DKG (Köln)

Oberprima (Gymnasium): Nachprüfung im Herbst

Zu den beiden Nachprüflingen konnten bislang weder eine Gesamtbeurteilung noch die Themen der Abituraufsätze im Fach Deutsch ermittelt werden.


Oberprimaner P., Hans

Er ist körperlich sehr gewandt und in allen Leibesübungen erfolgreich. Vorherrschend künstlerische Neigungen und schöpferische Begabung für die Malerei, in der er Beweise recht guten Könnens geliefert hat. Seine wissenschaftlichen Leistungen zeigten erhebliche Mängel in Mathematik, Geschichte und Französisch; die Ursache dieses Versagens scheint in seiner einseitigen künstlerischen Interessenrichtung zu liegen.

Das Charakterbild zeigt neben einem Grundzug naiver Gutmütigkeit und Gefühlsabhängigkeit eine geringe Willensausdauer; Pflichtleistungen ausserhalb seiner künstlerischen und sportlichen Neigungen erledigte er oft nur unter Druck.

Im Lager hat er sich gut bewährt.

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Beurteilung zur Nachprüfung im Herbst 1937:

Oberprimaner P., Hans

Ein feiner und feinfühliger Mensch, ist er körperlich sehr gewandt und in allen Leibesübungen erfolgreich. Stark ausgeprägt sind bei ihm künstlerische Neigungen und schöpferische Begabung für die Malerei, in der er Beweise recht guten Könnens geliefert hat. In seinen wissenschaftlichen Leistungen hat er sich so weit über den vorjährigen Stand erhoben, dass er nun unbedenklich zur Reifeprüfung zugelassen werden kann.

Das Charakterbild zeigt neben einem Grundzug naiver Gutmütigkeit eine starke Gefühlsabhängigkeit. Seine von Natur aus ziemlich geringe Willensausdauer hat sich, wohl unter dem Druck der Zurückweisung von der Osterreifeprüfung, ersichtlich gekräftigt und ihn zuletzt auch in denjenigen Fächern zu Erfolgen geführt, die abseits von seiner künstlerischen Interessenrichtung liegen.

Lebenslauf

Meldung des Oberprimaners Hans P. zur Reifeprüfung im Herbst 1937.

Da ich im Ostertermin 1937 nicht zur Reifeprüfung zugelassen wurde, bitte ich hierdurch um Zulassung im Herbst 1937.

Am 21. März des Kriegsjahres 1917 wurde ich als Sohn der Eheleute Hans P. und Käthe Pastor geb. F. in der alten Herzogstadt Jülich geboren. Ich wurde in der katholischen Religion getauft und erzogen. In meinem Heimatort verlebte ich auch die ersten Jahre meiner Kindheit, bis meine Eltern 1920 nach Köln übersiedelten. Hier besuchte ich von meinem sechsten bis zehnten Lebensjahre die Volksschule (Klingelpütz). Meine Lieblingsbeschäftigungen waren schon damals Zeichnen und Turnen. In der Freizeit gab es für mich nichts Schöneres, als im Grüngürtel mit Klassenkameraden Wettläufe zu veranstalten. In Sandbecken und an Umzäunungen maßen wir unsere Kräfte im Weit- und Hochsprung, wobei es nicht selten zerschundene Beine gab.

In den Ferien zog es mich dann immer wieder nach Jülich. Dort lagen damals die belgischen Besatzungstruppen, die mit ihren schrillen Signalhörnern und ihren eigenartigen Helmen uns Kindern ein wunderliches Schauspiel waren. In den Wallgräben der Zitadelle ahmten die Jülicher Jungens die Soldaten nach und schlugen sich gegenseitig mit Holzschwertern und Lanzen manchmal blutige Köpfe. Dann konnte mich, der ich dem Spiel oft zusah, keiner mehr halten, und ich mußte mit in den „Kampf" eingreifen. Nach solchen Ferienerlebnissen wurde mir die Heimreise in die Großstadt immer schwer.

