KAS (Köln)

Vorbemerkung

Leider ist für beide Sonderlehrgänge des Jahres 1946 im Schularchiv nur ein einziger Lebenslauf einer Abiturientin überliefert.

Gesamtbeurteilung des Sonderlehrgangs A

Charakteristiken für den Sonderlehrgang a.

Beim Beginn des Sonderkursus 8 a im November 1945 betrug die Zahl der Schülerinnen 29. Eine Schülerin wechselte wegen des weiten Schulweges bald zur rechten Rheinseite hinüber; 2 Schülerinnen wurden im Januar 1946 zurückversetzt. Von den jetzigen 26 Schülerinnen sind 13 alte Schülerinnen der Kaiserin-Augusta Schule. 10 besuchten die Oberschule Georgsplatz, 2 die in der Machabäerstrasse. 1 war Schülerin des Lyzeums in Brühl. Die ungleichmässige Vorbildung machte sich in einigen Fächern sehr bemerkbar.

Das Durchschnittsalter der Schülerinnen ist 19 Jahre, 5 ½ Monate. Die jüngste Schülerin ist 17 Jahre 11 Monate, die älteste 21 Jahre 1 Monat alt.

Den Reifevermerk erhielten an der Kaiserin-Augusta Schule 8 Schülerinnen, an der Schule Georgsplatz 7, in Weimar 1, in Neuwied 1 Schülerin. Die übrigen wurden auf Grund ihrer Versetzung in 8 zugelassen.

Trotz der durch die Zeit erschwerenden Umstände macht die Klasse im ganzen einen frischen Eindruck. Gereift durch die Kriegsjahre, beseelt von dem Wunsche, ein vollgültiges Abitur abzulegen, geben sie sich ihrer Aufgabe mit Energie und Fleiss hin. Sie arbeiten im ganzen mit grossem Interesse und sind aufgeschlossen für das Schöne und Gute.

Die meisten Schülerinnen haben eine gute Durchschnittsbegabung. Es herrscht unter ihnen ein kameradschaftlicher Geist.

Vorschläge für den deutschen Aufsatz des Sonderlehrgangs B

1.) Und doch ist es das, worauf alles ankommt, damit der Mensch, nach allen Seiten zu, ein Mensch sei; die Ehrfurcht. Goethe.

2.) Zwei gegensätzliche Bilder Kölns.

3.) Farben.

4.) Die Betrachtung der Natur zeigt nicht nur, wie klein, sondern auch wie groß der Mensch ist.

5.) Jede Gabe ist Pflicht.


Beurteilung

Annette ist ein sonniges, begeisterungsfähiges, noch kindhaftes junges Mädchen. Sie fasst die Dinge noch sehr persönlich an, scheut sich nicht, Eigenes zu geben. Sie ist über dem Durchschnitt begabt, arbeitete, trotz schwieriger Wohnungsverhältnisse, mit grossem Fleisse. Sie hat ein gutes, liebendes Herz und würde eine ideale Volksschullehrerin werden.

Abituraufsatz

Jede Gabe ist Pflicht.

Jede Gabe, die uns Menschen geschenkt wird, verpflichtet uns dem Geber: Gott, der Natur oder den Menschen. Jede Gabe, ob seelischer, geistiger oder materieller Art, empfangen wir dankbar und sollten bereit sein, unsere Verpflichtung als Gegengabe darzubringen.

Schon mit dem Beginn unseres Lebens, das Gott, der Allmächtige ,_ durch die Eltern uns schenkt, treten wir in den Kreis unserer Pflichten ein. Wir sind Gott und den Eltern zu Dank verpflichtet und tragen ihn ab; Gott, daß wir ihn über der herrlichen Welt nicht verachten oder gar vergessen und ihn am Ende der Tage ein reiches Leben wieder zurückgeben, den Eltern, daß wir ihnen stets Freude, Trost und Hilfe sind. Und zur Liebe sind wir ihnen verpflichtet aus Dank für das kostbare Geschenk unseres Lebens.

Auch die Eltern erhalten eine Gabe. Das Kind ist ihnen ein heiliges Geschenk Gottes, und es ist ihre Pflicht, dieses Geschenk sorgsam zu verwalten, das Kind A.aufzuziehen und zu einem wertvollen Menschen zu A.erziehen . Aber die Eltern gehen noch über ihre Pflicht hinaus, sie schenken dem Kind ihre Liebe; und Liebe ist wohl die kostbarste Gabe, die ein Mensch zu vergeben hat. Denn Liebe bedeutet Ausschaltung des eigenen Ichs, der eigenen Wünsche, Aufgehen im Menschen, den man wahrhaft liebt.

unklar!Diese Liebe ist wieder eine Gabe für das Kind und den, der geliebt wird . Haben ?beide dann nicht die Pflicht, auch zu lieben , oder wenigstens Achtung, Verehrung und Freundschaft zu_ geben? Aber viele entziehen sich dieser Pflicht und verbittern so manch ein Herz.

