KAS (Köln)

Vorschläge für den deutschen Aufsatz des Sonderlehrgangs B

1.) Alles, was uns begegnet, läßt Spuren zurück, alles trägt unmerklich zu unserer Bildung bei. (Goethe) (Nach eigenen Erlebnissen)

2.) Die Volksmärchen: Eine Brücke zwischen den Völkern. (Vorgelegt wird: 1.) Ein sibirisches Märchen: Das Fisch-Mädchen, 2.) ein deutsches Märchen: Die Sterntaler, 3) ein französisches Märchen: Cendrillon.

3.) Vergleich zweier Mutterbildnisse: (Christoph Amberger: Margarete Welser. Hans Thoma: Bildnis der Mutter des Künstlers)


Lebenslauf

Am 26. Juni 1923 wurde ich als Tochter des Prokuristen Ernst R. in Köln geboren. Als ich ein Jahr alt war, bezogen meine Eltern das Haus in Riehl, in dem wir jetzt noch leben. Haus, Garten und Straßen der damals noch sehr ländlichen Vorstadt waren für uns Kinder ein idealer Spielplatz.

Von Frühjahr 1930 bis 1934 besuchte ich die Volksschule in Köln-Riehl und kam Ostern 1934 auf das Lyzeum der evangelischen Gemeinde in der Antoniterstraße. Schulfreundschaften habe ich damals nicht geschlossen, denn ich konnte mir allein die Zeit viel besser vertreiben als in Gesellschaft anderer. Auch hat diese Schulzeit keinen Eindruck zurückgelassen. War ich doch viel zu sehr auf Bücher und Spiele versessen, als daß ich mich mehr als eben notwendig am Unterricht beteiligt hätte. Den Höhepunkt des Jahres bildeten immer die Sommerreisen nach Württemberg zu unsern Verwandten. Auch im Winter lernte ich die Alb kennen, als ich viele Monate in Urach in die Schule ging, und immer mehr begann ich diese einzigartige Landschaft zu lieben. Auf Wanderungen wurde uns Kindern vom Stuttgarter Hutzelmännchen erzählt, und am Blautopf probierten wir das Sprüchlein „Glei bei Blaubeuren leit a Klötzle Blei". Das Land und die Menschen wurden mir vertraut, und bei den Besuchen in Tübingen erzählten mir meine Vettern, von denen viele dem Stift angehörten, von den grossen schwäbischen Dichtern und Denkern, die in den vergangenen Jahrhunderten den gleichen traditionellen Weg vom Seminar in das Tübinger Stift gegangen waren, von Kepler, Uhland und Mörike und zeigten mir bei den Neckarfahrten den Hölderlinturm am Wasser. So wuchs ich allmählich hinein in die Geistesart, die eigentlich allen schwäbischen Menschen gemeinsam ist und die mich in den Werken der grossen Schwaben so heimatlich berührt: Fernsehnsucht und auch wieder Treue zum Überkommenen und zur vertrauten Umgebung, Liebe zur Musik und Poesie. Über all dem scheint die rheinische Heimat schlecht wegzukommen, und das darf sie gewiß nicht; denn auch sie hat unser Leben von frühester Kindheit an bereichert. Ich brauche nur an die sonntäglichen Gänge in die alten Kölner Kirchen und in die Museen zu denken und an die vielen Feste und bunten Aufzüge, die wir in der Altstadt miterleben durften.

Die erste große Veränderung in meinem Leben bedeutete die Übersiedlung nach England. 1939 hatten englische Bekannte meiner Schwester und mir ermöglicht, unsere Schulausbildung in einem englischen Internat fortzusetzen, weil die Ausbildungsmöglichkeiten für uns als halbarische Kinder immer schwieriger wurden in Deutschland. Nicht lange allerdings konnten wir uns einleben in dem neuen, so ganz anders gearteten Schuldasein, in dem wir uns so wohl fühlten. Noch während der Sommerferien, die wir wieder in Deutschland verbrachten, brach der Krieg aus und machte die Rückkehr unmöglich. In die alte Schule zurückzukehren, konnten ich mich nicht mehr entschließen, denn ich scheute mich vor dem ablehnenden Geist, der sich damals unter den Schülerinnen bemerkbar machte.

