KAS (Köln)

Vorschläge für den deutschen Aufsatz der Reifeprüfung 1932

1.) Weshalb kann ich trotz Ung[.?.] der Verhältnisse aufrechten Hauptes der Zukunft entgegenschreiten?

2.) Die Blinden von Kagoll (Robert Neumann). Die Novelle ist zu lesen und zu besprechen. (Reclam 7013)

3.) Folgende Gedichte sollen auf ihren Gehalt und ihre Art geprüft werden:
An den Mond (Goethe), Sehnsucht (Eichendorff), Der Pavillon (Rilke), Im Frühjahr (Th. Däubler).

4.) Aus meinen Reisen (Wanderungen): Eine Landschaft oder eine Stadt mit Bauten, Plätzen u. vergl.


Beurteilung

O., Hilde

Hilde O. ist groß und schlank, ein feiner Typ.

Ihre Familie ist durch einen tragischen Unfall, der ihr schon früh den Vater entriß, in Not gekommen. Sie hat das Unglück aufrechten Hauptes getragen und ihrer Mutter zuliebe auf manches verzichtet.

Sie hat eine glückliche Mischung von Begabung, Verstand und von Phantasie getragene Vorstellungskraft halten sich die Waage, weshalb sie in allen Fächern gleichmäßig Gutes leistet. Gewandtes Auftreten, Anpassungsfähigkeit und zweckhaftes Handeln erleichterten ihr in Verbindung mit ihren Verstandesgaben den Übergang vom Lyceum zur Studienanstalt, der sie schon in der Tertia angehört hatte. Sie erfaßt rasch das Wesentliche und vermag ihrer Auffassung in leicht fließender Rede und Niederschrift gewandt Ausdruck zu verleihen. Was sie tut und sagt, ist nie ohne eine schöne Form. Durch ihre Reife ist sie vielen ihrer Mitschülerinnen überlegen.

Ihre Freizeit widmet sie vorwiegend der Musik. Sie möchte gerne Musikwissenschaft studieren.

Lebenslauf

Ich bin am 19. Dezember 1912 in Köln a/Rh. Geboren. Schon mit meinem zweiten Lebensjahre musste ich diese Stadt verlassen, da mein Vater, als Regierungsbaurat, nach Brandenburg a/Havel versetzt wurde. Dort blieben wir die Kriegsjahre über bis zu meinem 6. Lebensjahre. Ostern 1919 wurde ich in die 10. Klasse eines städtischen Gymnasiums aufgenommen, die ich aber kurz vor Weihnachten wieder verlassen musste, da mein Vater nach Köln zurückversetzt wurde. Hier wurde ich mit Rücksicht auf den gezwungenen Wohnungswechsel noch in die 10 Klasse der Kaiserin-Augusta Schule zugelassen, obgleich die Höchstzahl der aufzunehmenden Schülerinnen bereits überschritten war. Nachdem eine gewisse Zeit der Eingewöhnung vorüber war und wir unsere anfängliche Notwohnung mit einer schönen hatten wechseln können, lebte ich mich ganz in Köln ein. Mit meinem 9. Lebensjahre erhielt ich Musikstunde, da ich für dieses Gebiet immer besondere Neigungen gezeigt hatte. Während der nächsten Jahre waren meine Pflichten mit Schule und Musik ausgefüllt. Erst später kamen andere hinzu, - dieses besonders nach dem Ereignis, das einschneidend in unsere Gesamtverhältnisse eingriff. 1926 stand eine abermalige Versetzung meines Vaters - nach Krefeld - bevor. Im Mai dieses Jahres, kurz vor dem Wechsel, verunglückte mein Vater tödlich mit dem Auto auf dem Wege nach Krefeld. Grosse Einschränkungen ergaben sich hieraus für uns, zumal noch andere Verpflichtungen bestanden. Wir nahmen eine kleinere Wohnung, in der wir heute noch leben. Sehr früh traten hiermit ernstere Dinge an mich heran, die mein Bruder (damals 8 jährig) noch nicht erfasste. Von jetzt an interessierten mich Dinge, die nicht unmittelbar zur Pflicht gehörten. Viele Bücher las ich und bildete mich an ihnen weiter. Neben Romanen waren es vor allem wissenschaftliche, die mich beschäftigten, z. T. biologischer Art, z. T. Wirtschaftskunde oder Soziologie berührend. Ich glaube, dass ich damals mit 13-14 Jahren nicht alles verstand, als Antrieb hat es mir aber geholfen. Es entwickelte sich ein spezielles Interesse für philosophische Werke und Kunstgeschichte in jedem Gebiet. Meine Musikstudien nahmen und nehmen einen bedeutenden Teil meiner Zeit in Anspruch, und ich bin heute entschlossen, wenn es finanziell möglich ist, meinen Beruf darauf zu gründen. Aus diesem Grunde habe ich Musik als Wahlfach genommen. - In meiner Schullaufbahn traf ich in der Quarta die Entscheidung für das Realgymnasium, kehrte aber nach dem 1. Quartal auf das Lyzeum zurück, da ich keine Neigung zum Abitur mehr in mir glaubte. Schon in der ersten Hälfte der Untersekunda wurde ich mir klar, dass ich mich getäuscht hatte. Um auf derselben Schule bleiben zu können, holte ich in ½ Jahr drei Jahre Latein nach und ging Ostern 1929 auf die Obersekunda über. Schwierigkeiten, die sich, ausser in Latein, besonders in Französisch und Mathematik zeigten, liessen sich doch nach einiger Zeit ausgleichen. So stehe ich jetzt vor dem Abschluss meines Schulaufenthaltes, und bitte hiermit um Zulassung zum Abitur. Meine schriftliche Arbeit möchte ich in Latein schreiben. Ich bitte ausserdem, mein katholisches Religionsbekenntnis auf dem Zeugnis zu bemerken.