KAS (Köln)

Die Klasse 8a

[Von der Klasse 8a sind im Schularchiv weder die Beurteilungen noch die Lebensläufe überliefert. Auch die Aufstellung der eingereichten Aufsatzthemen konnte nicht aufgefunden werden. Die folgende Aufgabenstellung wurde den Aufsätzen direkt entnommen. Er wurde offenbar on sämtlichen Schülerinnen ausgewählt.]

 

1.) Entspricht die Haltung des Leutnants Siewers meinen Vorstellungen vom deutschen Offizier? (Im Anschluß an Beumelburgs Novelle „Der Feigling“)


Abituraufsatz

Entspricht die Haltung des Leutnants Siewers meinen Vorstellungen vom deutschen Offizier?

Im Anschluß an Beumelburgs Novelle („Der Feigling".)

Es war im Weltkrieg, im Jahre 1917. Leutnant Siewers war von der Offiziersschule zurückgekehrt und stand zum erstenmal vor seiner Gruppe, die hauptsächlich aus neuen Reserven bestand. Ein kleiner, junger Pionier sah ihn gerade und unentwegt an. In seinem Blick Gr.stand Forschheit und Selbstvertrauen, aber auch die bange Frage: „Ist es sehr schlimm vorne?" Plötzlich erscholl die mächtige Stimme des Feldwebels Braschke: „Buschenhagen, Pionier Buschenhagen." Der Kleine hörte nicht. Die Stimme nahm an Stärke gewaltig zu. „Buschenhagen." Jetzt erst kam dem Kleinen zum Bewußtsein, daß er gemeint war. Er wurde puterrot und wusste keinen Ausweg. Leutnant Siewers schritt helfend ein. Der Erfolg war sogleich da. Feldwebel Braschke stürzte sich auf sein Opfer Z._ d. h. auf Uffz. Schwarzkopf, der das Kinn nicht an der Binde hatte. Buschenhagen blickte seinen Leutnant dankbar an. Vertrauen und Zuneigung war zwischen beiden erwachsen. - Kurze Zeit danach, erhielt Leutnant Siewers den Befehlt, den Ansturm der Franzosen am Chemin des Dames zurückzuwerden. Buschenhagen stand in der Nähe und hörte es, und er wurde von gräßlichen Vorstellungen gepackt. Auf dem Marschweg trat der Pionier zu Siewers und sagte: „Ich kann nicht mit, Herr Leutnant, ich hätte mich krank melden sollen, ein altes Leiden, Herr Leutnant, ich kann nicht." Leutnant Siewers sah den Kleinen mit einem unsäglich traurigen Blick an. „Ich habe es kommen sehen, ich kenne das alles, es geht uns allen so, man muß nur die Zähne zusammenbeissen", sagte er. Die Truppe war still und hörte und sah, wie der Junge sich händeringend niederwarf, stammelte, heulte und flehte. Da wurde Siewers hart, er richtete sich auf und sagte: „Vorwärts, Braschke und Schwarzkopf nehmt den Pionier in die Mitte." - Die Truppe setzte sich in Bewegung. Die Granaten heulten, es war ein Dröhnen und Brausen von unzähligen Geschossen. Wie es im Bericht der Heeresleitung hiess, war es gelungen, die Franzosen zurückzuwerfen. Der knappen Meldung war nicht anzusehen, was der Sieg gekostet hatte. - Als die Gruppe des Leutnants Siewers sich sammelte, fehlte Buschenhagen. Er war verschwunden und keiner wusste Z._ wo er war. - Ein paar Tage danach wurde Buschenhagen gebracht Z._ und mit ihm kam ein A.Telegramm von dem Kompaniechef, in dem es hiess, daß der Pionier völlig zerschlagen in einem Unterstand gefunden worden sei. Nach anfänglichem Leugnen, Zeitformhatte er in wilder Selbstbezichtigung ein Geständnis abgelegt. Das Kriegsgericht Zeitf.würde in ein paar Tagen das Urteil fällen. - Erich Siewers liest langsam, er liest zum zweitenmal, nur um den Zeitpunkt hinauszuschieben, wo