KAS (Köln)

Vorschläge für den deutschen Aufsatz des Sonderlehrgangs A

1.) Erinnerung an ...

2.) Wie verwirklicht Michael in Wiecherts „Hirtennovelle“ das Wort Carossas „Im engsten Kreise wag’s, dich reich zu leben“?

3.) Nicht der ist auf der Welt verwaist,
dem Vater und Mutter gestorben,
sondern wer für Herz und Geist
keine Lieb’ und kein Wissen erworben.
(Rückert)


Lebenslauf

Am 13. April 1928 wurde ich in Köln-Zollstock als Tochter des Wirtschaftstreuhänders Karl D. und seiner Gattin Maria D., geb. B. geboren. Mit zwei älteren Geschwistern wuchs ich im Elternhaus auf. Unsere frühen Kinderjahre waren durch keine Not getrübt. Als ich Ostern 1934 auf die Volksschule kam, hatte ich gerade meinen siebten Geburtstag erlebt. Wenn ich auch die Jüngste in der Klasse war, so wollte ich doch vor keinem anderen Kind zurückstehen. Ich erinnere mich gut, wie schwer es mir anfangs fiel, statt mit der linken mit der rechten Hand zu schreiben. Umso besser konnte ich zeichnen, und bald entwickelte ich in meinen „Malereien" eine Fertigkeit, die meine Lehrerin in Erstaunen versetzte. Sie ließ mich manchesmal während des Unterrichts mit bunter Kreide an der langen Wandtafel in unserer Klasse zeichnen. Damals setzte ich mir in den Kopf, später Zeichenlehrerin zu werden, und deshalb wollte ich unbedingt auf die Oberschule. Meine Eltern freuten sich sehr über meinen Eifer und meldeten mich zu Ostern 1938 auf der Kaiserin Augusta-Schule an. Ich denke gerne an die ersten fünf Oberschuljahre zurück. Wir fanden uns in einer engen Gemeinschaft zusammen, und ich lernte, nicht nur meine Schularbeiten pflichtgemäß zu erfüllen, sondern auch den rechten Gemeinschaftsgeist zu pflegen. Der Unterricht machte mir stets viel Freude, besonders die Zeichenstunde, in der ich meine Phantasie frei spielen lassen durfte.

Der Kriegsausbruch warf dunkle Schatten auf meine bisher ungetrübte Jugend. Mein Vater wurde sofort zum Heer einberufen, und damit war unser schönes Familienleben jäh gestört. Zum ersten Mal lernte ich geschäftliche und wirtschaftliche Sorgen kennen, von denen meine Mutter bedrückt wurde. Ich musste zu Hause tüchtig zupacken, und bald fand ich auch Gefallen an der Hausarbeit.

Im Juni 1941 wurde unser Haus durch Fliegerangriff schwer beschädigt. Der Aufbau war mühsam. Als 2 Jahre später unser Heim wieder zerstört wurde, fuhr meine Mutter mit unserer Jüngsten und mir nach Nördlingen, wo wir bei lieben Menschen freundliche Aufnahme fanden. Dort besuchte ich ein Jahr lang die 6-klassige Mädchenoberschule, hauswirtschaftlicher Form. Da Nördlingen nicht von feindlichen Fliegern heimgesucht wurde, konnte ich ruhig nach Herzenslust lernen. Besonders gefiel mir die Gesundheitslehre. Die neue Umgebung, so schön sie war, konnte uns die Sorge nicht nehmen um Vater und Bruder im Kriege und die Schwester in Köln.

Im Herbst 1944 ließ ich mich an der nach Nördlingen evakuierten Augsburger Maria Theresia-Schule in die siebte Klasse hauswirtschaftlicher Form aufnehmen. Die Anleitungen und praktischen Übungen in der Kinder- und Krankenpflege erweckten bald in mir den Wunsch, später Medizin zu studieren.

Als die Front heranrückte, wurde Nördlingen Lazarettstadt. Ich bemühte mich, als Krankenpflegerin einen kleinen Posten zu finden, aber man wies mich ab: ich sei zu jung.

Nach Kriegsende wartete ich voll Ungeduld auf die Rückkehr nach Köln, die uns erst möglich wurde, nachdem Vater aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt war. Leider warten wir auf meinen Bruder bis heute vergebens.

