KAS (Köln)

Gesamtbeurteilung der Klasse 8a (Hauswirtschaft) 1941

Gutachten über die Klasse 8 a hw

Die Klasse 8 a hw umfaßt 20 Schülerinnen. In der Obersekunda belief sich die Zahl auf 28. Davon gingen in O II und U I zehn Schülerinnen ab, zwei traten in O I ein, so daß nun die obengenannte Zahl zu verzeichnen ist.

Keine einzige der Schülerinnen ging aus der Stammanstalt hervor, alle kamen von anderen Schulen. So ergibt sich folgende Tatsache: die zwanzig Schülerinnen entstammen zwölf verschiedenen Anstalten, unter denen acht Kölner, vier auswärtige Schulen, meistens ländliche Privatschulen, sind. Von den in Frage kommenden Schulen waren nur vier städtisch, die andern acht waren Privatanstalten.

Aus der verschiedenartigen Herkunft folgt eine recht verschiedenartige Vorbildung, und zwar sowohl mit Bezug auf den Wissensstoff als auch im Hinblick auf die Art zu arbeiten. Noch nach drei Jahren gemeinsamen Unterrichts machen sich die erwähnten Unterschiede bemerkbar. Auch zeigt sich bei den aus dem Landbezirk stammenden Schülerinnen noch heute eine gewisse Schwere in der Ausdrucksfähigkeit.

So verschiedenartig wie die Vorbildung so unterschiedlich ist auch der häusliche Kreis, dem die Schülerinnen entstammen. Es finden sich Kinder von Fabrikanten, Direktoren großer Industriewerke, Ärzten, Beamten, Lehrern, selbständigen und angestellten Kaufleuten und die Tochter eines Industriearbeiters in der Klasse. Also auch hier große Unterschiede.

Leider haben drei Jahre gemeinsamen Arbeitens es nicht vermocht, alle Unterschiede auszugleichen. Doch sind es weniger die Standesunterschiede als die vorher nicht gemeinsam verlebten Schuljahre, die einem allgemeinen Zusammenschluß der Schülerinnen entgegenstehen. Und doch wäre es zu viel behauptet, von mangelndem Klassengeist zu sprechen. Handelt es sich um ernstere Fragen, ist eine Schülerin von Leid betroffen, dann steht die Klasse selbstverständlich zusammen.

Was die Begabungen der einzelnen Schülerinnen anbelangt, so sind die Unterschiede darin nicht so groß wie in ihrer Vorbildung. Die Klasse ist, abgesehen von einigen Ausnahmen, durchschnittlich begabt. Einige stehen über, einige unter dem Durchschnitt. In der Mitarbeit war die Klasse im allgemeinen rege, doch hätten bei gleichmäßigerer Beteiligung bessere Leistungen erzielt werden können. Hier wirkten sich am stärksten die Folgen der verschiedenartigen Vorbildung aus. Erschwerend kam hinzu, daß in der Oberprima in sehr vielen Fächern ein Lehrerwechsel eintrat.

Den Forderungen der Zeit bringt die Klasse viel Verständnis entgegen. Alle haben ihre Kräfte dem Kriegshilfsdienst zur Verfügung gestellt und dort ihre Pflicht sowohl während der Ferien als auch in der Schulzeit gern getan.

In der Klasse herrschen ein fröhlicher Geist und gute Disziplin. Bewußte Disziplinlosigkeiten haben die Schülerinnen sich nie zuschulden kommen lassen. Zurechtweisungen haben sie stets widerspruchslos hingenommen und versucht, durch ihr Verhalten die Forderungen der Schule zu erfüllen.

Ihren Lehrern gegenüber haben sie stets Vertrauen und die ihnen gebührende Achtung entgegengebracht.

Vorschläge für den deutschen Aufsatz der Reifeprüfung 1941

1.) Erscheint mir die Entscheidung der Christine Paulsen richtig? (Im Anschluß an Helene Voigt-Diederichs Novelle „Schicksal“, deren Inhalt bekannt ist.)

2.) Kann mir die Großstadt eine Heimat sein? (Das Thema erwuchs aus erdkundlichen Betrachtungen und aus der Lektüre heimatkundlicher Dichtungen.)

3.) Gab mir meine Ausbildung in [...] Maße den Blick für die Aufgaben der Frau im Kriege?