?Die Mutter einer großen Kinderschar hat von Gott ein weites und liebevolles Herz erhalten. Für jedes ihrer Kinder hat sie ein ganzes, volles Herz und bietet ihre Liebe immer wieder dar. Obwohl alle ihr Herz ausfüllen, St.es ist auch noch Raum für Gott und die Mitmenschen. Kein Tag vergeht, ohne daß sie dankbar ihres Gottes gedenkt, der sie mit Segen reich bedacht hat, und kein Armer geht ohne Trost und Spende von ihrer Türe, wenn sie auch arm ist, und ihre Kinder selbst ernähren muß. „Gott hat mir solchen Reichtum gegeben, mein Leben und das meiner Kinder. Muß ich da nicht dankbar sein? Und es ist nur ein kleiner Dank, den ich spende, wenn ich im Namen Gottes den Kranken ein Trost und den Armen eine Stütze A.sein kann ."

Der kleinste ihrer Söhne ist schon früh ein aufgeweckter Knabe und lauscht begierig den einfachen Geschichten und Märchen der Mutter und will sie immer wieder hören. Eines Tages überrascht er die Mutter mit einer Geschichte, die er sich selber ausgedacht. Als der Knabe zur Schule kommt und schreiben lernt, schreibt er alle Geschichten auf, die er sich ausdenkt, um sie der Mutter vorzulesen. Solche neuen Geschichten aufzuschreiben ist seine liebste Beschäftigung, und seine Mutter duldet es, weil sie fühlt, daß es eine Gnade Gottes ist, die über ihrem Sohne waltet. Dann lernt er wahre Dichtung kennen und das Erhabene und Gute verstehen. Er wird zum Dichter. Er schreibt von Gott ,_ und er schreibt von den Menschen. Aus Dankbarkeit für das Geschenk seiner Begabung und ,_ von Liebe zu Gott erfüllt, schreibt er zu seiner Ehre und den Menschen zur Freude, die in ihm bald den gottbegnadeten Dichter verehren. Mit seiner Mutter gedenkt er stets seines Gottes und fühlt sich verpflichtet, auch die andern Menschen an seinem Gnadengeschenk teilhaben zu lassen.

Ein Naturwissenschaftler, der den Ruf eines bedeutenden Geistes genießt, ist sich seiner überragenden Verstandeskraft wohl bewußt. ? Bez.Für ihn gibt es keinen Gott, der ihm dies gegeben, für ihn gilt nur die Natur. Die Natur ist sein oberstes Gesetz, das Alpha und Omega seines Lebens. Ihr fühlt er sich verpflichtet und stellt alle seine Kräfte in ihren Dienst. Er forscht nach den innersten Dingen, ohne das R.letzte zu erkennen. Durch seine Erkenntnisse, die er gewinnt, leistet er der Menschheit große Dienste.

Auch jedes Vorrecht, das der Mensch genießt, ist eine Gabe, aber nur wenige Menschen denken daran, daß Rechte auch Pflichten erfordern.

Wir haben ein altes Wort, Noblesse oblige, Adel verpflichtet. Wenn es auch heute nicht mehr die Gültigkeit hat wie in der alten Zeit, da heute der Seelenadel höher steht als der Geburtsadel, so ist doch ein Teil seiner Bedeutung geblieben. Der Adel hatte besonders in Frankreich vor der französischen Revolution, aber auch in Deutschland eine Reihe von Vorrechten, aber keine Pflichten. Adel bedeutet die Verpflichtung, vorbildlich, ritterlich und edel zu handeln und zu leben. Doch nur wenige erkannten die Pflichten ihrer Vorrechte und handelten danach.

Selbst Reichtum und materielle Güter überhaupt, sind Gaben, die den Menschen verpflichten. Ein solches Pflichtbewußtsein findet sich nur selten. Aber bei den Menschen, die der calvinistischen Richtung des Protestantismus angehören, wie z. B. die Amerikaner, ist gerade dieses Pflichtbewußtsein besonders ausgeprägt. All ihr Besitz, ihr Vermögen ist ein Geschenk Gottes, ist ein Zeichen, daß sie von Gott auserwählt sind. Aus diesem Wissen heraus handeln sie so, daß sie sich Gr.Gott würdig erweisen, denn ihre Ehre ist seine Ehre. Alle ihre Taten sind dazu angetan, die Ehre Gottes zu verherrlichen ,_ und sie ?opfern große Summen von ihrem Vermögen als Dank für die_ Gabe der Auserwählung.

Nicht nur große Gaben verpflichten den Menschen, auch die kleinen und kleinsten. Und die kleinste und einfachste Pflicht für ein Geschenk ist der Dank. Wie dankbar sind wir oft für ein Lächeln, einen Brief und eine Blume! Ehrliche Freude und Dank für die Gabe Gr.beglückt den Geber.

So trägt jede Gabe, und sei sie noch so klein, eine innere Verpflichtung in sich, die der Mensch erfüllen muß, wenn er sich nicht den einfachsten Gesetzen entgegenstellen will. Und erst die erfüllte Pflicht läßt uns der Gabe wahrhaft froh werden.

Die Schülerin zeigt mit gutem Verständnis an einer Reihe von Beispielen, wie die Menschen sich durch die empfangene Gabe verpflichtet fühlen. Der Ausdruck ist sinngemäß; er erreicht nicht die Höhe der bisherigen Arbeiten der Schülerin.

Vollauf Befriedigend.

Schriftl. Klassenleist.: meist gut.

Köln, 26.V.46.

Peters.