er dem Jungen in die Augen sehen muß. Dann Zeitwechseldrehte er sich mit einem Ruck um und blickte gerade in die Augen des Jungen, der nicht wegblickte und seinen Leutnant furchtlos ansah. Siewers legte ihm die Hand auf die Schulter und sagte: „Das Urteil ist nicht zweifelhaft, es gibt nichts zu deuteln und zu beschönigen. Was würdest Du tun, wenn Du an meiner Stelle wärst?" Der Kleine sah etwas spöttisch aus, als er antwortete: „Herr Leutnant, ich glaube Z._ es wäre mir dann besser zu Mute." Erich Siewers war rot geworden, er packte den Kleinen mit einem harten Griff, und es drang unaufhaltsam aus ihm hervor: „Was wisst ihr denn von uns, geht es uns denn nicht genau wie euch? Damals Z._ als ich an die Front kam mit meinem Freund. Wir waren erst ein paar Tage da, als er verwundet wurde, und ich Z._ was tat ich, ich lief weg, weiter. Weisst Du, was es heisst, dann, wenn man zur Besinnung kommt Z._ den Freund sucht und ihn tot findet, nicht mehr helfen kann." - Es war ein wilder Ausbruch gewesen, erschöpft hielt Siewers inne. Dann sagte er beinahe grob: „Gehen Sie zu den Leuten zurück, bis wir in ein paar Tagen abrücken." - Leutnant Siewers dachte unaufhörlich an den Kleinen. Er liess Schwarzkopf rufen, dem auffiel, wie blass der Offizier aussah. Er sagte zu Schwarzkopf: „Du kennst ja Buschenhagen, Du weisst, er kommt in kurzer Zeit vor dasKriegsgericht. Ich denke immer an früher und möchte ihm gerne helfen. Du weisst, der französische Tank im Vorfeld muß gesprengt werden, das wäre eine Gelegenheit. Entscheidend ist nur, ob ich es darf." „Wenn Du es kannst, dann darfst Du es auch." „Ich glaube Z._ ich muß", antwortete Siewers. - Mit Buschenhagen sprach er ganz ruhig und sachlich. „Wenn Sie es nicht möchten, dann brauchen Sie es nicht zu tun." - Ja, er wünschte fast Z._ der Kleine möchte „nein" sagen. Aber Buschenhagen antwortete: „Ich will." „Warum?" „Aus Dankbarkeit für Herrn Leutnant." „Wissen Sie Z._ was das heisst, Sie übertragen die ganze Verantwortung auf mich." Plötzlich spürte er, daß er sich immer mehr verirrte. „Ich habe Ihnen nicht gesagt, daß ich feig war, und daß man mich zurückführte." Buschenhagen sah seinen Leutnant mit leuchtendem Blick an. „Dann ist es Ihnen ja ähnlich gegangen wie mir", sagte er. Hier weist d. Inhalt eine Lücke auf_ „Jetzt möchte ich bitten, gehen zu dürfen." Als der Pionier gegangen war, machte Siewers eine hastige Bewegung, als wollte er ihn zurückrufen. - Nachts um 3 h brach der Kleine auf. Der Leutnant stand unbeweglich mit Schwarzkopf im Graben. Er hatte die ganze Nacht nicht geschlafen und zitterte. Angespannt blickte er in das Niemandsland. Plötzlich ertönte Maschinengewehrfeuer und kurz darauf ein dumpfer Knall. Die Geschoße surrten und schlugen in die Nähe des Grabens ein. „Wir müßen feuern", sagte Schwarzkopf. „Warte noch", knirschte der Leutnant. Wieder mahnte Schwarzkopf. Leutnant Siewers sagte scharf: „Ich habe hier zu befehlen." Er sah hinaus und sah Z._ wie Buschenhagen in langen Sprüngen über das Land kam. 30 m, 20 m, 10 m. Dem Leutnant blieb das Herz stehen. Plötzlich Zeitreckte der Kleine sich übermütig hoch, breitet die Arme aus und schreit überglücklich: „Jetzt ist alles gut." Da macht er eine halbe A.Bewegung und fällt hinunter, in die Arme des Leutnants.

