KAS (Köln)

Vorschläge für den deutschen Aufsatz des Sonderlehrgangs B

1.) Alles, was uns begegnet, läßt Spuren zurück, alles trägt unmerklich zu unserer Bildung bei. (Goethe) (Nach eigenen Erlebnissen)

2.) Die Volksmärchen: Eine Brücke zwischen den Völkern. (Vorgelegt wird: 1.) Ein sibirisches Märchen: Das Fisch-Mädchen, 2.) ein deutsches Märchen: Die Sterntaler, 3) ein französisches Märchen: Cendrillon.

3.) Vergleich zweier Mutterbildnisse: (Christoph Amberger: Margarete Welser. Hans Thoma: Bildnis der Mutter des Künstlers)


Lebenslauf

Am 15. Januar 1928 wurde ich in Avignon geboren. Schon nach wenigen Monaten kam ich nach Köln. Von 1934 bis 1938 besuchte ich die Volksschule, auf der mir das Lernen sehr leicht fiel. Im April des Jahres trat ich nach bestandener Aufnahmeprüfung in die höhere Schule Köln-Kalk ein. Hier blieb ich nur kurze Zeit, da mich meine Pflegeeltern nach Köln-Braunsfeld holten und adoptierten. Im August 1938 kam ich in die erste Klasse der Kaiserin-Augusta-Schule. Bald zeigte ich besonders Vorliebe für die Deutsch- und Englischstunden. Sie öffneten mir den Blick für eine neue Welt; die Vielseitigkeit des Unterrichts regte mich sehr an.

Als 1939 der Krieg ausbrach, wurde mir bald bewußt, was moderner Krieg bedeutet. Unter der zunehmenden Heftigkeit der Luftangriffe litt auch der Schulunterricht. Oft wurde ich zu Einsätzen verpflichtet und kam hierbei zum erstenmal mit Not und Elend in Berührung; dies ließ mich die ganze Härte des Krieges spüren. Während dieser Leidenszeit schloß sich unsere Klassengemeinschaft immer enger zusammen, da uns viele gemeinsame Erlebnisse verbanden. In dieser Zeit erkannte ich den wahren Wert der Kameradschaft und Hilfsbereitschaft.

Als im Jahre 1944 der Unterricht wegen der Kriegsverhältnisse abbrach, wurde ich zur Arbeit in einer Rüstungsfabrik herangezogen. Kurze Zeit später, im Dezember, verließen meine Eltern und ich, durch Fliegerschaden gezwungen, Köln und fuhren nach Sachsen. Da ich dort auf einem kleinen Dörfchen wohnte, - die nächste größere Stadt, Bitterfeld, war etwa 20 km entfernt, - hatte ich keine Gelegenheit, zur Schule zu gehen. In einigen Fächern, wie Englisch und Französisch, nahm ich Privatstunden.

Voller Ungeduld erwartete ich eine Änderung der Verhältnisse, um meine Schulbildung abzuschließen. Der Gedanke an die Heimat, die mir so unendlich ferne lag und in die ich vielleicht nie mehr zurückkehren konnte, quälte mich. Der Einmarsch der Amerikaner im April 1945 brachte mich erst recht in seelischen Zwiespalt. Aller Glaube und alle Hoffnung schwanden, und ich sah eine dunkle, ungewisse Zukunft vor mir liegen.

Unter großen Mühen und Entbehrungen gelang uns Anfang Juli eine Rückkehr nach Köln. Unsere Wohnung fanden wir noch leidlich erhalten. - Langsam kehrte das Leben wieder in geordnetere Bahnen zurück, und im November wurde der Schulunterricht wieder aufgenommen. Dieser Abschnitt der Schulzeit, wenigstens der Beginn, war eigentlich der schwerste; denn aus ungeregeltem Leben wurden wir plötzlich wieder in strenge Ordnung eingereiht, und manch äußere Schwierigkeit kam hinzu. Wir durften zum Beispiel die alten Bücher zum größten Teil nicht benutzen, was den Unterricht erheblich erschwerte.

Ein sehr schmerzliches Ereignis geschah vor zwei Wochen, als ganz plötzlich mein Vater einem Herzschlag erlag. Es bedarf des ganzen Einsatzes meiner Kraft, um diesen harten Schicksalsschlag zu ertragen und gleichzeitig meine Gedanken [auf] die Schule zu konzentrieren und die Vorbereitungen für das Abitur nicht zu vernachlässigen.

Neben dem Interesse für Englisch und für die Deutschstunden, die mich gerade in der letzten Zeit einen tieferen Sinn in allem erkennen ließen, bevorzuge ich schon seit den unteren Klassen die Geschichtsstunden. Die Entwicklung der Völker, der Aufstieg junger Staaten, der Untergang alter, mächtiger Reiche, wiederum die Ablösung durch andere jüngere Nationen, ihr Ringen und der Kampf um die Existenz, das alles ist so lebensnah und lehrreich und fesselt mich. - Auch für Naturwissenschaften hatte ich stets besondere Vorliebe. In der Wahl zwischen Chemie und Physik schwankte ich erst, da mich beide Gebiete interessieren; doch entschied ich mich für Physik, da ich glaube, daß sie im praktischen Leben häufiger verwandt wird.

Meine liebste Beschäftigung in der Freizeit ist neben dem Lesen das Zeichnen. Ich sammele mir zum Beispiel Blumen, Blüten oder Blätter und versuche, das Charakteristische auf dem Papier festzuhalten. - Daher möchte ich einen Beruf ergreifen, in dem meine Fähigkeiten auf diesem Gebiet Anwendung finden und habe mich zu dem Versuch entschlossen, Innenarchitektin zu werden.