Durch diesen Druck, der auf uns liegt, kommt mir das Leben recht traurig vor; aber dann sage ich mir, daß wir junge Menschen den Kopf nicht hängen lassen dürfen. Es kommt darauf an, etwas Tüchtiges zu leisten. Das bedeutet zupacken und sich einsetzen, um trotz ungünstiger Berufsaussichten einen Platz auszufüllen. - Seitdem ich ein festes Ziel vor Augen habe, ist mir jeder Tag wertvoll. Das vorletzte Notjahr, in dem ich am Aufbau unseres Hauses helfen mußte, betrachte ich nicht für verloren, wenn es mich für mein Berufsziel auch nur wenig gefördert hat. Es war mir eine Freude, in der Zeit weitere Erfahrungen in der Haushaltsführung zu sammeln.

Als ich hörte, daß der Schulunterricht gleich nach Weihnachten 1945 wieder anfing, ruhte ich nicht länger, bis ich in meine alte Klasse springen durfte, und Ostern 1946 wurde ich in den Sonderkursus aufgenommen. Ich mußte besonders in Latein viel Versäumtes nachholen und andere Lücken aufholen.

Ich freue mich, daß mein Bemühen bis jetzt nicht vergeblich war, und ich hoffe, meine Schulbildung mit dem Abitur erfolgreich abzuschließen.

Abituraufsatz

Erinnerung an meinen Bruder.

Wenn ich in meinem kleinen Stübchen sitze, überfällt mich manchmal eine tiefe Einsamkeit. Das Lernen empfinde ich als Last, und der Gedanke, daß die Aufgaben für den nächsten Tag fertig sein müssen, legt mir einen Zwang auf, aus dem ich mich gerne befreien möchte. (Wie schön wäre es dann, wenn ich zu meinen Eltern hinunter ins Wohnzimmer gehen könnte, mit ihnen zu plaudern und der Radiomusik zu lauschen.) - In solchen Augenblicken finde ich Trost und neuen Mut durch ein kleines Büchlein, das Tagebuch meines Bruders. Ob es ihm bewusst war, als er mir nach seinem letzten Urlaub dies Kleinod zurückließ, daß er mir einen festen Halt geschenkt hat, an dem ich mich in schweren Stunden immer wieder aufzurichten vermag? Auf der ersten Seite des Tagebüchleins stehen die Worte: „Pflichterfüllung bis zum Letzten". Diese schlichten Worte, die er sich als Lebensmotto gewählt hat, rufen mir sein Bild in der Erinnerung wach: sein ernstes Gesicht mit den gutmütigen braunen Augen -, und ich höre ihn sagen: „Nimm es mit deiner Pflicht nicht so leicht, wie du es manchmal gerne möchtest. Lerne früh, dich für die ernste Arbeit zu entscheiden, dann fallen dir später deine großen und schweren Aufgaben um so leichter." - Mein Bruder hat es immer verstanden, mir die rechten Worte zu schenken, und mich auf das Gute und Schöne im Leben aufmerksam zu machen.

Wir waren...Damals waren wir beide noch Kinder, als unsere Eltern uns während der Ferien in den Frankenwald schickten.

Ich sehe meinen Bruder vor mir, wie sich plötzlich, als wir am Ziel sind, sein trüber Blick erhellt und er voll Glück die Landschaft mit den reifen Kornfeldern und den dunklen Wäldern ringsum betrachtet. Ja, hier scheint sich seine ganze Sehnsucht erfüllen zu wollen; denn die düstere Schwermut, die sein Gemüt bedrückte, ist wie weggeweht. Der Wald ist sein Paradies, wo er sich wohlfühltwohl fühlt . Frei lässt er seinen Blick zu den Wipfeln der mächtigen Baumkronen schweifen, und tief atmet er die würzige Luft ein.

Ganz unverständlich war mir damals, warum er so gerne mit den Waldarbeitern „ins Holz" ging, mit ihnen trockenes Brot aß und stumm neben ihnen saß nach getaner Arbeit, um auf die Stimmen des Waldes zu horchen. - „Weißt du", sagte er mir, „mir ist, als wäre hier meine richtige Heimat, und ich verstehe nicht, warum Großmutter damals aus ihrer Frankenheimat heraus zur Stadt gekommen ist, wo sie doch hier zu Hause und verwurzelt ist."

