KAS (Köln)

Vorschläge für den deutschen Aufsatz des Sonderlehrgangs A

1.) Erinnerung an ...

2.) Wie verwirklicht Michael in Wiecherts „Hirtennovelle“ das Wort Carossas „Im engsten Kreise wag’s, dich reich zu leben“?

3.) Nicht der ist auf der Welt verwaist,
dem Vater und Mutter gestorben,
sondern wer für Herz und Geist
keine Lieb’ und kein Wissen erworben.
(Rückert)


Lebenslauf

Am 29. Juli 1928 wurde ich in Köln geboren. Da mein Vater, Kaufmann Josef H., vor meiner Geburt tödlich verunglückte, mußte meine Mutter selbst für den Lebensunterhalt sorgen. Sie gab mich daher tagsüber einer bekannten Familie zur Pflege und holte mich erst abends nach Hause.

Als dreijähriges Kind kam ich in den Kindergarten. So mußte ich mich an Ordnung gewöhnen und lernte früh, mich in eine Gemeinschaft einfügen. Dieses Lernen bedeutete häufig Kampf gegen meine Unbescheidenheit und meinen Vorwitz.

Da ich körperlich kräftig war, wurde ich schon mit fünf Jahren eingeschult. Die Schule machte mir große Freude, obwohl ich sie zunächst als Spiel auffasste. Bald jedoch gewöhnte ich mich an die mit der Schule verbundenen Pflichten. Das 4. Volksschuljahr verlebte ich bei meinen Großeltern im Schwarzwald. Für mich, als ein freiheits- und naturliebendes Kind, brachte diese Zeit viele Freuden. Es gab keine gefährlichen Straßen. Frei und ungebunden konnte ich in meiner Freizeit umhertollen.

Meine Mutter holte mich nach Köln zurück, da sie mir den Besuch einer höheren Schule ermöglicht hatte. Es war eine Schwesternschule mit Halbpensionat. Meine Mutter hatte gerade diese Schule für mich bestimmt, um mich tagsüber unter Aufsicht zu wissen. In mancher Hinsicht mußte ich mich umstellen. Die ländlichen Umgangsformen, die ich mir angewöhnt hatte, sollten wieder verschwinden. Auf dieser Schule verblieb ich zwei Jahre. Sie waren ausgefüllt mit eifrigem Lernen und mancherlei Freuden.

Da die Schwesternschule von Staatswegen geschlossen wurde, kam ich in das Pensionat in Hersel b/ Bonn. Dieser Wechsel brachte es mit sich, daß ich meine Mutter seltener besuchen konnte. In dieser Zeit entbehrte ich das Familienleben stark. Es gab für mich traurige Stunden des Heimwehs, zumal ich meine Mutter ebenfalls alleine wußte. Auch dieses Pensionat wurde nach zwei Jahren geschlossen. Es war ein schwerer Abschied, erschwert durch das Mitleid mit dem harten Schicksal der Schwestern, die ihren Wirkungskreis vollständig aufgeben mußten.

Ich fand Aufnahme in der Oberschule am Georgsplatz, leider nur für kurze Dauer. Am 31. Mai 1942 wurden wir obdachlos und ich zog wieder zu meinen Großeltern. In der dortigen Schule lebte ich mich leicht ein und hatte ein nettes Verhältnis zu meinen Lehrern und Mitschülerinnen; daher ist mir diese Schulzeit als die schönste in Erinnerung geblieben. Das gemütliche Dasein der Schwarzwaldbewohner spiegelte sich auch in der Schule wieder. Dies machte sich für mich beim nächsten Schulwechsel, vom Schwarzwald nach Westfalen, durch Lücken im Schulwissen bemerkbar. Ich arbeitete mit großem Fleiß und Ehrgeiz, um mein Klassenziel zu erreichen. Als Rheinländerin wurde ich mit diesen ernsten, verschlossenen Menschen nicht vertraut und blieb hier die Fremde und Einsame. Der Kriegsschluß machte auch dieser Schulzeit ein rasches Ende.

