KAS (Köln)

Vorschläge für den deutschen Aufsatz des Sonderlehrgangs A

1.) Erinnerung an ...

2.) Wie verwirklicht Michael in Wiecherts „Hirtennovelle“ das Wort Carossas „Im engsten Kreise wag’s, dich reich zu leben“?

3.) Nicht der ist auf der Welt verwaist,
dem Vater und Mutter gestorben,
sondern wer für Herz und Geist
keine Lieb’ und kein Wissen erworben.
(Rückert)


Lebenslauf

Am 18.11.1926 wurde ich als Tochter des kaufmännischen Angestellten Adolf L. und seiner Frau Helene, geborene M., zu Köln geboren und einige Tage später katholisch getauft. Als ich noch nicht ganz vier Jahre alt war, starb meine Mutter, und meine Großmutter, die von da ab unseren Haushalt übernahm, versuchte, mir die Mutter zu ersetzen. Da sie aber schon sehr alt war, fühlte ich, daß mir etwas fehlte und schloß mich mit der Zeit immer fester meinem Vater an. Zu ihm ging ich mit allen Anliegen, Leiden und Freuden. Dieses Verhältnis zu meinem Vater hat sich bis heute noch nicht geändert, sondern ist, seitdem mein Vater, meine Schwester und ich Heim und Haushalt alleine betreuen, zu einer schönen Kameradschaft geworden.

Am 1.4.1933 kam ich zur Volksschule. Bisher hatte ich entweder für mich allein, oder mit einer jüngeren Freundin im Garten gespielt, die ich verließ, wenn mir ihre Spiele nicht behagten. Nun kam ich mit vielen Kindern zusammen, und es fiel mir sehr schwer mich der Gemeinschaft an- und der Lehrerin unterzuordnen. Es gab Schelte, Tränen und gute Worte zu Hause, wie in der Schule. Bald jedoch siegten die neuen Eindrücke, und der Unterricht begann mir Spaß zu machen.

Nach vier Volksschuljahren wurde ich auf der Oberschule der Ursulinen Köln, Machabäerstr. angenommen. Da ich durch meine ältere Schwester die Schule bei Elternabenden schon besucht hatte und so einige der Lehrschwestern kannte, fühlte ich mich sofort heimisch. Das Lernen fiel mir leicht und machte mir Freude. Meine Lieblingsfächer neben Deutsch und Englisch waren Geschichte und Biologie. Als ich in die Untertertia versetzt wurde, wurde die Ursulinenschule geschlossen und in eine städtische Oberschule umgewandelt. Die Anzahl meiner Klassenkameradinnen verdoppelte sich, und wir erhielten in allen Fächern uns völlig fremde Lehrer. Die Folge war, daß ich Lust und Liebe zum Lernen verlor. Gleichzeitig herrschte bei uns zu Hause ein unerträglicher Zustand. Unsere Haushälterin wollte unter allen Umständen fort, wurde aber, da wir sie dringend nötig hatten, vom Arbeitsamt nicht freigelassen. Dafür begann sie, das Haus zu vernachlässigen, und ich war oft Zeugin unerfreulicher Auseinandersetzungen. Um den Verhältnissen zu Hause und in der Schule zu entfliehen, bat ich meinen Vater um die Erlaubnis, mich 1941 ins K.L.V.-Lager gehen zu lassen.

Ich kam nach Dresden. Die Zahl der Schülerinnen war sehr gering, und eine Lehrerin begleitete uns. Infolgedessen hatte ich nur Unterricht in Deutsch und Mathematik und verlernte mehr, als ich lernte. Das Lager selbst war äußerst primitiv , und das Essen karg. Zum ersten Mal war ich allein von zu Hause fort, und ich hatte heftiges Heimweh, das seelisch und körperlich an mir zehrte, so daß ich oft krank war. Damals erkannte ich den Wert der Heimat und des Elternhauses und fühlte, wie eng ich mit beiden verbunden bin. Ich lernte nach schweren inneren Überwindungen, mich in eine enge Gemeinschaft zu fügen, Rücksicht auf andere in der gleichen Lage zu nehmen und trotzdem meinen eigenen Standpunkt zu vertreten.

Ende des Jahres 1941 kam ich wieder nach Hause. Die kommende Schulzeit wurde eine schwere Zeit für mich, in der ich alle meine Kräfte einsetzen mußte, um das Versäumte nachzuholen. In meiner Freizeit vergaß ich beim Hockeyspiel für ein paar Stunden die Anstrengungen des Lernens. Als 1944 alle Schulen geschlossen wurden, fuhr ich zu Verwandten nach Bad Oeynhausen, wo ich unter Anleitung meiner Tante Kochen und Hausarbeit lernte. Die Umstellung von der Schule zum Haushalt wurde mir recht sauer. Doch es gelang mir, der Hausarbeit Interesse abzugewinnen und sie sogar selbsständig zu verrichten.

Nach Kriegsende kehrte ich nach Köln zurück. Bis zum Wiederbeginn des Schulunterrichts arbeitete ich bei einem Zahnarzt als Helferin. Durch diese Tätigkeit wurde ein durch die Begegnung mit einer Dresdener Zahnärztin schon vorher bereits gehegter Wunsch wieder lebendig: ich wollte Zahnärztin werden.

Im November 1945 wurde ich auf der Kaiserin Augusta-Schule angenommen und in die Klasse 7 a eingewiesen. Nun hieß es wiederum: arbeiten, um Versäumtes und Vergessenes nachzuholen und um Ostern in den Sonderkursus aufgenommen zu werden. Heute stehen wir im Endspurt um das letzte Schulziel. Da meine Schwester eine Stelle angenommen hat und täglich bis 16 Uhr arbeitet, muß ich meine Zeit zwischen Schul- und Hausarbeit teilen. Sport und andere Erholungen habe ich bis nach dem Abitur verschoben. Dabei sind die Schwierigkeiten bei unserer Arbeit im Sonderkursus sehr groß. Der Schulweg ist weit und unangenehm. Wir haben keine Bücher und somit keine Möglichkeit, das in der Schule Gelernte, zu Hause zu wiederholen. Ein Drama oder eine Erzählung mit Genuß zu lesen, kennen wir nicht mehr, da am nächsten Tag die Mitschülerin auf das Buch wartet. Der Mangel an Nahrungsmittel, Kohle und warmen Kleidern, sowie die beengten Wohnverhältnisse, erschweren die geistige Sammlung zur Arbeit. Trotzdem muß das Ziel erreicht werden. Ich lerne ja nicht für die Schule, sondern für mich. Die Schule hilft mir dabei und gibt mir Anleitungen zu allem Hohen und Schönen und eine gute Erziehung für den kommenden Lebensweg. Deutsch, Englisch und Geschichte sind noch immer die Fächer, die mich am meisten fesseln und in denen ich am besten mitgehen kann.