KAS (Köln)

Vorschläge für den deutschen Aufsatz der Reifeprüfung 1932

1.) Weshalb kann ich trotz Ung[.?.] der Verhältnisse aufrechten Hauptes der Zukunft entgegenschreiten?

2.) Die Blinden von Kagoll (Robert Neumann). Die Novelle ist zu lesen und zu besprechen. (Reclam 7013)

3.) Folgende Gedichte sollen auf ihren Gehalt und ihre Art geprüft werden:
An den Mond (Goethe), Sehnsucht (Eichendorff), Der Pavillon (Rilke), Im Frühjahr (Th. Däubler).

4.) Aus meinen Reisen (Wanderungen): Eine Landschaft oder eine Stadt mit Bauten, Plätzen u. vergl.


Beurteilung

B., Erna

Ihrer großen und schweren Gestalt fehlt etwas die Grazie, die sie bei anderen sieht und die sie gerne auch in ihrem Wesen besitzen möchte. Das erreicht sie bis zu einem gewissen Grad durch Tanz und Sport. In ihren Gesichtszügen und ihrem Auge prägt sich ein tatkräftig zupackender Wille deutlich aus, der sie manchmal allzu hartnäckig an einer Meinung festhalten läßt. Diese Energie ist ihre starke Seite. Sie faßt alles mit Eifer an und setzt sich für eine Aufgabe mit Wärme und ganzer Hingabe ein. Dabei wird sie von einem sehr starken Verantwortungsgefühl getragen, das sich in der Fürsorge für eine Gemeinschaft äußert. Es hilft ihr die Fähigkeit zu organisieren und zu leiten. (Sie leitete mehrfach vieltätige Wanderungen ihrer Klasse ganz selbständig) Seit mehreren Jahren Klassenvertreterin, genießt sie in besonderem Maße das Vertrauen ihrer Lehrer und Mitschülerinnen.

Sie besitzt in gewissem Grad die Gabe der freien Rede, muß aber mit sich ringen und kann im Urteil wie in der Form irren.

Lebenslauf

Ich wurde am 25. September 1912 in Wettingen in der Schweiz geboren. Während des Krieges zogen meine Eltern nach Deutschland und zwar nach Knapsack bei Köln. Im letzten Kriegsjahr 1918 kam ich in die katholische Volksschule in Knapsack. Die Schulverhältnisse waren damals in jeder Beziehung denkbar schlecht. Unsere Schulstunden wurden in Holzbaracken abgehalten. Die Lehrkräfte wechselten dauernd und die Folge war, daß wir sehr wenig lernten. Die äußeren Verhältnisse blieben, solange ich zur Volksschule ging, unverändert; hingegen besserten sich die inneren Verhältnisse. 1920 wurde eine neue evangelische Volksschule eingerichtet, und wir erhielten nun einen geregelten und guten Schulunterricht. Diese beiden Volksschuljahre von 1920-22 bildeten für mich die Grundlage zur Weiterbildung in der höheren Schule.

Ostern 1922 kam ich in die 7. Klasse der Kaiserin-Augusta-Schule in Köln. Das Arbeiten fiel mir trotz des großen Umschwungs sehr leicht. Der Schulweg war damals für uns 9 jährige Kinder sehr beschwerlich. Wir mußten jahrelang schon um 6 Uhr morgens fahren und waren oft gezwungen, 2 Stunden, jeglicher Witterung preisgegeben, auf der Umsteigestation auf Anschluß zu warten. Erst allmählich besserten sich die mißlichen Zustände, und wir brauchten nicht mehr den ganzen Morgen durchnäßt in der Schule zu sitzen und kamen nicht mehr Tag für Tag erst um 4 ½ Uhr nachmittags nach Hause.

Ostern 1926 ging ich zur Studienanstalt der Kaiserin-Augusta-Schule über. Mein größtes Interesse galt schon von Kind an der Deutsch- und Religionsstunde. Ich habe immer viel gelesen und dann vor allen Dingen das Gelesene sehr gerne wiedererzählt. In den Oberklassen konnte ich mich am besten in die Werke vertiefen, in denen es sich um das Schicksal eines einzelnen Menschen handelte. Aus diesem Grunde habe ich immer die Schicksalsdramen Schillers den Werken Goethes vorgezogen. Charakterisierung einzelner Gestalten war von jeher mein Lieblingsthema bei deutschen Aufsätzen.

In den letzten beiden Jahren habe ich an der Arbeitsgemeinschaft für Kunstbetrachtung teilgenommen.

Der für die Oberprima bestimmte Stoff in Religion interessiert mich sehr, und ich nehme deshalb Religion als Wahlfach.

Außer den pflichtmäßigen Arbeiten wünsche ich eine Arbeit in Englisch zu schreiben.

Meiner Neigung entsprechend möchte ich gerne Jugendrichterin werden.

Ich bitte, mein Religionsbekenntnis auf dem Zeugnis zu vermerken.