Bewertung

A. ist ein Kind aus sehr einfachen Verhältnissen. Ihren Eltern fällt es sehr schwer, ihr eine gute Ausbildung zu ermöglichen. Wegen ihres einfachen Herkommens hat A. es im Unterricht bedeutend schwerer als ihre Mitschülerinnen; denn vieles muß sie sich erst zu eigen machen, was den meisten von Hause aus geläufig und selbstverständlich ist.

Sie ist nur mittelmäßig begabt, arbeitet aber unermüdlich und unverdrossen mit unerschütterlicher Pflichttreue und zähestem Fleiß. Charakterlich ist sie äußerst wertvoll; besonders hervorzuheben sind ihre Wahrheitsliebe und ihre große Bescheidenheit. Geradezu bewundernswert ist es, daß sie immer fröhlich ist, obwohl sie häufig hinter den wirtschaftlich besser Gestellten mit Bezug auf manche Freuden zurückstehen muß.

Im Jungmädelbund hat sie als Schaftführerin freudige Arbeit geleistet.

Lebenslauf

Ich bitte, mich Ostern 1941 zur Reifeprüfung der hauswirtschaftlichen Form zuzulassen.

Am 16. September 1922 wurde ich, Anneliese N., als Tochter des Arbeiters Sebastian N. und seiner Ehefrau, Margarete, geb. L., in Kretz b/Andernach geboren. Im Jahre 1924 verlegten wir unsere Wohnung von Kretz nach Gleuel b/ Köln, weil hier Vater eine bessere Arbeitsmöglichkeit geboten wurde. Ostern 1929 wurde ich in die Volksschule zu Gleuel aufgenommen. Diese Schule besuchte ich bis zum fünften Schuljahr. Dann kam ich Ostern 1934 nach Opladen zur Marienschule, mit der ein Internat verbunden war. Das Zusammenleben mit so vielen Mädels gehört noch heute zu meinen schönsten Erinnerungen. Trotzdem erwartete ich immer mit großer Freude die Ferien, die mich dann , wenn auch nur für kurze Zeit wieder ins Elternhaus führten. Ostern 1938 erhielt ich in Opladen das Schlußzeugnis für die Mittelstufe. Von da an besuchte ich die Oberschule für Mädchen, hauswirtschaftliche Form, in Köln-Lindenthal. Ich wählte diese Form, weil sie mir besonders zusagte wegen der Ausbildung in den hauswirtschaftlichen Fächern. Daneben verlangt sie drei Praktika, je eins im Säuglingsheim, Kindergarten und Haushalt. Das erste Praktikum führte mich in das Krankenhaus Hohenlind. Ich war bei den 1-1 ½ jährigen kranken Säuglingen. Wenn auch der Dienst anstrengend war, so machte mir diese Arbeit in der Säuglingspflege besonders viele Freude. Im folgenden Jahr war ich im Kindergarten Köln-Sülz Euskirchenerstr. tätig. Mein hauswirtschaftliches Praktikum sollte mich in einen geordneten, gut geleiteten Haushalt führen. Ich leistete es in einer Arztfamilie ab.

Als Prüfungsfach habe ich mir Erdkunde gewählt. Meine Interessen für Erdkunde wurden durch die vielen Spaziergänge, die wir täglich in Opladen unternahmen, schon frühzeitig geweckt. Im vorigen Jahr, in den Sommerferien, unternahmen meine Freundin und ich eine Radtour durch die Eifel und den Hunsrück. Es war eine wunderschöne Fahrt, die ich nie vergessen werde. Ich gewann einen großen Einblick in die Landschaft und in das Leben der Menschen. In der Freizeit beschäftigte ich mich sehr gerne mit Handarbeit und Werkarbeit. Ferner lese ich auch gerne Bücher, besonders die mit erdkundlichem Inhalt.

Seit Ostern 1935 behöre ich dem J.M.B. an und seit 1938 bin ich als Schaftführerin tätig.

In diesem Kriegsjahr war ich vier Wochen in der Erntehilfe in Kreuzberg (Ahr). Trotz vieler Arbeit waren es sehr schöne Wochen.

Ich bitte, mich in Erdkunde und Nadelarbeit zu prüfen. Nach dem Arbeitsdienst möchte ich Fürsorgerin werden.