So zog ich im Frühjahr 1940 in die Gartenbauschule nach Kaiserswerth. Nach einem Jahr Gartenarbeit aber spürte ich, daß mich ein praktischer Beruf nicht befriedigen konnte. Ich versuchte, wieder auf einer Oberschule aufgenommen zu werden, was aber nach den damals bestehenden Gesetzen nicht mehr möglich war. Darum mußte ich weiter im Gärtnerfach bleiben. Von 1941-42 war ich als Lehrling in einer Rodenkirchener Baumschule, schloß mit der Gehilfenprüfung ab und blieb noch ein weiteres Jahr als Gehilfin im Betrieb. Hier lernte ich zum erstenmal selbstständig[!] zu arbeiten, auch den Lehrlingen die Arbeit zuzuweisen und sie zu verantworten. Dabei wurde mancher Stoßseufzer gen Himmel geschickt, wenn ich über meine Unsicherheit in praktischen Dingen und über meine Verträumtheit stolperte. Im folgenden Jahr begann mit der Arbeit auf einem Obstgut bei Bonn eine schwere Zeit mit oft zwölfstündigem Arbeitstag bei Wind und Wetter.

Im November 1944 gab ich meine Gärtnertätigkeit auf, um meinen Eltern bei den verschiedenen Umzügen zu helfen, die sie unternahmen, denn sie mußten der Verfolgung durch die Gestapo zu entgehen versuchen. Dabei wurde unsere Unterkunft, erst die in Köln und danach in Godesberg, von Bomben zerstört, während unser Haus in Riehl nahezu unversehrt blieb.

Im März 1945 meldete ich mich bei der amerikanischen Militärregierung in Köln und kam, weil damals noch großer Mangel an deutschem Personal herrschte, als Dolmetscherin zum amerikanischen Kommandanten, später wurde ich von den Engländern übernommen. Diese neue Tätigkeit war sehr interessant und abwechslungsreich. - Meinen alten Plan, noch einmal in die Schule zu gehen, wollte ich aber nicht aufgeben und führte ihn im Februar des letzten Jahres aus.

Mein größtes Interesse gilt den Sprachen, vor allem ihrem Ursprung, ihrer Entwicklung und ihrer Verwandtschaft. Aus diesem Grunde möchte ich Philologie studieren. Wenn das Ziel auch noch nicht klar zu erkennen ist, so hat mir dieses letzte Schuljahr doch den Weg gewiesen.

Hilde R.

Ich bitte, meine schlechte Handschrift zu entschuldigen. Ich habe mir schon alle erdenkliche Mühe gegeben, dem Übel abzuhelfen; aber es gelingt noch nicht, woran sicher meine 5 jährige intensive Gartenarbeit schuld ist.

Abituraufsatz

Die Volksmärchen: Eine Brücke zwischen den Völkern. (Vorgelegt wird: ein sibirisches Märchen „Das Fischmädchen", ein deutsches Märchen „Die Sterntaler" und ein französisches Märchen „Cendrillon".)

A. Einleitung: Die Kluft, die heute zwischen den Völkern herrscht. ist nicht beendet_

B. Hauptteil:

I. Die Verschiedenartigkeit der [..?..] s. II.Märchen als Aufschluß für die Verschiedenartigkeit der Völker.

II. Die Märchen weisen Züge auf, die den Völkern gemeinsam sind.

C. Schlußgedanke.

A. Unsere Welt ist erfüllt von Sorgen und Bedrängnissen, von schweren Kämpfen. Jeder einzelne kämpft ebenso hart um sein Leben, wie jedes Volk seine ganze Kraft einsetzt, um sein Dasein zu erhalten. Die Erde scheint zu eng geworden, und darum ist es ein Kampf der Menschen gegeneinander um die notwendigsten Güter des Lebens, die doch nicht für alle ausreichen wollen. Dieser Kampf hat eine tiefe Kluft aufgerissen zwischen den einzelnen Menschen und zwischen den Völkern, die schier unüberwindlich scheint. Diese Kluft ist so gewaltig in der gegenwärtigen Zeit, daß sie nicht nur auf das äußere Dasein Einfluß ausübt, sondern auch das Geistesleben und die Kunst bestimmt.

Das scheint ein Beweis dafür zu sein, daß eigentlich gar nichts Gemeinsames mehr zwischen den Völkern besteht und jeder Versuch, eine Verbindung mit dem andern Volk zu suchen, wohl mißlingen muß.

B. I. Wollen wir nun wissen, ob es schon immer so gewesen ist, so betrachten wir einmal die Volksmärchen, in denen sich die Urgeschichte der Menschen spiegelt.

