KAS (Köln)

Vorschläge für den deutschen Aufsatz der Reifeprüfung 1932

1.) Weshalb kann ich trotz Ung[.?.] der Verhältnisse aufrechten Hauptes der Zukunft entgegenschreiten?

2.) Die Blinden von Kagoll (Robert Neumann). Die Novelle ist zu lesen und zu besprechen. (Reclam 7013)

3.) Folgende Gedichte sollen auf ihren Gehalt und ihre Art geprüft werden:
An den Mond (Goethe), Sehnsucht (Eichendorff), Der Pavillon (Rilke), Im Frühjahr (Th. Däubler).

4.) Aus meinen Reisen (Wanderungen): Eine Landschaft oder eine Stadt mit Bauten, Plätzen u. vergl.


Beurteilung

B., Nellie

Nellie B. ist groß und stattlich. Große Augen schauen ruhig drein und verraten ruhige Überlegung und ein bedächtiges Wesen. Sie redet nicht viel, vor allem aber redet sie nicht, wenn sie nichts weiß. So tritt sie nicht stark in der Klasse hervor, verfolgt aber den Unterricht mit Anteilnahme und arbeitet gewissenhaft, wie sie im allgemeinen zuverlässig ist. Ihre Stärke ist stilles Nachdenken auf Grund einer guten logischen Veranlagung.

Nellie hat einen nicht gewöhnlichen Entwicklungsgang durchgemacht, indem sie, die Engländerin, während der entscheidenden Jahre sich in Belgien ins Französische, in Deutschland ins Deutsche einarbeiten mußte. In stiller, nie ermüdender Arbeit hat sie die Schwierigkeiten überwunden und eine gute Fertigkeit in der deutschen Sprache erzielt, die sie vollkommen beherrscht. Ihre Eigenschaft als Engländerin hat sie nie besonders betont, vielmehr vornehme Zurückhaltung geübt. Bei ihren Mitschülerinnen hat sie sich durch ihre feinen Humor einen Platz erobert.

Naturwissenschaft war ihr Lieblingsfach.

Lebenslauf

Ich wurde am 4. April 1913 in Wandsbek geboren. Bei Ausbruch des Krieges siedelten wir, da mein Vater Engländer ist, nach England über. Wir wohnten dort in der Nähe von Liverpool bis zum Jahre 1921. Ich besuchte seit 1919 eine Privatschule. Als wir 1921 nach Gent (Belgien) zogen, wurde ich sofort in einer belgischen Schule aufgenommen, in der ich mich zuerst sehr fremd fühlte. Der Unterricht wurde in französischer Sprache gehalten, nebenbei mußten wir aber die Volkssprache, Flämisch, lernen. Allmählich erlernte ich zunächst das Französische, sodaß ich dem Unterricht folgen konnte. Dann kam ein neuer Wechsel, als mein Vater nach Brüssel versetzt wurde. Ich hatte die Stadt schon öfters besucht, aber erst als ich dort wohnte, lernte ich die Schönheiten kennen. Einen besonderen Eindruck machten auf mich die alten Zunfthäuser und das Rathaus, die teilweise aus der Zeit der Herrschaft der Spanier stammen. Ich besuchte auch in Brüssel weiter die höhere Schule und lebte mich ganz gut ein. Drei Jahre blieben wir im ganzen in Belgien, bis wir 1924 nach Köln zogen. Hier mußte ich wieder eine fremde Sprache erlernen. Während Englisch und Französisch keine Schwierigkeiten machten, mußte ich mir mit dem Deutschen viel Mühe geben. Am Ende der Quarta entschied ich mich für das Realgymnasium, kehrte aber nach einem halben Jahr in das Lyzeum zurück, da ich die deutsche Grammatik nicht so beherrschte, daß ich die lateinische aus ihr hätte erlernen können. Im Lyzeum hatte ich mehr Zeit, um im Deutschen zu üben, und konnte nach der Untersekunda in die Obersekunda des Realgymnasiums übertreten. Ganz gleich war das Pensum in beiden Klassen nicht gewesen, ich mußte neben Latein auch einiges andere nachholen. - Ich habe mich während der Schulzeit außer für Sprachen besonders für Biologie und Mathematik interessiert. Leider hatte ich in den letzten Jahren wenig Gelegenheit, mich im Französischen außerhalb der Schule zu üben. Im vorigen Jahre besuchte ich eine biologische, in diesem Jahre eine philosophische Arbeitsgemeinschaft.

Außer den pflichtmäßigen Arbeiten wünsche ich eine schriftliche Arbeit im Englischen zu machen. Als Wahlfach nehme ich auch Englisch. Ich bitte, mein Religionsbekenntnis auf dem Zeugnis zu vermerken.