KAS (Köln)

Gesamtbeurteilung der Klasse 8b (Hauswirtschaft) 1942

Gutachten über die Klasse 8 b hw.

Die Klasse wurde Ostern 1940 fast geschlossen von der Oberschule Köln-Lindenthal zur Oberschule am Georgsplatz umgeschult. Vier Schülerinnen, die von anderen Schulen kamen, fügten sich gut in die Klassengemeinschaft ein.

Die Mädel waren zunächst sehr wenig einsatzbereit und gaben in den Leistungen wie in der Disziplin häufig Anlass zur Klage. Krankheit der Klassenlehrerin und Wechsel in der Klassenleitung, sowie wiederholter Wechsel der Fachlehrer erschwerten die erziehlichen Einwirkungen auf die Schülerinnen.

Nach der Versetzung in die 8. Klasse, die fünf Schülerinnen nicht erreicht haben, zeigte sich ein auffallender Wandel in der Haltung und dem Leistungswillen der Klasse, so dass das charakterliche und geistige Streben jetzt erfreulich ist.

Die Klasse ist nur durchschnittlich begabt; es fehlt an wirklich gut begabten Schülerinnen, die belebend und mitreissend wirken.

Mit grossem Eifer widmeten sich viele der Jungmädelarbeit. In den Ferien leisteten alle, die gesundheitlich dazu in der Lage waren, Kriegseinsatzdienst auf verschiedenen Gebieten.

Siebzehn Schülerinnen haben sich zur Reifeprüfung gemeldet.

Vorschläge für den deutschen Aufsatz der Reifeprüfung 1942

[Es ist offenbar keine Aufstellung der eingereichten Aufsatzthemen überliefert. Die beiden folgenden Aufgabenstellungen wurden den Aufsätzen direkt entnommen.]

 

1.) Gedanken über die Freiheit nach vorgelegten Textausschnitten und eigene Stellungnahme.

2.) Die Gestalt des Vaters in der Erzählung: „Mordenaars Graf“ von Hans Grimm.


Beurteilung

Gisela T. ist ein robustes Mädel mit starkem Ichbewusstsein. Sie ist noch unausgeglichen und immer ein wenig in Abwehrstellung zu ihrer Umwelt. Im Ausdruck ist sie gewandt.

Im allgemeinen begabt, beteiligt sie sich rege am Unterricht. Sie ist fleissig und pflichtbewusst.

Sie hat Freude an der Musik, und gemeinsam mit ihrem Bruder, hat sie, oft auch im grösseren Freundeskreise, viel Hausmusik getrieben.

Mit Eifer ist sie Jungmädelführerin und hat an vielen Fahrten und Lagern teilgenommen. Sie hat die Prüfung als Gesundheitsdienst-Mädel abgelegt. Im Kriegseinsatz war sie in einem kinderreichen Haushalt tätig. Nach Ableistung des RAD will sie das Volkspflegerinnen-Seminar besuchen.

Lebenslauf

Am 2. September 1924 wurde ich in Köln-Riehl als zweites Kind des Postinspektors Friedrich T. und seiner Ehefrau Anne-Marie geb. S. geboren.

Meine Kindheit verbrachte ich im Elternhause, in welchem ich mit meinem zwei Jahre älteren Bruder fröhlich aufwuchs.

Ostern 1930 kam ich in die evangelische Volksschule Köln-Riehl und 1934 wurde ich in das Lyzeum der evangelischen Gemeinde Köln, Antoniterstrasse aufgenommen, welches 1939 mit der katholischen Schwesternschule am Georgsplatz als Städtische Oberschule für Mädchen am Georgsplatz vereinigt wurde.

Als ich die 6. Klasse sprachliche Form abgeleistet hatte, wurde in der Schule neben der wissenschaftlichen die hauswirtschaftliche Form eingerichtet, und ich entschloss mich, zu dieser überzugehen, da ich sie als die geeignete Form für ein Mädel ansah. Ich bereue es nicht, diesen Zweig gewählt zu haben, da ich vor allem durch die praktische Arbeit sehr viel lernen konnte.

Aus Freude an der Musik nahm ich mit neun Jahren Klavier- und Lautenunterricht.

