DKG (Köln)

Gesamtbeurteilung des Sonderlehrgangs C

Allgemeine Beurteilung des Sonderlehrgangs (1947)

Es hat in der 500-jährigen Geschichte des alten Tricoronatums keinen Abschlussjahrgang gegeben, in dem sich die Wucht der Schicksale und das Ausmass katastrophischen Erlebnis so massiert haben wie bei den 34 jungen Männern, die nunmehr zur Reifeprüfung anstehen. Insofern ist die Situation einzigartig.

Es zeigte sich daher in Verlaufe des Jahres bei dieser so hart mitgenommenen Jugend eine moralische Reife und innere Diszipliniertheit wie nie zuvor. Nur so ist ihre bedeutsamste Leistung zu verstehen: aus der Todesnot der Schlacht, aus anfangs unmenschlicher Gefangenschaft, aus Trümmerelend und oft quälenden Hunger, aus völliger Ausweglosigkeit im Vorblick auf Zukunft und Beruf sich radikal und verbissen umzuschalten auf die intellektuelle Zucht und die kontemplative Ruhe einer schulischen Existenz. Dass diese Jungen zu einer derart revolutionären Umstellung nach all ihrem leidvollen Erleben fähig waren, das ist und bleibt ihre willensmässig, aber auch intellektuell bedeutsamste Leistung in diesem Jahre.

So war es erhebend festzustellen, mit welcher Unverzagtheit sie ihren schweren Wissenslücken zu Leibe rückten, mit welcher Aufgeschlossenheit sie sich den allgemeinen Problemen der menschlichen Existenz und philosophischen Wesenlehre zu stellen wussten.

Bei diesem geistigen Klima ermöglichte sich in fast allen Fächern eine Intensität geistigen Begegnens zwischen Lehrenden und Lernenden, eine Arbeitsgemeinschaft wahrhaft existenziellen Charakters, die oft genug den engen zeitlichen Rahmen einer Unterrichtsstunde sprengte. So erklärt es sich auch, wie aus mündlichen und schriftlichen Äusserungen der Jungen immer wieder festzustellen war, wie beglückt sie dieses erneute Erlebnis der Schule und ihre überzeitliche Idealität unmittelbar nach der Hölle des Krieges empfunden haben. Die Nichtanerkennung des Reifevermerks haben sie keineswegs beklagt, sie wurde von ihnen im Gegenteil durchaus positiv gewertet. Es gab sogar junge Leute, die im Bewusstsein ihrer Bildungslücken von sich aus ihre Bedenken gegen eine Versetzung in den Sonderlehrgang anmeldeten.

Erfreulich ist die Tatsache, mit welch einem zwingenden Optimismus diese Jungen auf ihren künftigen Beruf lossteuern – trotz aller objektiven Not um sie herum. Fast alle haben ein klar umrissenes Berufsziel, meist akademischen Charakters.

Es bleibt noch eine erstaunliche Feststellung: die Verschiedenartigkeit der Erlebnisse und die jahrelange Zerstreutheit über ganz Europa hinweg vermochten dennoch nichts an der positiv christlichen Lebens- und Denkform des Einzelnen zu ändern. Aus Erzählung und inzwischen eingereichtem Lebenslauf geht vielmehr hervor, wie sehr gerade aus ihr heraus diese Jungen das anstürmende Chaos und eine oft verzweifelte Situation durchzustehen, ja ihrer geistigen Gesamtentwicklung sinnvoll einzugliedern wussten.

