KAS (Köln)

Abiturjahrgang 1941 (Sprachen)

Die meisten Schülerinnen der Klasse 8 spr. des Abiturjahrgangs 1941 kamen vom Lyzeum der evangelischen Gemeinde Antoniterstraße! Auch die wenigen übrigen hatten zuvor eine andere Schule besucht!

Gesamtbeurteilung der Klasse 8 (Sprachen) 1941

Gesamtcharakteristik der Klasse 8 spr.

Nach längerem „Sturm und Drang“ ist im letzten Jahr das charakterliche Streben der ganzen Klasse „sehr erfreulich“ geworden. Bei ihrem lebhaften und eigenwilligen Temperament hatten der Schulübergang und beständiger Lehrerwechsel den Mädchen viel Schwierigkeiten gemacht. Aber ohne Ausnahme haben sie sich jetzt zu verantwortungsbewußter Haltung und froher Arbeit gefunden, eine besondere Leistung, da sie seit den Sommerferien durch die Erkrankung ihrer Klassenlehrerin stark auf sich selbst angewiesen waren.

Im Unterricht machte es sich fühlbar, daß fast alle Mädchen aus Familien kommen, denen sie geistig mannigfache Anregungen verdanken. Eine ganze Reihe der Schülerinnen ist gut begabt. Wenn die Leistungen noch in der 7. Klasse z. T. dieser Begabung nicht entsprachen, so lag das an dem großen Eifer, mit dem sich sehr viele der Jungmädelarbeit widmeten, die meisten jahrelang als Führerinnen.

Im letzten Jahre erkannten alle Mädels, daß es verpflichtend ist, 8. Klasse einer sprachlichen Oberschule zu sein, und setzten sich nun hier ganz ein.

So wurde aus stark ihren Neigungen nachgehenden Mädchen eine Klasse, die mit Freude und bewußt das Wissen und die Anregungen, die ihr die Schule gab, aufnahm. Musikalisch und sportlich leistete die Klasse Gutes. In der Gestaltung von Feierstunden in Schul- und Klassengemeinschaft leisteten die Mädchen besonders Schönes.

Vorschläge für den deutschen Aufsatz der Reifeprüfung 1941

1.) Die Lebensforderung Zucht u. Freiheit.

2.) Die Bedeutung des Urlaubs für die seelische Entwicklung des Fähnrichs Klinghart. (Zillich: Der Urlaub.)

3.) Die Welt Caspar David Friedrichs nach einer Reihe seiner Bilder.

4.) Die junge Agnes Miegel nach den beiden Skizzen: „Herbstfahrt“ u. „Mein Rhein“.

 

Bemerkungen:

Die Texte sind der Klasse unbekannt.

zu 2.) 3.) 4.):

jeder Schülerin wird 1 Textband (bezw. Bildband) zur Verfügung gestellt. Der Beginn der eigentlichen Arbeitszeit bekommen die Mädchen 1 ½ Stdn., um sich einzulesen (in die Bilder sich hineinzufinden).

2.) H. Zillich, Der Urlaub (Kleine Bücherei, Langen-Müller, München).

3.) C. D. Friedrich (Sammlung: Der Eiserne Hammer, Langewiesche, Königstein u. Leipzig).

4.) A. Miegel; Unter hellem Himmel. (Deutsche Reihe, Diederichs, Jena.)

„Der Urlaub“ wird einmal vorgelesen.


Beurteilung

Starker Einsatz bei der Jungmädelarbeit und langes Fehlen in diesem Sommer beeinträchtigten Elisabeths Leistungen in der Schule. Jetzt sind die Lücken durch zielbewußten Einsatz ausgeglichen. E. scheint gut geeignet für die beabsichtigte Arbeit als Verwalterin in den Kolonien.

Lebenslauf

Am 19. Mai 1923 wurde ich als Tochter des Polizeirats Johannes K. und seiner Ehefrau Käthe, geb. D., in Breslau geboren. Im Herbst des gleichen Jahres wurde mein Vater nach Altona versetzt. Diese Zeit war schwer für die Eltern. Sie verloren durch die Inflation den größten Teil ihres Vermögens, und das Gehalt meines Vaters war wenig wert. An die Zeit in Altona kann ich mich nicht mehr erinnern.

Im März 1927 kamen wir durch die Versetzung meines Vaters nach Köln. Der erste Eindruck, den ich aus dieser Zeit habe, ist der vom Dom, zu dem es mich immer wieder hinzog.

