DKG (Köln)

Gesamtbeurteilung der Oberprima 1951

Klassencharakteristik

Die Oberprima 1950/51 zählt 24 Schüler. Alle haben die Oberstufe erfolgreich durchlaufen. Seit dem Eintritt in die Oberstufe sind 2 Schüler mit unzureichenden Leistungen aus der Klasse ausgeschieden. Das Durchschnittsalter der Klasse beträgt 20,6 Jahre. Der älteste Schüler ist 22, der jüngste 19 Jahre. Der nicht unerhebliche Altersunterschied erklärt sich aus den Schulverhältnissen der Kriegs- und Nachkriegszeit. Mehr als die Hälfte der Klasse entstammt Beamten- und Handwerkerfamilien, 9 Schüler gehören Familien des gehobenen Mittelstandes an, darunter 7 Akademikersöhne, 2 sind Söhne von Arbeitern.

Die 24 Primaner sind zu einer Klassengemeinschaft zusammengewachsen, deren Glieder sich durch vorbildliche Haltung innerhalb und ausserhalb der Schule auszeichnen.

Die Arbeit in dieser Klasse war den Lehrern eine lohnende Aufgabe. Die überdurchschnittliche Begabung einzelner Schüler, die gute Begabung einer grösseren Zahl, der sittliche Ernst des Strebens bei allen bildete eine günstige Voraussetzung für fruchtbare geistige Arbeit. Der gute Leistungsstand lässt erkennen, dass Interessen und Neigungen auf alle Gebiete der Schulwissenschaften gleichmässig gerichtet waren. Das entschiedene Streben, die gewonnenen Kenntnisse und Einsichten philosophisch zu vertiefen, kennzeichnet diese Klasse.

Man darf daher annehmen, dass die Berufswahl der Schüler, von denen 20 ein Hochschulstudium anstreben, der ausgesprochen theoretischen Begabung der meisten entspricht.

Vorschläge für den deutschen Aufsatz der Reifeprüfung 1951

1.) Auswandern oder in der Heimat aufbauen?

2.) Wie ist die Ansicht eines zeitgenössischen Naturwissenschaftlers zu beurteilen, daß Rundfunk und Presse eine größere Gefahr für die Menschheit bedeuten als die Atombombe?

3.) Paul Ernsts Novelle „Am Weiher“ ist nach Gehalt und Form zu würdigen.


Bewertung

S., Hans-Egon

S. ist der Sohn eines unteren Polizeibeamten, der durch Krankheit und Unfall seit Jahren behindert ist. Bei guter Beanlagung hat er ein ausgesprochenes Verständnis für geistige Fragestellung. Er ist besonnen, sachlich und urteilsfähig. Sein Interesse erstreckt sich gleichmässig auf die geistes- und naturwissenschaftlichen Fächer. Seine Freizeit widmet er neben der Lektüre chemischen und biologischen Versuchen. Sein ernstes Streben hat ihm durchweg befriedigende Noten in den Schulfächern eingetragen. Das Wort dieses zurückhaltenden und stillen jungen Mannes hat bei den Mitschülern Gewicht.

Er will Medizin studieren.

Lebenslauf

Hiermit bitte ich um Zulassung zur Reifeprüfung im Ostertermin 1950.

