KAS (Köln)

Vorschläge für den deutschen Aufsatz des Sonderlehrgangs B

1.) Alles, was uns begegnet, läßt Spuren zurück, alles trägt unmerklich zu unserer Bildung bei. (Goethe) (Nach eigenen Erlebnissen)

2.) Die Volksmärchen: Eine Brücke zwischen den Völkern. (Vorgelegt wird: 1.) Ein sibirisches Märchen: Das Fisch-Mädchen, 2.) ein deutsches Märchen: Die Sterntaler, 3) ein französisches Märchen: Cendrillon.

3.) Vergleich zweier Mutterbildnisse: (Christoph Amberger: Margarete Welser. Hans Thoma: Bildnis der Mutter des Künstlers)


Lebenslauf

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gutem Erfolg; ich erzielte ihn ohne Anstrengung, besonders in Rechnen und biblischer Geschichte; denn diese Fächer gefielen mir vor allem. - Wie ein fernes Bild, das ich nie mehr verwirklicht fand, leben in mir die Landschaften, in die die Schulferien mich führten, der Schwarzwald, die Eifel, Schlesien und die Nordsee, ein wenig überschattet von dem Heimweh, mit dem ich mich aus der Enge und dem Zwang der Kinderheime nach Hause sehnte.

Ostern 1938 erfolgte meine Aufnahme in die Kaiserin-Augusta Schule, die im Vorjahre eine Erkrankung an Scharlach verhindert hatte. Dort sollte mir das seltene Glück beschieden sein, acht Jahre lang in einer trotz mancher Trübungen echten Klassengemeinschaft zu leben, die sich immer fester zusammenschloß, je mehr die äußere Gefahr wuchs. Gerade der dunkle Hintergrund jener glücklich-fröhlichen Jugend verlieh ihr eine eigne Schwere, und wir erlebten diese Zeit mit ganz wachem Bewußtsein, da wir in jedem Augenblick ihr Ende fürchten mußten. Die Lehrer, die unsere Gemeinschaft führten - nur einmal wechselte die Klassenleiterin - öffneten uns nicht nur eine Welt ungeahnter Reichtümer, sondern standen uns auch in jeder äußeren und inneren Not zur Seite.

In den ersten Jahren lernte ich leicht. Mathematik war von den naturwissenschaftlichen Fächern meine stärkste Seite. Am liebsten aber waren mir die Deutsch- und Geschichtsstunden.

Schwer fiel es mir, meine große Lebhaftigkeit zu bändigen, die in der freieren Atmosphäre der höheren Schule mit aller Macht hervordrängte.

Meine Nachmittage widmete ich entweder den Büchern, die von jeher meine treuen Gefährten waren, dem Klavierspiel oder meinen Tieren, die in dem Garten hinter unserm Haus lebten.

Durch den Juni-Angriff 1943, bei dem wir alles verloren, wurden wir plötzlich aus der Großstadt in ein kleines Dörfchen im Bergischen Land versetzt. Der Verlust meines elterlichen Hauses mit all den liebgewonnenen Dingen, meiner Heimat, schmerzte sehr, und das Erlebnis erschütterte mich; denn auf eine unbegreiflich grausame Weise war mir plötzlich die Unerbittlichkeit des Schicksals offenbar geworden, da in den Schrecken einer kurzen Nacht die meisten Menschen unserer Gegend, alte und junge, den Tod gefunden hatten. Draußen aber erlebte ich die heilende Kraft der Natur, die mich mit ihrem Frieden umfing und mir zur neuen Heimat wurde. Aber der Schulweg war jetzt mit großen Schwierigkeiten verbunden, sodaß ich den Winter im Hause unserer Bekannten, der Familie eines Universitätsprofessors, verbrachte, in dem ich manche geistige Anregung empfing. Damals erlebte ich, daß der Verlust der äußeren Dinge und damit die Abhängigkeit von fremden Menschen leichter zu ertragen ist, wenn Geist und Seele die Weite und Tiefe der Welt durchwandern können. Aber auch manche Erkenntnis reifte, die die Welt der Erwachsenen von jenem Zauber entkleidete, mit dem die ehrfürchtige Scheu der Jugend sie umgeben hatte. Vielleicht hing es mit diesen Erlebnissen zusammen, daß in der Schule Schwierigkeiten auftauchten. Die Aufsätze fielen mir schwerer, und die Beweglichkeit der ersten Jahre wich einem langsameren Denken. Latein mit seiner beruhigenden Klarheit gesellte sich nun zu den Fächern, die mir am meisten bedeuteten. Und als im Herbst 1944 die Schule schloß, erhielt ich weiter Lateinstunden, soweit es jene Zeit des Zusammenbruchs erlaubte, der auch unsere dörfliche Abgeschiedenheit nicht unberührt ließ. Er verwandelte sie in ein internationales Heerlager, und das bunte Treiben der großen Welt, die mir so fremd war, flutete nun unmittelbarer an mich heran. Und aufs neue und erschreckend wurde mir bei all der Not und dem Elend ringsumher die furchtbare Verlassenheit der Menschen bewußt, die allein auf ihre eigne Kraft gestellt waren.