Abituraufsatz

II. Die Volksmärchen: Eine Brücke zwischen den Völkern. Vorgelegt wird: Ein sibirisches Märchen: „Das Fischmädchen", - ein deutsches Märchen: „Die Sterntaler", - und ein französisches Märchen: „Cendrillon".

Gliederung

A Einleitung:

Das Volksmärchen I_ Spiegel des Volkes

B Hauptteil:

Das Volksmärchen fördert die Verständigung der Völker

I und II. sind vom Th. losgelöst, es wird in III. nachgeholt.I. Das Wesen des Volksmärchens im allgemeinen

II. Die Unterschiede der vorgelegten Märchen

III. Das A mißlungenVölkerverbindende im Märchen

C Schluß:

Gedanke für B.Das Volksmärchen ist tendenzlos.

Das Volksmärchen ist nicht Adurch einen Dichter entstanden , sondern von Mund zu Mund wurde es weitergegeben und ist gleichsam das Vermächtnis eines ganzen Volkes. Neben Volkslied und Volkssage bildet es wohl die einzig lebendig gebliebene Überlieferung. In den Volksmärchen offenbart sich das tiefste Wesen eines Volkes - ja I_ seine Seele.

[die beiden nächsten Absätze=] Der vorgelegte Stoff wird nicht herangezogen.Der Grundgedanke des Volksmärchens ist der Kampf zwischen Gut und Böse im Leben. In anschaulichen Bildern, die meistens aus der Natur gegriffen sind, wird er dargestellt und „Fischmädchen!"endet stets mit einem Sieg des Guten . Dunkle, finstre Mächte bedeuten für den Menschen eine Gefahr und bringen ihm Unheil; alles Gute und Schöne ist licht und hell. Der Personenkreis ist abgeschlossen und begrenzt; wir hören immer wieder von Königen, Fischern, Müllern oder Köhlern, was auf das frühe Entstehen des Märchens schließen läßt. AStandesunterschiede sind ihm völlig fremd; so heiratet der reiche Königssohn das arme _ aber schöne Mädchen, (-)die junge Prinzessin einen tüchtigen, einfachen, guten Burschen . - Das Böse wird streng bestraft und nicht selten von unheimlichen Naturmächten.

Das Märchen ist in seiner Unschuld und Reinheit immer wieder ergreifend; es wird nie seine Echtheit und Gültigkeit einbüßen, weil es nie den Zusammenhang mit dem Leben verliert. Es ist aus kindlichen, unverbildeten Menschen erwachsen und wird Kinder immer wieder ansprechen, nicht zuletzt durch Bez. Aihre phantastische Ausgestaltung.

Trotz des gleichen Grundgedankens, weisen die drei Märchen dem Volke entsprechende Eigentümlichkeiten auf. So zeichnet sich das sibirische Märchen durch seine Einfachheit, das deutsche durch eine tiefe, ja blinde Gottgläubigkeit und das französische durch seine Freude am Schönen aus. Es entspricht dem tiefen Wesen des Deutschen, ein schlichtes Märchen zu schaffen, in dem der arme gottgläubige Mensch für seine Hilfsbereitschaft und sein Gottvertrauen belohnt wird. Dagegen spricht es für die Prachtliebe des mehr auf Äußerlichkeiten bedachten Franzosen I_ an „Cendrillon" Gefallen zu finden. Auch das sibirische Märchen, Odaß in die weite, abgelegene Landschaft gehört, ist für den einsamen, dort wohnenden Menschen charakteristisch. So kann uns gerade das Märchen, Odaß echt und wahr das Wesen eines Volkes widerspiegelt, helfen, uns Bez.ihm näher zu bringen, seine Eigenarten zu verstehen und zu begreifen. Es ist doch so, daß jedes Volk eine verschiedene Entwicklung durchgemacht hat und sich schon äußerlich, erst recht in Anschauungen, von anderen unterscheidet. Und hier wird uns offenbart, daß uns trotz einer anderen Sprache, trotz all des nur „äußerlich"?äußerlich Trennenden, etwas verbindet. - Schon in der Jugend wird sowohl in dem kleinen russischen Mädchen als auch in der jungen Deutschen und Französin die Abneigung gegen die Mächte des Bösen geweckt und ihr Herz dem Guten und Schönen aufgeschlossen.

Die Volksmärchen überbrücken gleichsam die Eigenart der Völker und helfen uns sie zu verstehen.

Das W.Volksmärchen verfolgt nicht etwa den Zweck, durch seine verschiedenen „Beispiele" die Menschen zu „bessern" I_ sondern es ist tendenzlos und entspringt lediglich dem sittlichen Gefühl [..?..] der Menschen, daß das Gute siegt und das Böse untergehen muß.

Allgemeine Bemerkungen über das Märchen stehen mit dem Thema nicht in Beziehung und stützen sich außerdem nicht auf den gegebenen Stoff. Im III. Teil wird summarisch die Aufgabe behandelt; sie ist also an sich verstanden. Da die Ausführungen nicht mit einem einheitlichen, dem Thema entnommenen Gedanken durchzogen sind und der Sprache jede Eigenart fehlt, wirkt der gesamte Aufsatz oberflächlich:

Mit starker Einschränkung:

Genügend.

Der Aufsatz entspricht den Jahresleistungen.

22.II.47. T. Rolff.