KAS (Köln)

Vorschläge für den deutschen Aufsatz des Sonderlehrgangs A

1.) Erinnerung an ...

2.) Wie verwirklicht Michael in Wiecherts „Hirtennovelle“ das Wort Carossas „Im engsten Kreise wag’s, dich reich zu leben“?

3.) Nicht der ist auf der Welt verwaist,
dem Vater und Mutter gestorben,
sondern wer für Herz und Geist
keine Lieb’ und kein Wissen erworben.
(Rückert)


Lebenslauf

Am 20. August 1927 wurde ich als erstes Kind des Betriebsleiters Silvius S. und seiner Gattin Elly, geborene P. in Laband, Oberschlesien geboren. Dort verlebte ich mit meiner jüngeren Schwester die für mich ganz sorgenlose Vorschulzeit. Ich war immer ein verträumtes Kind, das an lärmenden Spielen keine Freude fand. Mit Vorliebe lebte ich in der Welt der Märchen. Viele Wochen meiner frühesten Kindheit verbrachte ich bei meiner Großmutter in Gleiwitz. In dieser Zeit brannten in mir Heimweh und Sehnsucht nach der Stille und Einsamkeit der großen Waldungen meiner Heimat.

Zu Beginn meiner Schulzeit wurde mein Vater nach Troisdorf Rheinland versetzt. Dort besuchte ich vier Jahre lang die Volksschule. Ich weiß mich zu erinnern, daß in den ersten Schuljahren mich Dürers Rasenstück, das ich von einem lieben Menschen als Geschenk erhielt, stark beeindruckte. Ich versuchte in unbeholfener Kinderart immer wieder dieses kleine Rasenstück nachzubilden. Meine Eltern förderten diese Liebe zum Nachzeichnen und freien Zeichnen nach der Natur in mir so, daß zeichnen und malen zu den stillen Freuden meiner Kindheit gehören. Nur schwer schloß ich mich an Gespielinnen an. Dafür konnte ich, mich stundenlang in Bücher vertiefen. Hier lernte ich nicht nur die zauberhafte Welt der Märchen kennen, sondern ich wurde auch mit der ernsten und dunklen Seite des Lebens durch das Buch bekannt. Soziale Not und Elend der Helden meiner Bücher ließen oft mein Herz erzittern, und die Angst vor dem Leben, das vor mir lag, stand oft wie ein dunkler Schatten über meiner Seele. Aber diese Angst nahm endgültig mein Erstkommuniontag 1937, der wie ein Markstein in meinem jungen Leben steht. In der Vorbereitung zu meinem Erstkommuniontag erfuhr ich beglückend, daß Elend, Not und Tod nur Stufen sind zu einem Jenseits, das einst vollstes Glück und Seligkeit bedeuten wird.

Auch weiß ich mich aus meiner frühen Kindheit zu erinnern, daß ich mich an schöner Musik so berauschen konnte, daß die Welt um mich herum versank, daß ich alles vergaß, was Wirklichkeit war und daß ich wie in einem Traumzustand leben konnte.

Von Ostern 1938 besuchte ich das Lyzeum in Siegburg. Zunächst ging ich mit brennendem Eifer an meine Schularbeit. Aber dieser Eifer erlahmte schon bald. Manche äußere Ereignisse rückten sich in den Vordergrund meines Lebens. Tief empfand ich den Schmerz um den Verlust meiner Großmutter. Schon damals ahnte ich bang, daß Großmutters Tod Abschluß meiner Kindheit bedeuten würde. Dann begann der furchtbare Krieg. Gleich zu Anfang des Krieges wurden aus unseren Schulzimmern die Kreuze entfernt. Dieses äußere Zeichen der Mißachtung meiner höchsten Lebenswerte, die ich seit meinem Erstkommuniontag bewußt pflegte und bewahrte, erregte in mir die heftigste Opposition gegen das System des Nationalsozialismus.

In der fünften Klasse wechselte ich von der Siegburger Schule über zur Oberschule Machabäerstraße, Köln. 1944 wurde diese Schule an die Ostsee verlegt. Diese Schulverlegung bedeutete für mich eine schwere Trennung von Eltern und Geschwistern. Die herrliche Weite des Meeres und das ewige Rauschen seiner Wasser beeindruckte mein Gemüt stark. Zunächst war die Wirkung auf meine Seele derart, daß ich meinen Gefühlen zügellosen Lauf ließ und daß ich von jeder Stimmung hin- und her gerissen wurde. In dieser Zeit der inneren Unruhe bedeutete die Schule für mich einen Halt, der in mein Innenleben wieder Ordnung brachte. Die Schule gab mir Mittel und Wege an, meine krausen Gefühle und Gedanken zu sichten, zu ordnen und hinzulenken auf ein sicheres Ziel. Vor allen Dingen war es der Deutsch-Unterricht, der mir Helden zeigte, die gerungen und gesucht hatten wie ich und die Wege der Entsagung und Entbehrung zu gehen hatten, wie auch ich bereit sein mußte, sie zu gehen. Dafür danke ich der Schule von ganzem Herzen. Im Umgang mit meinen Kameradinnen lernte ich meine persönlichen Wünsche zurückzustellen und mein Wesen dem der anderen anzugleichen. In dieser Zeit des Gemeinschaftslebens wurde in mir der Wunsch wach, später selbst einmal Führerin der Jugend sein zu dürfen. Ich bin bereit, meine mir von Gott gegebenen Fähigkeiten so auf dieses Ziel auszurichten, daß ich einmal als Gewerbelehrerin jungen Menschen Freundin, Helferin und Wegbereiterin sein kann.