DKG (Köln)

Vorschläge für den deutschen Aufsatz der Reifeprüfung 1941

1.) Bildung verpflichtet und Bildung macht frei.

2.) Durch welche Mittel lassen sich die sozialen Unterschiede und Gegensätze in der Volksgemeinschaft mildern?

3.) Organisation und Betrieb eines heutigen Zeitungsverlages (dargestellt auf Grund einer Besichtigung des Westdeutschen Beobachters).


Beurteilung

Schüler D., Otto.

D. gehörte während der ganzen Schulzeit zu den besten Schülern der Klasse. Diesen Erfolg verdankt er neben seiner guten, sich auf alle Gebiete erstreckenden Begabung seiner unentwegten Gewissenhaftigkeit und seinem beharrlichen Fleiß sowohl in der häuslichen Arbeit wie auch in der Beteiligung am Unterricht. Namentlich bei philosophischen und weltanschaulichen Fragen zeigte er eine erfreuliche Mitarbeit.

In der Freizeit suchte er Erholung in der Natur, der Arbeit im Garten und in der Landwirtschaft, eine Neigung, die ihm wohl von den bäuerlichen Vorfahren überkommen ist. In dieser Naturverbundenheit ist wohl seine ganze natürliche, ungekünstelte Art begründet, die ihn auch trotz allen Strebens vor einem ungesunden Strebertum bewahrte und ihn zu seinen Lehrern und seinen Mitschülern in gleicher Weise das beste Verhältnis finden ließ.

In der H.J. betätigte er sich seit Ende 1935, seit Mai 1940 als Kameradschaftsführer.

Lebenslauf

Den Herrn Direktor des Staatlichen Dreikönigsgymnasiums bitte ich um Zulassung zur Reifeprüfung Ostern 1941.

Geboren wurde ich, Otto Karl Dörpinghaus, am 2.11.1922 zu Köln-Ehrenfeld als Sohn des Oberpostschaffners Otto D.. Nach vierjährigem Besuch der Volksschule in Köln-Riehl von 1929 bis 1933 trat ich Ostern 1933 in das Staatliche Dreikönigsgymnasium in Köln ein. Seit dem 15.12.1935 bin ich Mitglied der Hitler-Jugend. Am 25.7.40 wurde ich zum Kameradschaftsführer ernannt.

Wenn ich auch mit Ausnahme von zwei Jahren, die ich wegen Versetzung meines Vaters im Bergischen Land verbringen durfte, immer in Köln gewohnt habe, so fühle ich mich doch nicht recht mit Köln als Heimatort verbunden. Vertrauter erscheint mir vielmehr das Bergische Land, die Heimat meiner Eltern. Mein Vater und auch meine Mutter stammen von dort alteingesessenen Bauernfamilien ab. So zog es mich auch stets in meiner Ferienzeit in diese Landschaft hinaus, deren Reize sich mir Jahr für Jahr schöner enthüllten. Erntehilfe in der Landwirtschaft war für mich immer der schönste Sport in den Ferien, und Gartenarbeit gehörte stets zu meiner Beschäftigung in der Freizeit.

Neben der Liebe zur Natur aber verspüre ich noch eine andere Neigung in mir, die sich auf das rein geistige Gebiet erstreckt. Sie zeigt sich in meiner Freude am Sprachstudium und überhaupt an geistiger Arbeit.

Aber weder in der Natur noch in der Wissenschaft finde ich völlige Befriedigung. So ist in mir stets ein ungeheuer starkes Streben wach nach all dem, was man mit Sinnerfüllung des Lebens bezeichnen könnte. Ich fühle mich sehr empfänglich als auch leicht empfindlich für sittlich-weltanschauliche Fragen. Dadurch kommt es, daß meine Gedanken bisweilen von derartigen Fragen mehr als von allen anderen beherrscht sind. Daß durch eine solche innere Empfindlichkeit andere Dinge, die nach außen wohl wichtiger scheinen und vielleicht auch sind, in Rückstand treten, bleibt nicht aus.

Meine inneren Empfindungen führen mich zu der Erkenntnis, daß meine Lebensaufgabe auf geisteswissenschaftlichem Gebiete liegen muß. Daher werde ich mich wahrscheinlich in meiner Berufswahl für Philologie entscheiden, und zwar Altphilologie.

Wahlfach: Latein.

Ich bitte um einen Vermerk über mein religiöses Bekenntnis im Zeugnis.