Diese Bewährung ihrer christlich – humanistischen Lebens- und Denkform in Not und Tod liess die einzelnen Jungen alsbald nach ihrem Eintritt in den Sonderlehrgang zu einer lebendigen Gesinnungsgemeinschaft verwachsen, in der zu lehren eine Freude war. Es zeigte sich allgemein eine fundierte Grundsatztreue, die sich bis in den Lehr- und Lernbetrieb der Einzeldisziplinen hinein auswirkte. Mit einer äusserst sensiblen Kritik überwachten sie – vor allem in den Weltanschauungsfächern – die angetragenen und auszutragenden Probleme. Es wurde rege, aber immer wieder aus einem geschlossenen und tief gläubigen Positivismus heraus diskutiert. Dabei war auffällig, dass die Machtphilosophien und Existenzlehren der Vergangenheit – wenn sie überhaupt noch ein distanziertes Lächeln fanden – fast völlig vergessen und auch in der Diskussion kaum noch eine Rolle spielten.

Wenn nur alle Bildung wesentlich in der f o r m a l e n Einheit einer aus weltanschaulicher Fundierung heraus k r i t i s c h e n U r t e i l s k r a f t besteht, dann ist sie bei diesen jungen Männern trotz materialer Wissenslücken, die nicht verkannt werden dürfen, dennoch in ausgezeichnetem Masse vorhanden. Denn diese lebendige und kritisch-wache Geistform soll sich nicht erst, sie h a t sich bereits bewährt unter Umständen, vor denen alles bloss rationale, n u r humanistische Bildungswissen zerstoben wäre.

Dass aber diese Synthese furchtbarster Erlebnisse, klassischer Erinnerungen und positiver Gläubigkeit diesen jungen Leuten überhaupt möglich war, dass ihnen zuvor über alle materiale Wissensvermittlung hinweg eine lebendige und einwandelnde Geistform allmählich zuwuchs, das danken sie nach eigener Aussage in erster Linie der universalen und jahrelangen Bildungsarbeit ihres Religionslehrers.

Ausserhalb der Schule ist es vor allem die führende Tätigkeit in der Pfarrjugend, die diese jungen Männer Verantwortlichkeit und Selbstzucht sowie den Wert positiven Wissens zeitig schätzen liess. Viele haben sich dieser Tätigkeit auch illegal in den Jahren des Nationalsozialistischen Regimes gewidmet, so dass sie der heisse Atem des weltanschaulichen Ringens angeweht hat, der sie die freie Schule nach ihrer Rückkehr um so beglückter erleben liess.

So stehen sie heute – charakterlich mehr gerüstet als irgend eine andere Generation, weil früh bewährt und tapfer entschlossen, aber auch voll tiefer Gläubigkeit an die Welt des Geistes und der Gnade – vor einem Leben, dessen verzweifelte Not menschliches Mühen weitaus übersteigt. Und trotz allem: es ist die helle Zuversicht dieser geschundenen und darum so gereiften Jugend, dass sie ihr Leben in Frieden und christlicher Gutwilligkeit meistern wird. Und ich glaube: dieser Optimismus steckt an.

Zwar hat der Lehrgang kaum blendende Sonderleistungen aufzuweisen. Auch die intellektuelle Begabung hielt sich in durchschnittlichen Grenzen. Gegen Ende des Jahres stiegen die erzielten Leistungen naturgemäss an, je mehr die Jungen sich ein- und beizuarbeiten vermochten.

Es dürfte aber kaum einen Jahrgang geben, der mit grösserer Dankbarkeit, mit ernsterem Streben und idealerem Wollen die Schule verlassen hat.

Vorschläge für den deutschen Aufsatz des Sonderlehrgangs C

1. Vorschlag:

a) Meine Vorstellung vom neuen Menschen.
b) Goethes Faust und die christliche Vernunft.
c) Rheinisches Abendland.

2. Vorschlag:

a) Fausts Glaubensbekenntnis in christlicher Schau.
b) Einige Wesenszüge in Goethes Menschenbild.
c) Inwiefern ist Goethes Iphigenie ein klassisches Drama?

Die 3 Themen des 1. Vorschlages zur Wahl.