Nachdem wir uns in Köln ein neues Heim mühsam geschaffen hatten, drängte es mich ins Berufsleben. Ich fand Beschäftigung in einer Apotheke. Ich war froh, als ich mich nach Wiederbeginn der Kölner Schulen noch einmal in die Geborgenheit der Schule flüchten konnte, um mich für meinen späteren Beruf vorzubilden.

Seit der 5. Klasse gilt mein Interesse den Naturwissenschaften. Meine Mutter schenkte mir einen Chemiekasten, und ich verbrachte meine Freizeit gerne mit Versuchen. Hierdurch erweiterten sich meine Kenntnisse, und die naturwissenschaftlichen Fächer wurden meine Lieblingsfächer. Mein Berufstraum war immer, Chemikerin in einem großen Industriewerk zu werden, und ich hoffe, daß dieser Wunsch später in Erfüllung geht. Nach dem Abitur werde ich mich in Stenographie und Schreibmaschine vervollkommnen, um zu jeder Zeit mein Brot selbst verdienen zu können; denn ich werde meine Mutter, die mir den Universitätsbesuch ermöglichen will, durch die Semesterferien geldlich unterstützen müssen.

In diesem letzten Jahr, wo ich das aus vielen Schulen zusammengetragene Wissen abzurunden und zu vergrößern hatte, hat mir der Deutschunterricht, unabhängig von meinen schwankenden Leistungen, viel gegeben. Wir konnten uns im Anschluß an den Lehrstoff über Lebensfragen aussprechen, und unser Blick wurde ausgerichtet auf das Gute und Schöne in Leben und Kunst. Diese Stunden waren für mich Ausgangspunkt unserer Besinnung für eine spätere Lebensgestaltung.

Abituraufsatz

Nicht der ist auf der Welt verwaist, dem Vater und Mutter gestorben, Sondern wer für Herz und Geist keine Lieb' und kein Wissen erworben.

Rückert

Gliederung:

I. Was gibt das Elternhaus dem Menschen?

1. Das Elternhaus schafft die Lebensbedingungen für wen?_ .

2. Das Elternhaus gibt A. In der Ausführung sind darunter Erziehungsmittel verstanden.Verpflichtungen .

II. Die geistige Heimat bietet Ersatz für die A. naturgegebeneäußere Heimat.

1. Die geistige Heimat kann ( - )nur den Schmerz um die verlorene Heimat mildern.

2. unklar.Die geistige Heimat kann Ausgangspunkt für eine neue Heimat sein.

„Verwaist", wie hart klingt dieses Wort. Ruft es nicht sofort Mitleid in uns wach für die, die Vater und Mutter und damit ihre eigene Heimat verloren haben Z. haben?. Was gibt uns diese Heimat, daß sie uns so wertvoll ist? Dem Kinde gibt sie Nahrung, Schutz und Erziehung. Dem heranwachsenden Menschen stehen die Eltern ausserdem_ mit ihrem erfahrenen Rat zur Seite. Sie kennen die Veranlagungen ihrer Kinder am besten und verstehen es, ihnen den wozu?geeignetsten Weg zu zeigen. Sie legen dem jungen Menschen Verantwortung auf und geben ihm Verpflichtungen, die ihn zu Selbständigkeit und zur Festigung seines Charakters bringen sollen.

Wie arm ist der Mensch, dem alle Güter, die das A. ElternhausHeim gewährt, geraubt sind. Er steht alleine und muß selbst für das Lebensnotwendige sorgen. übertriebenNiemand erteilt ihm mehr Lob oder Tadel, die gerade für einen jungen Menschen Ansporn sein können. übertriebenNiemand gibt ihm ein liebes Wort , das soviel vermag, das einen Menschen sogar zu gutem Lebenswandel bestimmen kann. A. Der Verlust des Elternhauses isst doppelt schwer zu tragen, wenn damit der Verlust des Heimatortes verbunden ist.Vielleicht muß er den Heimatort auch noch verlassen, da er ihm keine Lebensmöglichkeiten bietet .