Abituraufsatz

Deutsche Prüfungsarbeit.

Thema:

„Bildung verpflichtet, und Bildung macht frei."

Gliederung:

I. Bildung, ein zu starker A. etwa: heute mißachteterverrufener Begriff.

II. Wahre Bildung.

Bildung: des Körpers

des Geistes

der Seele (Herz, Gemüt).

III. Bildung, eine Verpflichtung.

IV. Bildung, ein Weg zur Freiheit.

Schluß: Zitat von Schiller.

Ausführung:

Es liegt eine gewisse Tragik darin, und alle wahrhaft gebildeten Menschen sollten es schmerzlich empfinden, daß das Wort Bildung besonders A. imbeim Volksmund einen sehr üblen Beigeschmack erhalten hat. Man mag die geistig wenig geschulten Schichten des Volkes als teilweise beschränkt ansehen. In den meisten Fällen, glaube ich, steckt doch hinter den Äußerungen, welche gleichsam aus dem Unterbewußtsein des Volkes auftauchen, ein gesundes Fühlen. Die Schuld an dieser Tatsache tragen zum großen Teil die Menschen, die sich zwar einer hohen Bildung rühmen, in Wirklichkeit aber keine Berührung mit wahrer Bildung jemals gehabt haben oder auch vor dem Ernst, den wahre Bildung erfordert, vielleicht zurückgeschreckt sind. Diese Menschen lösen durch ihr Wesen bei den Mitmenschen das Empfinden aus: „Der glaubt auch wunders, was er wär'!" Der Eindruck, den diese angeblichen Vertreter der gebildeten Schicht hinterlassen, wird dann allgemein auf alles übertragen, was mit Bildung zusammenhängt. Daraus erwächst naturgemäß die Vorstellung: „Bildung ist Einbildung." Danach wäre der gebildete Mensch lediglich eine nach außen glänzende, geschminkte Gestalt ohne jeden inneren Gehalt.

Aber wir würden unserer Sprache nicht gerecht werden und uns selbst zerschlagen, wollten wir eine solche Vorstellung von Bildung gelten lassen.

Was besagt Bildung? Bildung kann die Tätigkeit „bilden" ausdrücken, bezeichnet aber auch schon einen Abschluß dieser Tätigkeit. Da aber nach menschlichen Voraussetzungen kein befriedigender Abschluß, keine vollendete Form, erreicht werden kann, die Tätigkeit des wahren Bildens aber in gewisser Weise Vollendung anstreben muß, ergibt sich, daß der Mensch, der für sich Bildung beansprucht, in jedem Augenblick sich sagen muß: „Ich bin noch nicht das, was ich sein will", oder „hier und dort mangelt es noch". Will er also sich selbst A. gegenüber_ wahr bleiben, dann fällt jede Möglichkeit, eingebildet zu sein weg. Demnach ist Bildung letzthin Wachstum, also etwas zutiefst Natürliches. Der um Bildung bemühte Mensch lebt in beständigem Streben, innerlich reifer, reiner, wahrer, stärker, vollendeter zu werden. Somit ist sein Leben ein dauernder Kampf. Er geht über sich hinaus, weil er die Wahrheit sucht und alle egoistischen Regungen unterdrückt, welche immer die Gefahr mit sich bringen, unwahr zu werden. Dieses dauernde Streben nach Wahrheit läßt den Menschen in einem dauernden Läuterungsvorgang zur Persönlichkeit reifen.

