KAS (Köln)

Klasse OI R

Von dieser Klasse konnten bislang lediglich die Lebensläufe der Schülerinnen aufgefunden werden.


Lebenslauf

Am 16. August 1929
wurde ich in Köln-Nippes als zweites Kind des Metzgermeisters Paul F. und seiner Ehefrau Wilhelmine, geb. S., geboren;

am 28. August
in der katholischen St. Marien-Kirche getauft.

Ostern 1936:
Eintritt in die Volksschule Turmstraße in Köln-Nippes,

1939:
in die Volksschule Steinbergerstraße.

Ostern 1940:
Aufnahme in die Städtische Oberschule für Mädchen Köln-Machabäerstraße.

Juli 1944:
Schulverlegung nach Bansin auf die Insel Usedom.

Im September 1944:
Rückkehr nach Köln und Gastschülerin der Kaiserin-Augusta-Schule bis zur Schulschließung im Oktober.

Im November 1945:
Wiederaufnahme in die Kaiserin-Augusta-Schule.

Ostern 1946:
Einweisung in die neugebildete Klasse UIIR

Ostern 1947:
Versetzung in die OIIR

Ostern 1948:
Versetzung in die UIR

Ostern 1949:
Versetzung in die OIR

Die Eigenschaften eines jeden Menschen werden durch die Umgebung, in der er lebt, mitbestimmt. Meine Kinderzeit ist ein treffendes Beispiel für das Leben eines Geschäftskindes. In der Woche blieb meinen Eltern nicht die Zeit, sich mit ihrer kleinen Tochter zu befassen. Da ich leider keine Geschwister habe, entbehrte ich auch den Umgang mit Kindern. Bis zum Eintritt in die Volksschule wurde ich in der Hauptsache von einem Kindermädchen, einer gebürtigen Schweizerin, erzogen. Sie betreute mich mit großer Liebe und Sorgfalt; jedoch wurde mir jeder Sonntag zu einem Festtag, weil ich empfand, wie schön es ist, von der Mutter umsorgt zu werden. Unser Kindermädchen erweckte in mir zum ersten Male Liebe zu Büchern. Stundenlang konnte ich ihr zuhören, wenn sie mir unsere schönen, deutschen Märchen vorlas.

Zu dem größten Erlebnis meiner Kinderzeit wurde mir ein dreimonatiger Aufenthalt in der Schweiz, in dem Heimatort meines Kindermädchens. Alles, was sie mir aus ihrer schönen Heimat erzählt hatte, sah ich nun in Wirklichkeit vor mir. Ich lernte die Sitten und Gebräuche eines anderen Landes kennen, soweit sie einem fünfjährigen Kinde zugänglich sind.

Das Häuschen im Salzburger Stil halb aus Stein, halb aus Holz, lag eingebettet zwischen hohen Bergen, die sich scharf gegen den blauen Himmel abhoben. Besonders wohltuend empfand ich die Stille und tiefe Ruhe und das ungestörte Spielen im Wald. Es war das erstemal, daß mir als Großstadtkind die Natur lieb wurde.

Bei der Aufnahme in die Volksschule war für mich der Umgang mit den vielen anderen Kindern sehr befremdend. Wenn ich heute an diese Zeit zurückdenke, verbinde ich damit die Erinnerung an die Lehrerin des ersten Schuljahres, die besonders gut mit Kindern umzugehen verstand und mir dadurch die große Umstellung sehr erleichterte. Einzelne Unterrichtsfächer sind mir aus dieser Zeit nicht mehr in Erinnerung.

Im Sommer 1939 verbrachte ich meine Ferien auf der Insel Wangeroog. Ich hatte schon immer eine große Freude an Fahrten und Reisen. Still und aufmerksam, damit mir ja nichts entginge, saß ich Neunjährige all die langen Stunden am Fenster des Zuges. Früh am nächsten Tag lief ich aus dem Haus, um das vielbesprochene Meer zu sehen. Ergriffen von dem gewaltig Neuen stand ich am Strande. Weit bis zum Horizont dehnte sich die See und verschmolz dann völlig mit diesem. Eine ganz neue Welt erschloß sich mir hier. Das Spielen mit Sand und Muscheln war für mich ein nie endendes Vergnügen. Der Krieg machte den schönen Tagen ein Ende. Einen Tag vor Kriegsausbruch kehrte ich nach Köln zurück. -