Beurteilung

H.T. ist 21 Jahre alt. Der Vater ist Postbeamter. An ihm atmet alles von der Schrift über die äussere Erscheinung, über Rede und Tat eine solche unanfechtbare Klarheit, dass sie das auffälligste Merkmal dieses Charakters sein dürfte. Das zeigt sich auch in der bestimmten unausweichlichen Lebensplanung, dass man fast den Eindruck kalter rechenhafter Rationalität haben könnte. Und doch gibt es im ganzen Lehrgang niemanden, der mehr Zartheit und Takt für die Dinge des Schönen und Erhabenen bekundet hätte als eben dieser Junge. Ihm steht eine solch' difficile und kultivierte Sprache zur meisterlichen Verfügung, dass die schriftstellerische Begabung unverkennbar ist. Dazu kommt eine erstaunliche Reife der Reflexion, eine Beweglichkeit im Prinzipiellen, eine Treffsicherheit des Urteils, die allesamt nur wieder jene fundierende Klarheit des Wesens illustrieren, von der anfangs die Rede war. Die hervorragenden Leistungen im Deutschen machen darum geringere Leistungen in anderen Fächern wett.

Schwer hat diesen jungen Menschen das Grauen und helle Entsetzen der Gefangenschaft mitgenommen. Aber der Widerstand letzter christlicher Existenzreserven war doch noch stärker als das alles. So will dieser tapfere und hochgeistige Junge Theologie studieren, wozu ihn die Lauterkeit seines Wesens, die unkomplizierte Gläubigkeit und eine hohe Intellektualität gleicherweise disponieren.

Leistungen: sehr gut in Deutsch, gut in Religion, Geschichte, Biologie, Physik, befriedigend in Mathematik, genügend in Latein und Griechisch.

Lebenslauf

Ich bitte um Zulassung zur Reifeprüfung im Ostertermin 1947.

Meine Vaterstadt ist Köln. Dort wurde ich am 23. Januar 1926 geboren. Die Stunde meiner Geburt war eine frohe und bange zugleich; denn während ich zum Leben erwachte schien es, als ob meine Mutter aus dem Leben scheiden würde. Doch sie genas, und ich wuchs unter ihrer liebevollen Obhut heran. Ich bin das dritte und jüngste Kind, das Gott meinen Eltern schenkte. Mein Vater Peter T. ist Postbeamter und stammt aus einer kinderreichen Familie aus Berrenrath bei Köln. Meine Mutter, Therese geb. S., ist gebürtig aus Urft, einem kleinen Dorf in der Eifel. Meine Schwester ist sechs, mein Bruder vier Jahre älter als ich.

Als ich vier Jahre alt war, zogen wir aus der Stadt in eine neue Siedlung am nördlichen Stadtrand, wo wir noch bis zum heutigen Tage wohnen. Hier erlebte ich eine frohe und glückliche Kindheit im Kreise meiner Geschwister und Gespielen. Noch gerne denke ich an diese Jahre zurück, wo ich frei und ungebunden in Feld und Garten umherstreifte und mit meinen Kameraden auf Entdeckungsfahrten ging. Wie vielfältig waren doch all die Erlebnisse und Gebräuche im Kreislauf des Jahres. In enger Verbundenheit mit der Natur erlebte ich den Wechsel der Jahreszeiten und lernte früh pflanzen und Tiere und alle Schönheit der Natur lieben. Hierzu trug aber auch mein jährlicher Ferienaufenthalt in den herrlichen Eifelbergen, der Heimat meiner Mutter, bei. Hier fühlte ich mich so recht geborgen und heimisch, so daß Urft auch mir schon bald zur zweiten Heimat wurde. (Das Haus meiner Großmutter - sie ist fast 98 Jahre alt - und die ganzen umliegenden Häuser wurden im Kriege leider fast völlig zerstört.)