Als die Schule, der wir zwar ein wenig entfremdet waren, uns im November 1945 wieder heimatlich umschloß, fand ich ein Unterkommen am Rande der Stadt, da von unserm Dorf aus jede Möglichkeit, nach Köln zu gelangen, fehlte. Der weite Schulweg aber ließ mich zu keiner konzentrierten Arbeit kommen. Seit September 1946 wohne ich deshalb in Köln. Streng waren die Anforderungen, die die Schule an uns stellte, und zunächst fiel es mir nicht leicht, mich in den Zwang der Arbeit zu fügen. Aber immer mehr gewannen wir Einblick in den Sinn der Arbeit dieses letzten Jahres, und immer tiefer führten uns die Deutschstunden in eine Welt, vor der die harte Wirklichkeit versank.

Wenn es die äußeren Verhältnisse gestatten, werde ich Deutsch und Geschichte studieren, oder Tiermedizin, denn immer schon war mir die Tierwelt sehr nahe.

Abituraufsatz

Die Volksmärchen: Eine Brücke zwischen den Völkern. (vorgelegt wird: Ein sibirisches Märchen, ein deutsches Märchen und ein französisches Märchen.)

A: Einleitung: Die Bedeutung des Märchens im Menschenleben

B: Die Bedeutung des I. T. für das Th. wird auch in den Ausf. nicht klarHauptteil: Die Herkunft des Märchens, die A.zwar das Trennende der Völker enthüllt , aber sie darüber hinaus miteinander verbindet.

I. Die Verschiedenheit der Völker

II. Formulierung!Ihre Überwindung durch das Gemeinsame

C ? Vorhanden: zusammenfass. Betrachtung_

A: Märchen I, bei dem Klang dieses Wortes steigen die Tage der Kindheit wieder herauf, ungeschickt, und dad. unklar.wo in ihrem Zauberdasein eingesponnen das Kind dem fernen Leben entgegendämmert. In ihrer Welt erlebt es wie im Traum das Leben, das es einmal aufnehmen wird. Bis das Kind eines Tages selbst den Stab ergreift, um alle Abenteuer selbst zu durchkosten, um allein durch die Höhen und Tiefen der Welt zu wandern. Dann stehen die Märchen und warten still I besser: ;: denn wer mit reinem Herzen wieder aus dem Getümmel des Lebens hervorging, wird wieder zu ihnen finden.

B So sind die Märchen nur solchen Menschen nahe, die sich in allem Falschen und Unrechten, das wie wucherndes, prangendes Strauchwerk alle wahren Blüten verdeckt, noch ein Gefühl für das Echte bewahrt hab en. Das kommt, weil sie aus der Tiefe des Volkes, Wals in ihm noch alle ursprünglichen Quellen rauschten, heraufgestiegen sind. WAls die Völker noch jung waren, noch innig verwandt allen Kräften der Natur, als sie das Staunen und Wundern vor den Unbegreiflichkeiten des Lebens noch nicht verlernt hatten, da lebte in ihnen jenes Bild von der Welt, das als Märchen viel später!_ aufgeschrieben wurde. Weil aber aller Jugend Zeichen anhaften, die sie über die Gegensätze der Geburt miteinander verbinden, so führen auch die Märchen, die Werke, die die Völker aus dem gemeinsamen Brunnen der Jugend schöpften, sie zusammen.

Freilich treten aber auch die Besonderheiten unverhüllter hervor, weil Bez.sie ohne Absicht oder bewußte Gedanken geschaffen wurden.

Die Beziehung dieser knappen, aber guten Ausf. zum Thema ist unklar.I. Schwerer, dunkler und hoffnungsloser als in den westlichen Märchen_ ist der Ton, der über dem sibirischen Märchen liegt. Es gibt Kunde von einem Leben voll Kampf um das einfache Dasein, das von keinem versöhnlichen Glanz umflossen ist. Jeder Glaube an ein Glück ist in den Enttäuschungen und in der Schwere des Alltags untergegangen. Und als das Glück dem Fischer dann doch einmal begegnet, zerstört er es durch seine Zweifelsucht.

Auch das Sterntalermärchen führt uns in des Lebens Armut und größte Dürftigkeit. Und doch ist es von einem wundersamen Zauber durchzogen. Gerade in der Finsternis der Verlassenheit leuchtet umso heller die innige, tiefe Gläubigkeit, die das Sterntalerkind so sicher seinen Weg führt. Und als es reinen Herzens alle Proben besteht, wird ihm die Belohnung Ozu teil .

