ihre Familie getragen hat. Ihre Augen sehen uns nicht an, sie blickt wie abwesend, vielleicht auf ihr Leben zurück, vielleicht in sich hinein. Diese Mutter lebt in armen Verhältnissen, in einer unruhigeren Zeit. Das beschauliche Leben einer mittelalterlichen Frau konnte sie nicht führen. Von der strengen Abgeschlossenheit der Unberührtheit Ades älteren Bildes ist nichts -mehr zu spüren. Der Maler, der eigene Sohn, hat sich mit aller Gdankbarer Liebe in ihr Antlitz vertieft und malt es mit realistischer Schärfe. Die selbstlose Aufopferung einer Mutter, das harte Leben einer Bäuerin spricht aus diesem Bild. -

So verschieden wie ihre Zeit, ihre Lebenskreise, ihre Lebensauffassung ist der Ausdruck ihrer Gesichter. Hauptteil!Und doch haben sie beide einen Zug von gütiger Mütterlichkeit gemeinsam .

In richtiger Erkenntnis der Aufgabe hat die Verfasserin - entgegen dem Plan - den III. Teil auf dem Vergleich aufgebaut. Das jüngere Bild ist fehlerfrei, aber nicht tief gedeutet, bei dem älteren fehlt das Begreifen von innen her. Inhalt und Ausdruck spiegeln die Neigung der Schülerin zu raschem, aber nicht gerade gründlichen Arbeiten:

Befriedigend.

Die Arbeit entspricht den Jahresleistungen.

22.II.47 T. Rolff.