KAS (Köln)

Vorschläge für den deutschen Aufsatz des Sonderlehrgangs B

1.) Alles, was uns begegnet, läßt Spuren zurück, alles trägt unmerklich zu unserer Bildung bei. (Goethe) (Nach eigenen Erlebnissen)

2.) Die Volksmärchen: Eine Brücke zwischen den Völkern. (Vorgelegt wird: 1.) Ein sibirisches Märchen: Das Fisch-Mädchen, 2.) ein deutsches Märchen: Die Sterntaler, 3) ein französisches Märchen: Cendrillon.

3.) Vergleich zweier Mutterbildnisse: (Christoph Amberger: Margarete Welser. Hans Thoma: Bildnis der Mutter des Künstlers)


Lebenslauf

Am 23.6.1923 wurde ich als viertes Kind des Post-Betriebswarts Leonhard S. und seiner Frau Maria, geb. B., zu Köln-Nippes geboren.

Vom 6. bis 14. Lebensjahre besuchte ich die Volksschule Köln-Riehl, Kretzerstraße, aus deren 8. Klasse ich 1937 entlassen wurde. Darauf trat ich bei der Opekta-Gesellschaft, Köln-Riehl, in die kaufmännische Lehre ein, die 1939 mit der abgelegten Kaufmannsgehilfenprüfung schloß.

Hatten unsere Verhältnisse mir als Kind den Besuch einer höheren Schule versagt, so war dennoch der Wunsch nach einer besseren Ausbildung in mir wachgeblieben, und ich suchte ihn daher jetzt zu verwirklichen, besonders, weil das doch immer abwechslungsreichere Lehrlingsleben in ein eintöniges Angestelltendasein übergegangen war. Ich konnte mir nicht denken, daß dieser langweilige, immer gleiche Alltag der Inhalt meines Lebens sein sollte. Auch bekam ich Bücher und Schriften in die Hand, die ich mit meinem Volksschulwissen nicht verstehen konnte. Ich suchte mich nun weiterzubilden und fand hierzu in der „Abendschule Fr. v. Liskowsky", Köln, Maria Ablaß Platz, Gelegenheit. Der Unterricht bereitete planmäßig auf das Abitur vor und umfaßte daher alle Fächer einer höheren Schule mit Latein und Englisch als Fremdsprachen. Ich kann nicht sagen, daß ich mich für ein Unterrichtsfach besonders interessiert habe, vielmehr nahm ich alles, was es zu lernen gab, mit demselben Eifer und derselben Lernbegier auf, da ich bereits erfahren hatte, daß für das Leben und die Ausbildung der menschlichen Persönlichkeit alles wichtig ist.

Den Abendunterricht besuchte ich 3 Jahre lang. Als wegen des Krieges der Unterricht vom Sommer 1944 an nicht mehr stattfinden konnte, hatte ich ungefähr das Pensum der 8. Klasse einer Oberschule erreicht. Soweit es die damaligen Verhältnisse zuließen, suchte ich nun mit Hilfe entsprechender Bücher und gelegentlichem Privatunterricht die bereits erworbenen Kenntnisse zu vertiefen und zu erweitern.

Als die höheren Schulen in Köln wieder eröffnet wurden, beantragte ich die Aufnahme in die 7. Klasse der Kaiserin Augusta Schule. Mein Antrag wurde genehmigt, und Ostern 46 wurde ich in den Sonderlehrgang zur Vorbereitung auf das Abitur versetzt. Dem Lehrgang verdanke ich zwar auch vertiefte und erweiterte Kenntnisse, aber mehr eine rein menschliche Bereicherung und damit die Zusammenfügung einer stückweisen Bildung zu einem einheitlicheren Ganzen.

Ich habe die Absicht, Jura zu studieren, und stelle mir eine spätere Arbeit an einem Jugendgericht oder als selbständige Rechtsanwältin vor.

Abituraufsatz

Alles was uns begegnet, läßt Spuren zurück, alles trägt innerlich zu unserer Bildung bei. (Goethe) (nach eigenen Erlebnissen)

Gliederung

A Einleitung: Die_ Bildung der menschlichen Persönlichkeit ist_ von Seelenkräften und von der_ Einwirkung der Außenwelt abhängig

B Hauptteil

I Menschen

die Gliederung ist nicht formuliert.a) Mitschülerinnen

Wiederfinden meiner selbst

Erlebnis der Gemeinschaft

b) Bekannte

Erweiterung des Gesichtskreises


II. Landschaft

Sinn für gegebene Ordnung und alles [...?..]

A Die Formung der menschlichen Persönlichkeit ist nicht nur durch die Kräfte, die in Bez.ihm liegen I._ bedingt, sondern die Einwirkung der Außenwelt trägt entscheidend zu unserer Entwicklung bei. In dem Augenblick zwar, wo uns irgendetwas begegnet, merken wir kaum etwas von einer Umformung, aber wenn wir schon ein Stück Wegs gegangen sind und dann zurückschauen, sehen wir das Erlebnis als wegweisend sich vom eintönigen Verlauf des Daseins abheben.