Bez. zum Th. stellt erst der Schlußsatz ds. Teiles her.Jedes Volk hat seine besonderen Märchen, und wir werden in ihnen viele fremde, uns zunächst unverständliche Züge entdecken. Diese werden schon bestimmt durch die Landschaft, in denen ein Volk aufwuchs. Alle mußten den Kampf mit den Naturkräften aufnehmen. Aber die Elemente waren verschieden, und der Kampf war nicht für alle gleich hart. Die Ausführungen sind zu abstrakt gehalten.Da lebte ein Volk hoch im Norden an einem mächtigen Strom oder an einem See, der ihm die Nahrung lieferte, ihm die Möglichkeit zum Leben gab. Aber das Gewässer hatte auch seine Launen und Tücken, und es galt, vor ihm auf der Hut zu sein und es recht zu kennen. Und so kam es, daß das verschrieben?lebenspende , aber zugleich gefährliche, unheimliche Element unaufhörlich die Phantasie der Menschen beschäftigte. Von Glanz und Reichtum wußten diese Menschen nichts, sie kannten nur ein hartes, kärgliches Leben. Ganz anders verlief das Leben sachlich irreführend.südlicher Völker, etwas das der Franzosen, in fruchtbaren, sonnigen Gebieten. Sie belebten die Natur zwar auch mit seltsamen Geistern, es fehlen diesen aber ganz die unheimlichen Züge. Die Zaubereien der Feen oder Kobolde sind so lustig, daß ein Kind darüber hell auflachen würde. Die Verschiedenartigkeit ist nur einseitig gesehen.So dunkel und schwermütig das Märchen eines nördlichen Volkes ist, hier des sibirischen, so vordergründig und hell zeigt sich das eines romanischen.

Diese so ganz verschiedenartige Umgebung hat also auf das Wesen des einzelnen Menschen, auf das eines Stammes und endlich auf das der Völker bestimmend eingewirkt. - Zur Voraussetzung, einen anderen Menschen oder ein anderes Volk zu verstehen, gehört auch, daß wir die Eigenart, die Besonderheit seines Wesens kennen. Wie sollten wir das besser Verb_ , als mit Hilfe der Märchen, die so ganz wahrhaftig und unbefangen das Wesen ihres Volkes spiegeln.

B. II. Wenn wir uns aber in ein Märchen vertiefen I, und es mit dem eines anderen Volkes oder mit unseren eigenen, vertrauten deutschen Märchen vergleichen, wird uns bald manches Gemeinsame darin begegnen. Ist doch bei allen die Art der Darstellung gleich einfach und kindlich.

Sind doch die Menschen und Tiere, Wälder und Flüsse gesehen mit den großen Augen eines Kindes, dem alles noch wunderbar und seltsam erscheint. Wie die Welt des Kindes begrenzt und einfach ist, so ist es auch die Welt der jungen Völker. Aus Hirten und Fischern und Bauern besteht ein Volk und gibt es einen König, so lebt er, zwar durch Glanz und Reichtum ausgezeichnet, doch mitten unter ihnen. Und gemeinsam ist ihnen eben auch die enge Verbundenheit mit der Natur, die ihnen belebt erscheint.

Alten Völkern erscheint darüberhinaus auch gerade in der Auffassg dieser Macht offenbart sich auch die Eigentümlichkeit der Völker.der Glaube an eine gerechte überirdische Macht gemeinsam, an eine Macht, die, in mancherlei Gestalt, den Bösen bestraft und den guten Menschen belohnt. Der Begriff von „Gut" und „Böse" ist auch in allen Märchen ein gleicher, wie auch die Lehren, die ein jedes Märchen ganz unbewußt dem Leser erteilt.

Wir haben, trotz der Verschiedenheit der Märchen vieles Gemeinsame in ihnen gefunden und haben damit erkannt, daß das anfängliche Leben, die Kindheit eines Volkes I_ sich nicht so sehr unterschied von der eines anderen. Die Mächte, die ein Volk im Norden fürchtete, oder heilig hielt, die haßten oder verehrten auch die Menschen in südlichen Bereichen.

Seit jenen frühen Tagen, in denen die Märchen entstanden, hat die Menschheit zwar viele Wandlungen erlebt, und jedes Volk ging seinen besonderen Weg. Doch möchten wir wohl glauben, daß es im Grunde immer noch dieselben Hoffnungen und Wünsche sind, die die Menschen bewegen und daß das Ziel, dem sie alle zustreben, doch ein gemeinsames ist, wie es einst auch war.

C. Zu dieser Erkenntnis haben uns die Märchen geführt, und wir dürfen sie deshalb als eine Brücke zwischen den Menschen und Völkern ansehen.

Es scheint, als ob die Verfasserin erst nach einigen Umwegen die Aufgabe deutlich erkannt hätte: Während sie zunächst erklärt, warum die Märchen Sibiriens anders sein müssen als die Frankreichs, wird das Thema in den sehr gestrafften, sprachlich gewandten Ausführungen allmählich immer schärfer ausgeprägt:

Befriedigend.

Die Jahresleistungen waren meist Gut.

22.II.47 T. Rolff.