Leichter und heller ist die Stimmung, die aus dem französischen Märchen aufsteigt. Zwar ist auch Cendrillon von bitterster Armut und Verlassenheit umfangen, aber in der Pracht des Festes, das der junge Königssohn gibt, wandelt sich ihr Geschick: Die höchsten irdischen Güter werden ihr Ozu teil , sie, die duldend alle Not ertrug, wird Königin.

II. Aber ist all die Prachtliebe, die Cendrillon verrät, nicht eine kindliche Freude an Schönheit und Reichtum? So strahlend der Glanz ist_ , der von der prächtigen Karosse und den festlichen Prinzessinnenkleidern ausgeht, so leuchteten doch auch die blanken Taler des Sterntalermädchens, und auch in der hübschen Fischmaid kommt ein Fünkchen Schönheitsliebe zum Ausdruck. Es ist der Kinderglaube, der in allen drei Märchen wiederkehrt, daß das Gute fast nur in schöner Gestalt auf dieser Erde einkehrt.- Es sind die Merkmale, die wir in dem deutschen, französischen und sibirischen Märchen finden, Satzbaudie sie als eine Schöpfung besonderer Art kennzeichnen, Satzbaudie sich über alle Schranken eingeborener, nationaler Verschiedenheit hinweg Walle verbinden. Denn die Volksmärchen bedeuten den Ursprung der Kunst, Satzbaudie über alle Grenzen, Satzbaudie in dieser irdischen Welt gesetzt sind, in einer höheren Welt schwingt.

Allen drei Märchen ist die denkbar einfache Handlung gemeinsam, die, weil sie von_ den vielen Irrwegen, in die des Lebens Wirklichkeit verführt, nichts weiß, der wahren Lebensstraße so nahe ist. Und wie die Welt der Menschen damals, als die Märchen entstanden, noch klein war, so_ kannten sie nur ihresgleichen und hatten ein fernes Bewußtsein von hohen Königen. So füllen auch mehrere Märchen nur ganz einfache und ganz hohe Menschen. Wie die Phantasie der Menschen die Kräfte der Natur, vor deren Unbegreiflichkeit sie eine Scheu hegten, in lebendige zauberkräftige Wesen verwandelte, so schwingt auch in den drei Märchen eine fremde Macht ihren zauberwirkenden Stab, die Fee, die Cendrillon in eine Prinzessin verwandelt , und sie für alle Not belohnt.

III. Auch dem Sterntalermädchen wird von einer unsichtbaren Zaubermacht ihre Hilfsbereitschaft vergolten. Aber wer vermessen in das Geheimnis dieser Wesen eindringen Twollte, wurde bestraft.

So sind alle drei Märchen von dem Glauben durchzogen, daß das Gute belohnt und das Böse bestraft wird. (...) führt ab vom Thema. (..So einfach der Glaube, kehrt er doch in mancherlei Abwandlungen auch in andern Schöpfungen wieder, sei es nur, daß das Gute in sich selbst Belohnung findet I, und das Böse in der Qual des Gewissens ..)untergeht . So spricht manch tiefer Gedanke, verdeckt durch die Schlichtheit seines Gewandes, zu uns, manch tiefe Weisheit bergen die Märchen.

WSo sind auch sie einer jener Brunnen, der schlichteste zwar, aus dem alle Menschen neue Kraft schöpfen.

Wenn auch der Lebensweg der Völker immer weiter weg von solchem Leben im Ursprung führte, so daß nun auch die Besonderheiten A ? durch Ausdr. unlogischverwischter und darum nicht so leicht überbrückbar hervortraten, deutlich wird der Themagedanke auch jetzt nicht.so lehren uns die Volksmärchen die wahre Grenze zwischen den Völkern erkennen , aber auch, daß über uns allen die gleichen Lebensgesetze herrschen, daß wir alle hoffende und duldende Menschen sind.

Als sehr gründlicher und tiefer Mensch arbeitet die Verfasserin langsam; die Fülle der Gedanken muß schließlich in viel zu kurzer Zeit auf einige Seiten gezwängt werden, und unter diesem Druck hat der erste Teil besonders gelitten: Seine Beziehung zum Thema ist nicht durchdacht. Je mehr wir uns dem Schluß nähern, umso mehr fühlen wir uns gehetzt und verweilten doch gern in der eigenartigen Gedankenwelt der Verf. Sie hat auch ein eigenes Gewand für ihre Ideen zum Thema gefunden. Aber die sprachliche Form hat genau wie die äußere Ordnung unter der raschen Abschlußarbeit gelitten.

Befriedigend.

Die Jahresleistungen schwankten zwischen Gut, Befriedigend und Genügend.

22.II.47 T. Rolff