Mein Bruder und ich machten, oft auch im Kreise unserer Freunde, sehr viel Hausmusik; durch häufigen Konzert- und Opernhausbesuch wurden wir hierzu besonders angespornt.

Sehr viel Zeit habe ich auf die Arbeit in der Jugendbewegung verwendet.

Am 1. September 1933 trat ich in den BDM ein. Zunächst wurde ich mit der Führung einer Schaft, später mit der Führung einer J.M.-Gruppe beauftragt.

Ich habe an vielen Fahrten und Lagern teilgenommen. Nach bestandener Prüfung bin ich zum Gesundheits-Dienst-Mädel ernannt worden.

Das Bewußtsein einer großen Verantwortung ließ mich diese Arbeit gerne und gewissenhaft ausführen.

Innerhalb dieser Arbeit habe ich mich auch sportlich viel betätigt. Besonders gerne habe ich mich an Arbeitsgemeinschaften für Eislauf-Staffeln, Leichtathletik und Geräteturnen beteiligt.

Da mein Vater und mein Bruder im Felde stehen, konnte ich mich meiner alleinstehenden Mutter wegen nicht mehr so ausgiebig mit dieser Arbeit beschäftigen und ließ mich jetzt beurlauben.

Vor dem Kriege hatte ich Gelegenheit, mich mit einer Engländerin, die in Deutschland ihre Ferien verbrachte, viel zu unterhalten, und korrespondierte bis Kriegsausbruch mit ihr.

Ich möchte nun in der mündlichen Prüfung Englisch als Wahlfach nehmen.

Nach Ableistung des RAD beabsichtige ich, das Volkspflegerinnen-Seminar in Köln zu besuchen.

Ich bitte um Zulassung zur Reifeprüfung Ostern 1942.

Abituraufsatz

Gedanken über die Freiheit nach vorgelegten Textausschnitten und eigene Stellungnahme.

Gibt es überhaupt eine Freiheit?

Wenn ein Mensch sich diese Frage vorlegt, dann denkt er zunächst an den Begriff Freiheit, welchen Es gibt diesen Begriff doch!es nicht gibt und nicht geben darf, ein Handeln nach eigenem Willen, ein schrankenloses Tun und Walten. Unter Freiheit versteht dieser Mensch das Leben ohne jegliche Gesetze, und er glaubt, da es dies nicht gibt, es gäbe keine Freiheit.

Und doch gibt es eine Freiheit; die Freiheit des einzelnen, die den Menschen aus innerer Überzeugung heraus auch persönlich frei nach Gesetzen handeln läßt, wenn er diese Gesetze als notwendig ansieht, und er, angenommen als Führer einer Nation, die gleichen Gesetze aufstellen würde.

Ernst Bertram sagt: „Die Freiheit war doch noch nie ein Besitz; sie ist immer ein Tun." Das Wort wird durch die folgenden Ausführungen nicht gedeutet.Auch für ihn steht es fest, daß die Freiheit, er bezieht es vor allem auf die Freiheit des Wortes, keine aufgestellte, feststehende Theorie ist, sondern daß die unklar! Was bedeutet hier „Gefangenschaft des Herzens?"Freiheit aus dem Herzen heraus kommen muß, „die echteste Freiheit sei eine heilige Gefangenschaft des Herzens" sagt er. Es muß dem einzelnen klar sein, daß unsere Worte, unsere Redeweisen gar nicht frei sein dürfen, daß in einem Staate, im Krieg und vor der Jugend 1. Z., die Freiheit dem Grundsatz der Pflicht und Verantwortung weichen muß.

Trotzdem kann man nicht von einer Unfreiheit reden, denn Binding sagt: „Freiheit ist die freiwillige Einfügung oder Einordnung in eine höchste unter Menschen geltende Ordnung. Anders wäre Freiheit Unordnung und Anarchie 2. Z..

Deshalb ist es für ihn klar, daß man die persönliche Freiheit nicht mißbrauchen und überschreiten darf, um nicht im Leeren zu stehen und allen menschlichen hohen Gesetzen und Rechten zu entfallen. Nicht verstandenFür ihn selbst bedeutet das Vaterland gewissermaßen eine Freiheit, denn Vaterlandslieder, Dichtungen können nur von einem freien Volk verstanden werden, und für den Deutschen sind Freiheit und Vaterland untrennbar.