A. Der Spruch von Rückert besagt, dass ...Nehmen wir das Rückertwort, so brauchen wir diese Menschen nicht zu bedauern; denn der Dichter zeigt ihnen eine andere Heimat, die auf geistigem Gebiet liegt und Gr. ihnenihm offen geblieben ist. Die geistige Heimat wird ihnenihm will sagen: weist sie auf eine innere Heimat hin.vielleicht erst durch den Verlust der äußeren Heimat bewußt .

Die Ausführungen dieses Abschnitts sind hier sinnlos. (...Ich denke an Galileo Galilei, der, obwohl er eine große Sehnsucht nach seiner Heimatstadt Florenz hatte, wegen Geldschulden in seinen Ferien nicht herumreisen konnte. Um seinen Schmerz darüber zu vergessen, stürzte er sich in seine Arbeit und durch Anspannung all seiner Kräfte, gelang ihm eine Erfindung: den proportional Zirkel. Für Galilei war diese Erfindung eine Entschädigung für die Heimreise, die nicht zustandegekommen war. Das Geld, das er hiermit verdient hatte, gab ihm später die Möglichkeit nach Florenz zu fahren. ...) Eine Arbeit, die den Menschen ausfüllt, kann geistige Heimat sein. Sie kann aber darüber hinaus unverständlichauch den Anfang zu der äußeren Heimat schaffen .

Ich denke mir, daß eine Arbeit, die mich nicht befriedigt, mir auch Freude bringen kann; denn mit dem Verdienst kann ich, da ich mich sehr für Naturwissenschaften interessiere, Chemiekalien[!] kaufen und meine Freizeit A. zu Versuchen benutzen.mit Versuchen gestalten .

Habe ich mein Elternhaus verloren, so können mir durch die Arbeit oder Interessengemeinschaften liebe Menschen zugeführt werden, zu denen ich Vertrauen haben kann und die mir ein Stück Heimat A. werden.sind.

Diese Gedanken waren an anderer Stelle der Arbeit auszuführen: nach I, 1. 2.Im Gegensatz zur äußeren Heimat, die bei jedem in dem Elternhaus besteht, steht die geistige Heimat. Sie ist bei jedem verschieden und liegt in den Veranlagungen begründet. So werden es bei dem einen Menschen Wissenschaften, beim anderen Musik und Bücher sein, beim dritten ist es die Natur, in die er sich flüchtet, um alles Schwere zu vergessen.

Die Menschen, denen alles das fehlt, die kein Wissensgebiet haben, in dem sie sich heimich[!] fühlen, um sich einmal frei zu machen von allen Sorgen und Nöten, die keinen Menschen haben, die ihre Sorgen zu erleichtern sucht, sind wohl diejenigen, von denen der Dichter sagt: „die sind verwaist, die für Herz und Geist keine Lieb' und kein Wissen erworben." In jedem Menschen liegen die Kräfte und Anlagen Liebe und Wissen zu erwerben.

(...)Ich sehe das Bild des vertriebenen griechischen Gelehrten vor mir, der nichts bei sich trug, als wie er selbst sagte: „Omnia mea mecum porto." Glücklich, wer (...)mit diesem Gelehrten von sich behaupten kann, daß er einen Reichtum A. in sich trägt, der ihm Heimat istimmer mit sich trägt, ( - ) Gr. niemandem genommen werden.denn Wissen ist Macht und kann Dir niemand nehmen .

Urteil: nicht genügend.

Begründung des Urteils auf besonderem Blatt. 20.II.47. Kl.

Beurteilung der deutschen Prüfungsarbeit von Liselotte Hug. Sk a.

Die Verfasserin hat die gewählte Aufgabe weder gedanklich noch sprachlich gemeistert.

Die Gliederung lässt keine klare Gedankenordnung erkennen. Den Ausführungen fehlt die zielstrebige Gedankenführung. Der Ausdruck ist stellenweise unverständlich. Die zur Begründung der Ausführungen gegebenen Beispiele sind ganz ungeeignet.

Nicht genügend.

20.II.47. Kl.

Jahresleistung: genügend.