Weil meine Geschwister schon zur Schule gingen und meine Mutter den Haushalt allein besorgen mußte, war ich vormittags manchmal mir selbst überlassen. Aber obwohl ich keine Freundin hatte, habe ich mich nie einsam gefühlt. Eine Puppe, Zinnsoldaten, Holzklötzchen konnten mich stundenlang beschäftigen. Es waren für mich keine leblosen Dinge. Eifrig habe ich meine Puppenkinder gepflegt, wenn sie „krank" waren. Aber viel mehr Spaß machte es mir, wenn sie gesund waren und ich mit ihnen herumtollen und spazierenfahren konnte.

Immer war Mutter für uns Kinder da. Sie ging so oft wie eben möglich mit mir im Grüngürtel und im Stadtwald spazieren. Mit all meinen kleinen Sorgen konnte ich zu ihr kommen, ohne jemals ungeduldig abgewiesen zu werden. Manchmal durfte ich ihr helfen. Sie gab mir kleine Ämter, die ich mit großem Eifer ausführte. Wie glücklich war ich, wenn Mutter mich lobte!

Bald nahm mich mein Vater auf weiten Spaziergängen mit. Durch diese Wanderungen habe ich viel gewonnen. Mein Vater wurde mein liebster Freund, mit dem ich über alles reden konnte. Er tat meine Fragen nie mit einem einfachen: „Das verstehst Du doch nicht!" ab, sondern versuchte, mir alles in einfacher Weise zu erklären. Meine Liebe zur Natur und zu allem Lebendigen wurde durch ihn geweckt. Jede Blume, jedes Tier hätte ich am liebsten mitgenommen.

Viel Freude habe ich an den Märchen gehabt, die meine Mutter mir so lange erzählen oder vorlesen mußte, bis ich sie auswendig kannte, und auch dann noch wollte ich sie immer wieder hören.

Mit fünf Jahren kam ich in den Kindergarten. Der Umgang mit so vielen fremden Kindern fiel mir zuerst schwer, aber bald machte es mir Freude.

Die Eingewöhnung in die Schule, in die ich Ostern 1929 kam, war leicht. Drei Jahre lang hatten wir eine junge, feine und verständnisvolle Lehrerin, an der ich sehr hing. Sie verstand es, unsere Freude an der Schule zu wecken. Das Lernen fiel mir leicht, und ich kam gut mit. 1930 wurde ich schwer krank und versäumte die Schule von Ostern bis zum Herbst, aber bald hatte ich alles nachgeholt.

1933 kam ich in das Lyzeum und Studienanstalt, Antoniterstraße. Die erste Zeit fühlte ich mich fremd in der neuen Umgebung, denn die Mädel, die aus meiner früheren Klasse mit herübergekommen waren, mochte ich alle nicht leiden.

In demselben Jahr trat ich in den Jungmädelbund ein. Der Dienst machte mir viel Freude, obwohl wir zuerst dauernd andere Führerinnen bekamen und die Heimnachmittage meist nur aus Spielen bestanden. 1934 bekamen wir eine Führerin, die uns zu führen verstand und mir Kameradin wurde. Obwohl wir unsere persönlichen Beziehungen zueinander im Dienst zurückstellten, merkten die anderen Mädel bald unsere Kameradschaft und beneideten mich darum. Wir hatten beide viel unter den Sticheleien der anderen zu leiden, aber wir hielten zusammen. Dieser Freundschaft verdanke ich viel.

1936 wurde ich Führerin. Ich bekam zuerst eine Jungmädelgruppenkasse und dann eine Schaft in derselben Jungmädelgruppe. 1938 bekam ich die Spielschar unseres JM. Untergaues. Damit war ich in mein richtiges Arbeitsfeld gekommen, denn mit Musik habe ich mich schon lange Zeit beschäftigt. Ich fing die Arbeit mit wenigen Mädeln an, die nicht viel konnten. Langsam, unendlich langsam ging die Arbeit voran, aber sie machte mir und auch den Mädeln Freude und war Entschädigung für manches andere. Mit der Zeit haben wir es so weit gebracht, daß wir schon öffentlich bei Hausmusikabenden spielen konnten. Jetzt im Krieg ist uns eine sehr schöne Aufgabe zugefallen: das Lazarettsingen. Die Jungmädel sind mit Eifer dabei, und die Soldaten haben sich immer sehr gefreut und nach uns gefragt, wenn wir eine Zeitlang nicht kamen.