Auf der höheren Schule bildeten sich erstmalig infolge der schärferen Trennung der Unterrichtsfächer besondere Interessen in mir heraus. Die Weiterbildung in meinen Lieblingsfächern Deutsch, Musik und Biologie wurde, auch außerhalb der Schule, zu meiner liebsten Beschäftigung. Bücher zählten immer mit zu meinen schönsten Geschenken. Angeleitet durch den Unterricht in der Schule, las ich nach einigen Jahren mit großem Eifer die Klassiker. In lebendiger Erinnerung sind mir die schönen Stunden der ersten Theaterbesuche geblieben. Ich hatte zwar schon als kleines Kind mit meinen Eltern die Märchenspiele besucht, so war mir das Theater an sich nichts Neues. Der Besuch der ersten Oper „Der Troubadour", wurde mir zu einem unvergeßlichen Erlebnis. Seit dieser Zeit ist mir der Besuch von Schauspielen und Opern zum Bedürfnis geworden. Auch nach dem Krieg zählte ich zu den treuesten Besuchern in der zum Theater hergerichteten Universität.

Mit zehn Jahren begann meine Ausbildung im Klavierspiel. Es wurde mir unerträglich lange, bis ich die ersten zusammenhängenden Stücke spielen lernte. Zu meinen Lieblingskomponisten gehörten Beethoven, Mozart, Haydn und Grieg. In der Schule war ich immer Mitglied des Auswahlchores und zu den schönsten Erinnerungen an diese Zeit, gehört ein Mozartabend, den wir für unsere Eltern veranstalteten.

Meine Sommerferien 1942 verlebte ich in der Gegend von Berchtesgaden. Ich hatte ein neues, schönes Erlebnis: ich lernte Bergsteigen. Bei Tagesanbruch machten wir unsern ersten Aufstieg zur Gotzenalm. Nach dreistündiger Wanderung tauchte die aufgehende Sonne alle Zacken und Zinnen der Felsen in dunkles Rot. Die Gletscher aber leuchteten in allen Regenbogenfarben, es war ein unvergeßlicher, erhabener Anblick. In diesen Ferien lernte ich die urwüchsigen, natürlichen Menschen Bayerns kennen, die ganz mit ihren geliebten Bergen verbunden sind und hinter ihrer derben Art viel Zartsinn verbergen.

Jedoch wurden all die schönen Erlebnisse dieser Jahre getrübt durch die furchtbaren Auswirkungen des Krieges. Ich habe jeden Bombenangriff auf meine Heimatstadt miterlebt. Durch die Todesangst, die wir in diesen schrecklichen Tagen und Nächten empfunden haben, bin ich sehr ernst geworden. Die traurigsten Tage waren für mich die Tage, an denen sehr viele Kölner aus unserer Stadt flüchteten und ich mit meinen Eltern zurückblieb, weil wir das Geschäft offen halten mußten. Als nach dem Einmarsch der Amerikaner das Leben wieder ruhiger wurde, bekam ich durch die Nachwirkung all dieser Schrecken eine Nervenkrankheit, die ich bis zum Wiederbeginn des Schulunterrichts überwunden hatte.

Nach Wiedereröffnung der Schulen im November 1945 wurde ich Schülerin der Kaiserin-Augusta-Schule. Meine Lieblingsfächer waren die gleichen geblieben. Der Deutschunterricht wurde mit Beginn der Oberstufe ein ganz anderer. Wir lernten jetzt den tiefen Sinn der Dramen klar zu erfassen. Angeleitet durch diesen Unterricht, habe ich gelernt, unter den gleichen Gesichtspunkten die Werke der Literaten zu lesen. Die naturwissenschaftlichen Fächer wurden durch Versuche sehr viel lebendiger und anschaulicher. Versuche, die wir zu Hause ausführten, erzogen uns dazu, Regelmäßigkeiten in der Physik selbst herauszuarbeiten. Sehr oft hatten wir Gelegenheit, alte und moderne Malerei- und Kunstausstellungen zu besuchen. Diese erweiterten Zeichenstunden gaben mir viel. Die moderne Malerei sagte mir jedoch nicht zu.

Ich war überglücklich, daß mit Beginn der Schulen unser Leben wieder in friedlichere und geordnetere Bahnen kam, wenn sich auch jetzt erst auf den Gebieten des täglichen Lebens die furchtbaren Auswirkungen des Krieges bemerkbar machten. Da erkannte ich doppelt den bleibenden Wert guter Literatur und Musik, die mir über die schlimme Zeit hinweghalfen. In dieser Zeit erwachte in mir der Wunsch, nach Ablegung der Reifeprüfung Bibliothekarin zu werden. Ich hoffe, daß es mir gelingt, auf dem Bibliothekar-Lehrinstitut angenommen zu werden.