I a Als A.solchen Markstein in meinem Leben erkenne A.ich Menschen , die mir begegneten. Einmal waren es junge Mädchen, in deren Gemeinschaft ich mit dem Wiederbeginn der Schulen aufgenommen wurde. Ich, die ich nur unter Erwachsenen großgeworden war, im Beruf meist nur mit Männern zu tun hatte und auch in der Abendschule nur unter Männern gesessen hatte, sah mich plötzlich in eine ganz andere Welt versetzt: In die Welt des Mädchens, der Unbekümmertheit und Fröhlichkeit I_ aber auch mädchenhafter Traurigkeit und Träumerei. Hier begegnete mir etwas, was es in einer vom Zweck und Nutzen her bestimmten Welt nicht gab Satzbauund, was ich immer glaubte, totschweigen zu müssen: das Herz. Zwar war ich noch nicht vom flachen Materialismus erfaßt worden, so daß ich um materiellen Nutzen lernte und arbeitete; es ging mir von Anfang an um geistige Güter. Aber mein Leben war ein einziges zu viel Substantive!Ausnutzen von Zeit und Rechnen mit Zeit für Wissensaufhäufung geworden. Ich erkannte allmählich meinen Irrweg, ich hatte eine von Gott gegebene Kraft undankbar abgewiesen, mit deren Wirken wir erst wirklich zu leben vermögen. Meine Mitschülerinnen lehrten mich unbewußt, einmal das Leben um seiner selbst willen zu leben, ohne Absicht und Zweck I_ in Muße für Freude und Träume, wie ja auch die Blume dasteht und blüht und nicht fragt „warum"?

So, größtenteils vom Zweck und von der_ Ausnutzung bestimmt, hatte ich auch kaum Wert auf menschliche Gemeinschaft gelegt. Eine Arbeitsgemeinschaft duldete ich noch, aber freundschaftliche Beziehungen ließ ich gar nicht aufkommen. Ich hatte mich selbst auf eine Insel der Einsamkeit verbannt, von der mich erst diese Gemeinschaft junger Menschen erlösen sollte. Ich empfand es als tröstlich, wenn ich nur in ihrer Gemeinschaft war. Es bedurfte kaum eines Wortes. Nur das Bewußtsein,. hier sitzen vorurteilslose und wohlmeinde[!] Menschen, gab mir irgendwie Zuversicht und ein Gefühl der Geborgenheit. Ich ahnte langsam den Sinn und Wert einer menschlichen Gemeinschaft und erlebte I_ was Wiechert in seinem Buch „Von den_ treuen Begleitern" von ihr sagt.

Ganz andere Erkenntnisse verdanke ich der Begegnung mit einem Menschen, dessen ganzes irdisches Lebensglück durch das ganz besondere Eingreifen des Staates zerstört worden war, und zu dessen äußerem Unglück noch das innere kam, daß er jetzt ganz von der Politik beherrscht war und von deren richtiger Lenkung I, sich allein sein Heil versprach. Durch die Unterhaltungen mit diesem Menschen wurde ich in ein mir bisher vollkommen fremdes Gebiet eingeführt. So ergab sich bald die grundsätzliche Frage nach der Aufgabe des Staates überhaupt. Wir fanden bald heraus, daß seine Aufgabe doch ganz anderswo liegen muß, als ein Land in der Welt durch Krieg und Unterdrückung OEinzelner groß zu machen. eine sehr umstrittene, staatsphilos. Frage; führt vom Th. fort.Ein Staat kann doch nicht Selbstzweck, sondern nur Mittel zum Zweck sein, nämlich das Recht des Einzelnen zu wahren und, damit seine Lebensgrundlage zu sichern. Er muß es sich als Hauptaufgabe machen für die Erziehung der Bürger zu wirklichen Menschen zu sorgen. Der Ausdruck verdunkelt den SinnDiese Gespräche brachten mich eigentlich der Sorge um die irdische Wohlfahrt der Menschen als Grundlage für ihr geistiges und kulturelles Leben näher .

Fortsetzung im Entwurf.

[aus dem Entwurf:]

Aber nicht nur Menschen waren es, denen ich Erkenntnisse und weiteren Blick verdanke, sondern auch ein kurzer Aufenthalt auf einem Münsterländischen Bauernhof. Diese Menschen dort sind wohl die letzten Repräsenten[!] des natürlichen Menschen, der von der Kraft der Erde und nach den natürlichen Gesetzen lebt. Wir Städter sind ja aus dieser naturgegebenen Ordnung herausgefallen. Wir hetzen und jagen und wissen nicht I_ wonach. Wir arbeiten nachts und schlafen tagsüber und feiern in der Woche und mühen im Sonntags[!]: Dort geschieht alles nach seiner rechten Ordnung, hier ist das Leben durch ungeschriebene Gesetze, den Sitten, festgelegt. Hier wurde mir [das] der Wert der Sitten und der festgefügten Ordnung klar, deren Fehlen wohl die tiefere Ursache der AVerkommenheit der Städter ist. Von diesem Erlebnis der natürlichen Ordnung aus schöpfe noch jetzt, wenn mich die [..?..] Stadt erdrückt. Mut[?] in der Gewißheit, daß es noch irgendwo ein Fleckchen Erde gibt, die das Gewordene und Gewachsene hütet und in der Erkenntnis der Werte Sorge was noch vorhanden ist in der Familie wachzuhalten.

Der Vorzug dieses Aufsatzes liegt darin, daß die Verfasserin entscheidende Erlebnisse heraushebt, die ihre Persönlichkeit „umgebildet" haben. Der Teil I b ist am wenigsten gut geraten; welchem Ziel auch er zustrebte, zeigt der nur in C. vorhandene Abschlußsatz (S. III, 1). Die Sprache ist noch nicht frei von den Eigentümlichkeiten des kaufmännischen Stils, weist aber stellenweise eine neu gewonnene Ausdrucksfähigkeit auf. Da der Aufsatz nicht fertig abgegeben wurde, muß das Urteil auf

Genügend festgesetzt werden.

Diese Arbeit entspricht den Jahresleistungen.

22.II.47 T. Rolff