In meiner Freizeit war mir neben Sport und Musik Lesen die liebste Beschäftigung. Mein Vater hat eine große Bibliothek, die ich schon früh benutzen durfte.

Meine liebsten Fächer sind Naturwissenschaften (Biologie, Chemie, Mathematik). Chemie habe ich als Wahlfach angegeben.

Auf Reisen und Fahrten habe ich einen großen Teil Deutschlands kennengelernt. Durch eine Reise an die See ist meine Sehnsucht nach der Weite, nach fernen Ländern, wachgeworden.

Meine Berufswahl hat mich schon viele Jahre hindurch beschäftigt. Ich habe mich entschlossen, nach einem Jahr Arbeitsdienst die koloniale Frauenschule in Rendsburg zu besuchen und nach der Schulzeit als Verwalterin auf eine Farm nach Deutsch-Ost-Afrika zu gehen. Ich glaube, daß ich dort etwas leisten kann. Ich bin meinen Eltern dankbar, daß sie mir diese Ausbildung ermöglichen.

Ich bitte, mich Ostern 1941 zur Reifeprüfung zuzulassen.

Abituraufsatz

Die junge Agnes Miegel nach den beiden Skizzen „Herbstfahrt" und „Mein Rhein".

Aus den beiden Skizzen von Agnes Miegel tritt uns die Dichterin als ein junges, fein und tief veranlagter Mensch entgegen.

Im Vordergrund ihrer Erzählungen steht ihre große Naturliebe, das feine Empfinden und die innere Aufgeschlossenheit für alle Schönheiten in ihrer Umwelt. Sie ist beglückt durch eine liebliche Landschaft, und das Betrachten der kleinen Stadt und ihrer naturschönen Umgebung füllt sie so aus, daß sie sogar den Rhein für eine Weile vergißt, nach dem sie sich lange gesehnt hat. Der erste Anblick des Rheins dürftig!erweckt in ihr ein „unaussprechliches Gefühl" (S. 58). Köln mit seinen Bauwerken macht ihr große Freude. Es schenkt ihr durch seine Schönheiten „hundert schönste Stunden" (S. 60).

Aber so großartig das Land, in das sie fährt, auch ist, immer wieder tritt aus den Erzählungen Agnes Miegels Liebe zu ihrer Heimat hervor. Sie ist eine Ostdeutsche, der Westen erscheint ihr wie ein Märchenland. Der Osten ist ihre Heimat mit seiner Ruhe und Einsamkeit, der Westen erscheint ihr wie ein „Bilderbuch". Köln bewundert und liebt sie als „letzte Vorburg" ihrer „Sprache am Rhein" (S. 59).

Agnes Miegel hat einen festen Zusammenhang mit ihrer Familie, deren letztes Glied sie ist. Die Sehnsucht nach dem Rhein ist schon lange in der Familie, I. sicher,vielleicht, weil ein Teil der Vorfahren vom Rhein stammt. Agnes Miegel erlebt die Reise an den Rhein für ihre Eltern mit. Die Erfüllung ihres Wunsches ist gleichzeitig eine Erfüllung A. des Wunschesfür den Wunsch ihrer Vorfahren; wo steht das?darum fühlt sie sich ihnen verpflichtet.

Der bedeutsamste und alles andere bestimmende Zug im Wesen der jungen Agnes Miegel ist die Gefühlsstärke, mit der sie sich fein und verständnisvoll in ihre Umwelt einfühlt und die Schönheiten ihrer Umgebung in sich aufnimmt. Das laute Wesen ist ihr fremd. Ruhiges, still-frohes und beglücktes Betrachten klarer: der Großen (Natur)des Großen in der Natur ist ihr eigen. Und nur durch ihre Gefühlstiefe, die mit einer guten Beobachtungsfähigkeit zusammenkommt, kann sie uns ihre Umwelt so nahebringen, daß wir sie vor uns zu sehen glauben wie ein ihren beiden Skizzen.

Charakteristische Wesenzüge sind richtig herausgefunden. Bei stärkerem Heranziehen von Belegen aus den Skizzen wäre das Bild lebendiger geworden.

So erscheint die Arbeit karg, vermutlich aus dem Bemühen der Verf. um Kürze. Nur mit aller Einschränkung

ausreichend (IV -).

Kl.-Leistung: III.

gez. E. von Blanquiet.