Mit zehn Jahren kam ich aufs Gymnasium und wurde nun mit der Geschichte und den Sehenswürdigkeiten Kölns mehr und mehr vertraut. Es war hauptsächlich die Kunst, die mich schon früh anzog. In den Museen, die ich häufig aufsuchte, begeisterten mich damals mehr die Gemälde alter Meister als die Werke moderner Künstler, für die ich noch wenig Verständnis hatte. Aber bald erwachte und steigerte sich mein Interesse für die modernen Kunstrichtungen. Ich las viele einschlägige Bücher und beschäftigte mich eingehender mit den verschiedenen Techniken der Malerei und Plastik, bis ich mich schließlich selbst in der Oelmalerei versuchte. Ich setzte mich mit Malern und andern kunstverständigen Persönlichkeiten in Verbindung und erwarb mir so nach und nach eine gewisse Fachkenntnis. Neben kunstgeschichtlichen Darstellungen beschäftigten mich sehr die reizvollen Naturschilderungen Stifters, die zuweilen an ein wunderbar durchgearbeitetes Gemälde oder eine Zeichnung Dürers erinnern; sie vermögen die künstlerische Phantasie stark anzuregen.

Durch den Unterricht in den altsprachlichen Fächern gewann ich einen tieferen Einblick in die griechische Kunst. Ich bewunderte die ideale Schönheit ihrer Bildwerke und die erhabene Einfachheit ihrer erdverbundenen Bauwerke. In der Obersekunda beschäftigten wir uns näher mit der so grundverschieden gearteten deutschen Kunst des christlichen Mittelalters, die das Körperliche zugunsten des seelischen Ausdrucks zurücktreten läßt und der transzendenten Sehnsucht der durch das Christentum gelösten germanischen Seele eine ebenso reiche wie tiefe und edle Formsprache geliehen hat.

Dem altsprachlichen Unterricht verdanke ich aber nicht nur künstlerische Anregungen. Bei der Lektüre der griechischen Schriftsteller, besonders Platons, wurde mir die Notwendigkeit klarer Erkenntnis und Orientierung in weltanschaulichen Fragen bewußt.

Von den lateinischen Schriftstellern las ich am liebsten Livius, der die Tugenden und die Größe seines Volkes so eindrucksvoll, besonders in der ersten Dekade seines Geschichtswerkes, zu schildern versteht, und Tazitus, dem wir die ausführlichsten Nachrichten über die germanische Frühgeschichte verdanken.

Im deutschen Unterricht zog mich die altdeutsche und nordische Dichtung, aus der ich Sitte und Glauben der vorchristlichen Germanen kennenlernte, besonders an. Wolframs „Parzival" und Goethes „Faust" als Symbole des deutschen Menschen und des deutschen Schicksals brachten mir unvergeßliche Erlebnisse.

Meine Privatlektüre dehnte ich in den letzten Jahren hauptsächlich auf die Kriegs- und Soldatendichtung aus. Am Soldatenleben überhaupt hatte ich stets meine Freude. Mir imponierte von vorneherein das zackige Exerzieren und die Übungen der entstehenden SA und HJ. Ende 1932 entschloß ich mich, in die Jugendbewegung (HJ) einzutreten. Hier kam mir aber erst der tiefere Sinn der HJ zum Bewußtsein; ich sah, daß es nicht auf die Äußerlichkeiten ankam, die mich zuerst dafür gewonnen hatten, sondern in der Hauptsache auf die körperliche und charakterliche Heranbildung der Jugend durch Schulung und Sport. Durch eifriges Training härtete ich mich ab und errang denn auch manchen Sieg bei den Reichsjugendwettkämpfen. Sobald ich das achtzehnte Lebensjahr erreicht hatte, erwarb ich das Reichssportabzeichen. Bis heute ist mir neben der Malerei und Kunstgeschichte der Sport die liebste Beschäftigung neben der Schule geblieben. Ich habe vor, Sport- und Zeichenlehrer zu werden.

Als Wahlfach für die mündliche Prüfung gebe ich Kunstgeschichte an.

Auf dem Reifezeugnis bitte ich, mein Religionsbekenntnis anzugeben.