In der Novelle Gr.kommt die Haltung und der Charakter des Leutnants Siewers klar zum Ausdruck. Für ihn passen die treffenden Worte von Walter Flex gut: „Leutnant sein, heisst Z._{##l.}seinen Leuten vorleben." Wieviel {#l: R.}schweres A.verbergen diese wenigen Worte! Leutnant Siewers war noch sehr jung, er war ebenso ein Mensch wie alle anderen mit Fehlern und Schwächen. Aber er gehörte zu jenen Menschen, die mit offenen Augen durch das Leben gehen, ihre Fehler erkennen und bekämpfen. Hierbei ist in hohem Maße der Wille ausschlaggebend, und den hatte Siewers. Dadurch wurde es ihm möglich, seinen Untergebenen Vorbild zu werden. Aber welche Kraft und Stärke hatte ihn das gekostet und kostete ihn jeden Tag von neuem. Er sagte einmal zu Schwarzkopf: „Für mich ist jeder Tag wie der erste." Jeden Tag mußte er menschliche Feigheit und Schwäche bekämpfen, aber es war ihm möglich, weil er durch das Erlebnis mit seinem Freund geläutert worden war. Gerade darum brachte er so viel Verständnis für den kleinen Buschenhagen auf. Und gerade das ist sehr wichtig für einen Offizier, Verständnis aufbringen für die Sorgen und Nöte seiner Untergebenen. Das Verständnis erwächst aus dem Gütigsein. Siewers war gütig. Er macht Buschenhagen keine Vorwürfe, fährt ihn nicht mit harten Worten an. Nein, im Gegenteil. Liebevoll, mit dem Wissen eines gereiften Menschen, zeigt er dem Jungen den rechten Weg. Der schönste Charakterzug des Leutnants ist aber seine Ehrlichkeit. Ein Führer muß gegen sich selbst und gegen andere aufrichtig und ehrlich sein. Das heisst Z._ auch die Fehler eingestehen und sie nicht krampfhaft aus falscher Scham verbergen.

Leutnant Siewers entspricht ganz meinen Vorstellungen vom deutschen Offizier. - Er war, trotz des höheren Ranges, ein echter Kamerad. Er sieht nicht über seine alten Kameraden weg, wie das leicht bei jungen Menschen der Fall ist, wenn eine Rangerhöhung eintritt. Leutnant Siewers und sein Unteroffizier Schwarzkopf gebrauche beide, wie in früheren Zeiten, das freundschaftliche „Du". Leutnant Siewers Zeitwechselverstand das Wort Autorität im richtigen Sinn. Er betonte sie nicht auffallend, aber im gegebenen Augenblick, wo es auf die Verantwortung des Führers ankommt, wusste er Z._ sie zu gebrauchen. „Ich habe zu befehlen."

Wenn ich an Leutnant Siewers denke, so tritt mir mancher Offizier des jetzigen Krieges vor die Augen. Sie alle haben viel Gemeinsames. Die gerade, aufrechte Haltung, markante Gesichtszüge, leuchtende Augen und den Ausdruck der Willensstärke. Aber bei allen findet sich ein gewisser Ernst, der sonst bei so jungen Menschen noch nicht anzutreffen ist. Sie alle sind durch das Fronterlebnis zu größerer Reife und Einsicht gelangt.

Eine gute Haltung haben ist schwer, besonders schwer, wenn man noch so jung ist, und eine so große Verantwortung zu tragen hat, wie Leutnant Siewers sie hatte. Welche seelischen Kämpfe kostete es ihn, sich zu dem Entschluß durchzuringen, den Kleinen nach vorne zu schicken. Und das verlange ich von jedem Offizier, daß er es mit seiner Verantwortung und seinem Gewissen ernst nimmt.

Leutnant Siewers war ein echter deutscher Offizier. Gerade und aufrecht, verständnisvoll und pflichtbewusst. Auf ihn hat der Krieg nicht verrohend gewirkt, sondern läuternd und vertiefend. Leutnant Siewers zeigt das, was ich mir A.von Offizieren vorstelle. „Rein bleiben und reif werden."

Die äußerst umfangreiche Arbeit verrät innere Anteilnahme an dem Thema. Gut erfaßt und lebensnah behandelt ist die Gestalt des Leutnants. Die vielen Zeichenfehler sind wohl eine Folge des gehetzten Arbeitens. Wegen dieser Fehler ist die sonst gute Arbeit

befriedigend (3)

1.III.43