Ich glaube, daß mein Bruder sich in der Stadt niemals wohlgefühlt hat. Seine Wurzeln ruhen im Frankenwald, besser: wo das Leben einfacher und natürlicher ist, als in der Stadt.in der reinen Natur, wo jede Pflanze und jedes Tier natürlich und wahr sind und wo es kein eitel Machwerk und laute Reklame, wie in der Stadt, gibt. // Abschnitt._/##l:}Einmal durfte ich ihn auf einem Spaziergang in den Grüngürtel begleiten...

Schweigend gehen wir nebeneinander. Die Sonne im Westen taucht den Himmel in rote Flammenglut und {#l: A. roter Glanz liegt auf den}leuchtende Strahlen huschen über die
weißen Birkenstämmchen zu beiden Seiten unseres Weges. Ich (...)schaue etwas hoch und betrachte das ruhige Profil meines Bruders. Über seinem gebräunten Gesicht kringeln sich wirre, schwarze Locken. Seine rehbraunen Augen spähen umher, ob sich nicht ein Eichkätzchen oder ein Hase aus seinem Versteck herauswagt. Leise summt er die Melodie vor sich hin: „Alle Birken grünen in Moos und Heid..." Stille Freude scheint sein Herz zu erfüllen, und mir wird ganz wohl in seiner Nähe. Ich glaube (...)sogar , seine Freude zu verstehen; denn ich weiß, daß nur die Natur ihn glücklich macht. Wiederholung! (...) IchEin glückliches Gefühl sagt mir, daß ich meinen Bruder in diesem Augenblick wohl ganz verstehe, und ich nehme mir vor, ihn zu Hause zu verteidigen, wenn man ihn einen Einsiedler nennt und ihn wegen seiner Schweigsamkeit und seiner Zurückgezogenheit tadelt. - Dieser junge Mensch passt nicht in das Getriebe der Stadt. „Mir ist, als wäre meine richtige Heimat im Frankenwald...", höre ich ihn sagen. - Allmählich ist die Sonne im Westen untergetaucht, und nun wendet mein Bruder mir seine lieben Züge zu und ermahnt mich, seinen Garten nicht zu vergessen, wenn er bald als Soldat draußen im Felde sein wird. Nicht nur Wasser brauchen die Blumen, meint er, Gr. Direkte und indirekte Rede wechseln beständig.auch auf die liebevolle Pflege komme es an. Bei den Blumen sei es genau wie bei den Menschen. Liebe brauchen sie zur Entfaltung, und wie die Pflanze sich nur entfalten kann, wenn sie unverletzt ist, so gelangt der Mensch nur dann zur vollkommenen Entwicklung, wenn er sein Innerstes vor schlechtem Einfluss bewahrt und sein reines Herz mit Liebe füllt.

Viele Worte sprach mein Bruder nicht, als er von uns schied und ins Feld ausrücktehinausrückte , seinem ungewissen Soldatenschicksal entgegen. Ich spürte, wie schwer ihm der Abschied fiel, aber in seinen unbeweglichen (...), starren Gesichtszügen glaubte ich zu lesen: „Lerne früh, dich für die ernste Aufgabe zu entscheiden, später fällt es dir dann umso leichter."

Einmal nur kam mein Bruder auf Urlaub. Mit seinem kleinen Tagebuch schenkte er mir das ganze Geheimnis, wie er sein junges Leben geformt und gemeistert hat. „Pflichterfüllung bis zum Letzten" soll auch mein zukünftiges Motto sein. Dann vermag man die Freuden des Leben doppelt zu genießen. Groß und unaussprechlich wird die Freude sein, wenn mein Bruder einst zurückkehrt. A. Auf seine RückkehrDies hoffe ich ganz fest, und ich werde ihm danken, daß er mir geholfen hat, mein junges Leben in die richtige Bahn zu führen.

Das Bild des Bruders ist sehr einseitig gesehen. Die Verfasserin betont immer den gleichen Wesenszug; daher steigt kein geschlossenes Bild des jg. Menschen in der Arbeit auf. - Den Ausführungen fehlt ein fester, zielgebundener Aufbau. Die breite Einleitung besagt nichts zum Thema. Der sprachl. Ausdruck ist stellenweise ungelenk.

Genügend.

19.II.47. Kl.
Jahresleistung: gut.