Am 20. Juni 1930 wurde ich in Köln als Sohn des Kaufmanns Ludwig S. und seiner Ehefrau Maria geb. S. geboren. Ostern 1936 kam ich in die Grundschule zu Köln-Zollstock. Von 1940 besuchte ich bis zu meiner Versetzung nach Obertertia im Herbst 1944 ohne Unterbrechung das Dreikönigsgymnasium. Zu diesem Zeitpunkt schloß man die Schulen Kölns, da die Zahl der Luftangriffe stieg und die älteren Schüler entweder zum Militär oder zum Schanzeinsatz einberufen wurden. Auch ich mußte zwei Monate lang am Westwall schanzen. In dieser Zeit fiel unser ganzes Hab und Gut einem Fliegerangriff zum Opfer. Nach meiner Rückkehr verließen wir Köln und lebten bis zum Sommer 1945 in der Nähe Paderborns bei meinen Großeltern. Im Juli kehrten wir von dort zurück. Unsere erste Aufgabe sahen wir im Aufbau unseres Hauses. Jede freie Minute nutzten wir aus, um Schutt zu räumen und zu bauen. Mein Vater, der infolge einer Magenkrankheit schon mehrere Jahre vorher seinen Beruf hatte aufgeben müssen, schaffte nach Kräften mit und zog sich dabei eine Verletzung der Wirbelsäule zu, die ihn noch heute zwingt, ständig im Bett zu liegen. Im Spätherbst 1945 wurde die Schule wiedereröffnet. Auch hier zunächst das gewohnte Bild, Beseitigung von Schutt und Wiederaufbau. Ostern 1946 wies man mich in die Klasse Obertertia ein. Es begann wieder ein geordneter Schulbetrieb.

Meiner frühen Jugend weiß ich mich kaum zu erinnern, dagegen habe ich meine Grundschulzeit noch recht gut im Gedächtnis. In meiner freien Zeit las ich viel, wobei ich Bücher mit biologischem und botanischen Inhalt vorzog. Dies Interesse wuchs mit der Zeit, und als ich den ersten biologischen Unterricht erhielt, stellte ich bald selbst Versuche an, wenn auch erst solche einfacher Art. Später erhielt ich als Geschenk ein Buch mit Anleitungen zu schwierigeren Versuchen. Es bereitete mir viel Spaß. Diese Versuche weckten schon früh den Gedanken in mir, einen Beruf zu ergreifen, der mir ähnliche Beschäftigungen erlaubt. Aus diesen ersten Vorstellungen entwickelte sich ein immer klareres Bild meines zukünftigen Berufes. Nach den Jahren der Zerstörung ruft die Welt nach aufbauenden, schöpferischen Kräften. Jeder muß suchen, bei dem materiellen und geistigen Aufbau die Stelle einzunehmen, die er mit seinen Fähigkeiten am besten ausfüllen kann. Neben dem Wunsch, meine biologischen Kenntnisse zu erweitern und zu vertiefen, bestimmte mich dieser Gedanke, die Heilkunst als künftigen Beruf zu wählen. Denn nicht die Selbstverwirklichung des einzelnen, sondern der Nutzen der Allgemeinheit und darüber hinaus die Erfüllung des göttlichen Willens sind zunächst Ziel eines jeden Berufes. Daß aber die Stellung des Arztes auch in vorzüglicher Weise ein hohes Maß der Vollendung des Menschen gewährleistet, ergibt sich aus der Aufgabe des Arztes. Menschen mit verletztem Körper und auch mit verwundeter Seele verlangen Heilung von ihm. Um die Wunden des Körpers heilen zu können, gilt es vorab die geistig-seelischen Verletzungen zu beseitigen. Die Erkenntnis, daß eine rein rationale Diagnose bei der Behandlung eines Leidenden ohne Wissen um die Zusammenhänge zwischen Leib und Seele und um das Wesen des Geistes nicht ausreicht, scheint mir unwiderleglich. Darauf ergibt sich, daß der Arzt Helfer des ganzen Menschen sein muß. Er muß aber ebenso Helfer eines jeden Menschen ohne Unterschied sein, was Virchow wohl in seinem Ausspruch über die Medizin als „soziale Wissenschaft" meinte. Doch der Arzt muß weit über einen Helfer hinauswachsen, er muß zum Freund, zum Vertrauten des Leidenden werden. In diesem gegenseitigen Vertrauen, in dieser sittlichen Zusammenarbeit vermag die Menschlichkeit immer wieder eine überragende Verwirklichung zu finden.