Wie weit ein Mensch seine Freiheit ausüben und gebrauchen darf, bestimmt seine Stellung, sein Beruf und die Fähigkeit 3. Z._ seine Freiheit irgendwie mit den Gesetzen in Übereinstimmung zu bringen.

Ein Staatsmann, von dem oft gesagt wird, daß er nach seinem Willen und nach seiner persönlichen Freiheitsauffassung handeln könne, ist meines Erachtens trotz seiner freien Handlungsweise immer gebunden. Für ihn muß immer das Wohl des Volkes maßgebend und Ziel sein, persönliche Wünsche und eine Freiheit der Gedanken werden dadurch immer gehemmt. Bei einem Staatsmann erkennt man eigentlich deutlich den Unterschied zwischen Freiheit und persönlicher Freiheit. Die Freiheit wird durch die Verantwortung bestimmt, und doch kann sie wiederum eine persönliche Freiheit sein.

Der Beruf eines Menschen, den er sich aus freiem Willen heraus auswählt, bringt für ihn doch Gesetze und bestehende Ordnungen, die er befolgen, und nach denen er handeln muß, und doch ist er persönlich frei, wennindem er pflicht- und verantwortungsbewußt aus innerer Überzeugung heraus handelt.

Ist es so, daß ein Mensch glaubt, sich alle Freiheiten nehmen zu können, dann sehen wir 4. A.an Hand verschiedener Beispiele , z. B. in der Dichtung, daß solche Menschen, die sich durch ihre Persönlichkeit einer Weltordnung entgegensetzen, meist ihren Untergang bestimmen.

In 5. Spr.Kleist's „Michael Kohlhaas" sehen wir, wie ein rechtschaffener Mann, dessen Rechtsgefühl „einer Goldwaage" gleicht, dadurch, daß er sich die Freiheit zur Selbsthilfe nimmt und zum Mörder und Brandstifter wird, diese Tat, obwohl ihm zuletzt sein Recht zugesprochen wird, mit dem Tode büßen muß.

Schiller behandelt in den „Räubern" die Freiheit der Menschen, und wie weit sie 6. A.ausgeführt werden darf. Er beweist an dem Schicksal des Karl Moor, daß sich ein Mensch nicht gegen die Gesetze der Weltordnung stellen darf, und daß er durch eine 7. A.genommene Freiheit einen Staat und eine Gemeinschaft nicht gefährden darf.

Im „Prinz von Homburg" geht es darum, ob sich_ ein Mensch und vor allem ( - )sich ein Offizier aus eigener Freiheit heraus gegen die Anordnungen des Befehlshabers stellen darf. Der Prinz von Homburg, der voller Ideale und jugendlicher Begeisterung den Sieg herbeiführen will, wird vor ein Kriegsgericht gestellt, weil der Kurfürst unbedingten Gehorsam verlangen muß, um fernerhin die Gewißheit zu haben, daß er sich auf seine Offiziere verlassen kann.

Das Beispiel ist unglücklich gewählt. Erstens stehen die Taten dieser Männer nicht im Gegensatz zu einem Befehl, und zweitens hatte der Prinz v. H. auch Erfolg.Heute, im Kriege, hören wir oft von Auszeichnungen solcher Männer, die aus eigenem Entschluss heraus ausschlaggebende Erfolge erringen. In einem solchen Falle rechtfertigt der Erfolg die Tat, und er kommt dem Volke zugute.

So sehen wir, daß es tatsächlich eine Freiheit gibt, die trotz aller Gesetze besteht und dem Menschen eine persönliche Befriedigung gibt, denn die Freiheit gehört mit zu den 8. A.lebensbestimmenden Gütern des Menschen.

Der Ausdruck ist stellenweise noch schwerfällig, und die Worte der Dichter sind nicht alle im letzten verstanden. Die Ausführungen sind aber im ganzen richtig und zeigen eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Worten der Dichter.

Befriedigend

8.3.42