Von diesem übergeordneten Begriff Bildung gehen nun verschiedene Bildungsrichtungen aus, besser gesagt, es münden verschiedene Bildungskräfte in diesen übergeordneten Begriff Bildung. Der Mensch ist Individuum (das in sich wieder in Körper, Geist und Seele A. enthältgeteilt ist ) und Glied der Gemeinschaft. Der nach Bildung strebende Mensch muß also schon bemüht sein, Körper, Geist und Seele zu bilden. Die Bildung des Körpers durch sportliche Übung und durch geregelte Lebensweise kommt bei dieser Betrachtung, wo es sich um sittliche Wertung handelt, nur soweit in Frage, als dadurch die Bildung des inneren Menschen (Geist, Seele) erleichtert wird. Denn schließlich erhält der Körper doch dadurch seinen Wert, daß er gleichsam Schatzkasten für Geist und Seele darstellt. Der Geist wird gebildet durch geistige Arbeit: die Denkkraft wird geschärft, die Erinnerung gestärkt. Das Ziel dieser Bildung ist nicht Bearbeitung geistiger Stoffe (Ansammlung von Wissen) Z._ sondern Verarbeitung des Wissens zu neuen Erkenntnissen, gilt es doch Schritt für Schritt der Wahrheit näher zu kommen. Aber auch das seelische Leben verlangt Beachtung, denn von hier erfolgt eigentlich die Befruchtung des Geistes. Große Taten verlangen Lust und Liebe. Lust und Liebe aber erwachsen aus dem Herzen. Daher könnte man diesen Teil der Bildung_ auch als Herzensbildung bezeichnen. Das seelische Leben erhält seine Kraft aus der Kunst, d.h. dem sinnvoll Schönen, und der Weltanschauung (Religion). Ja, für den Menschen ist eine Weltanschauung, in der er Erfüllung der Wahrheit sieht und zu der er mit der Sicherheit seines ganzen Wesens steht, eigentlich letzte Notwendigkeit. Aus diesem Streben nach Wahrheit, nach höchster Sinnerfüllung, erklärt sich erst die Bedeutung und der Ernst der Religion. Denn wenn die Religion Lebensnotwendigkeit ist, dann kann sie nicht anders als lebenspendend wirken. Ein Mensch, der um die Bildung seiner eigenen Person bestrebt ist, bedarf, glaube ich, kaum einer Schulung in gesellschaftlichem Verkehr. Gesellschaftliche Umfangsformen erwachsen ihm auf natürliche Weise aus seiner Achtung vor der Person des Mitmenschen.

Aus all dem sieht man, daß der wahrhaft gebildete Mensch seinen Lebensinhalt und sein Lebensziel in der Wahrheit findet. Bildung ist somit nicht eine gemachte Verzierung, sondern entspricht dem reinen und natürlichen Streben des Menschen.

Aus der Tatsache, daß Bildung ein organisches Wachsen, ein beständiger Kampf ist, mit dem Ziel, der Wahrheit immer näher zu kommen, ergibt sich von selbst, daß Bildung verpflichtet. Der gebildete und sich immerfort bildende Mensch hat die natürliche Pflicht (aber auch das natürliche Bestreben), alles mit dem Maßstab der Wahrheit zu messen. Um aber in allem wahr sein zu können, muß man bestrebt sein, in möglichst großem Umfange wissend zu sein, denn nur dann kann man wahr urteilen, wenn man genau unterrichtet ist. Aus dieser Verpflichtung heraus erhält das Wissen erst seinen Wert. Der gebildete Mensch wird nach universaler geistiger Bildung streben und jede Halbheit fliehen. Tat im Dienste der Wahrheit wird diesem Menschen den inneren Frieden verschaffen.

Der Mensch ist verpflichtet und dennoch frei? Wann ist er frei? Wenn er tun und lassen kann, was er will. Nun will der gebildete und sich noch immer bildende Mensch die Wahrheit. Die Wahrheit ist seine Idee, die ihn bindet und verpflichtet. Aber weil er selbst will, daß die Wahrheit gleichsam in ihm immer mehr verkörpert wird, kann er die Wahrheit nicht als Fessel empfinden. Er wird vielmehr immer mehr, je mehr das Wahrheitslicht ihn durchstrahlt, sich selbst finden. Und unfrei müßte man ihn doch dann nennen, wenn er sich selbst, seinem Wollen, zuwider handeln würde. So wird er also immer freier werden, je mehr er in die Wahrheit hineinwächst. So kann er von sich sagen: „Die Wahrheit macht mich frei."

Aus dieser Erkenntnis heraus aber versteht man, wenn Goethe! (Iphigenie)Schiller es wagte zu sagen:

„Dienend fühl' ich mich am schönsten frei."

Vf. hat seine Arbeit in klarer Durchführung auf dem Grundgedanken aufgebaut: Sich Bilden heißt nach Wahrheit streben. Bei dieser Blickrichtung bleibt wesensgemäß die Grundhaltung persönlich, individualistisch. Die Pflichten gegenüber der Gemeinschaft und dem Mitmenschen werden daher nur gestreift, wenn sie auch in dem Suchen nach Wahrheit enthalten sind. Der Ausdruck ist klar und schlicht.

Gut (+)

15.2.41

Die Klassenleistungen waren sehr gut.