Zu Ostern des Jahres 1932 kam ich zur Volksschule. Dort blieb ich bis zum 4. Schuljahr. Auf mein stetes Drängen hin entschloß sich dann mein Vater, mich aufs Gymnasium zu schicken. Es war kein leichter Entschluß, denn mein Vater war nur unterer Beamter, und meine beiden Geschwister besuchten auch noch die Schule. So trat ich dann Ostern 1936 auf meinen Wunsch hin in die Sexta des staatlichen Dreikönigsgymnasiums ein. Die ersten Jahre verliefen ohne Schwierigkeiten, doch dann bemerkte ich, daß mir die Fremdsprachen sehr schwer fielen. Mein liebstes Fach aber war und blieb Deutsch. So vergingen die Jahre und brachten frohe und schwere Stunden. Dann brach plötzlich der Krieg herein und schuf ganz neue Verhältnisse. Die Schularbeit wurde sehr gehemmt. Damals nahm ich Unterricht bei Herrn Professor Kuckhoff. (Ihn möchte ich hier besonders in Dankbarkeit erwähnen, denn er hat mir in dieser Zeit sehr viel auf meinen künftigen Lebensweg mitgegeben. Bei meiner Heimkehr aus der Gefangenschaft erfuhr ich leider von seinem plötzlichen Tod.) Zu viel Neues stürmte in diesen Kriegsjahren auf mich ein. Mein Bruder und meine älteren Kameraden, mit denen ich bisher Freud und Leid geteilt hatte, mit denen ich immer zusammen gewesen war auf Fahrt, bei Sport und Spiel, sie alle rückten nun nach und nach ins Feld. Damit war auch mein Jungenleben, das Leben der Fahrt und des gemeinsamen Suchens, vorbei. Das Feuer der katholischen Jugendbewegung, das auch trotz Verbot noch in uns brannte und das wir treu gehütet hatten, schien zu erlöschen. Die ganze Arbeit lag nun auf meinen Schultern. Doch es kamen die Briefe von allen Fronten, und ich spürte, daß ich doch nicht allein stand. Unser Kreis blieb geschlossen. Dann kam der 15. Februar 1943, und nun hieß es auch für mich von Hause Abschied nehmen. Ich wurde Luftwaffenhelfer. Unsere ganze Klasse kam geschlossen zu einer Flakbatterie. Wenn auch der Unterricht unter diesen Verhältnissen leiden mußte, so wuchsen wir hier doch alle zu einer festen Gemeinschaft zusammen, und ich möchte sagen, daß mir diese Zeit viel geschenkt hat, ja, daß sie notwendig war. Wir kamen hier - die meisten von uns zum ersten Mal - mit vielen fremden Menschen zusammen, die anderer Meinung und Gesinnung waren. Da galt es, sich zu behaupten. Hierbei halfen uns vor allem unsere Betreuungslehrer, die unseren Blick schärften und nicht nur unterrichteten, sondern darum besorgt waren, uns fähig und stark zu machen für das Leben, das uns erwartete. Doch dieses Jahr 1943 sollte für mich auch das ereignisreichste und schwerste werden. Fast in regelmäßigen Abständen erreichten mich allein in einem halben Jahr folgende Nachrichten: Hans K. in Stalingrad vermißt - Hans H. in Afrika gefallen - Mein Bruder bei Orel vermißt - Willi S. bei Orel gefallen - Hans K. bei Orel gefallen - Klaus G. in Kroatien ermordet - Werner M. in Belgien gestorben. So reihte sich Botschaft an Botschaft. Ich konnte es damals kaum fassen, daß damit mein Leben in Zukunft so ganz anders sein sollte. Dieses Jahr hat in mir tiefe Spuren hinterlassen. Doch so großes Leid es mir auch bereitete, so große Freude schenkte es mir auch: ich fand den Freund. Das Jahr 1944 brachte mir dann im März den Gestellungsbefehl zum RAD, den ich in Ostpreußen verbrachte, und im Juni die Einberufung zum Militär. Meine Ausbildung war noch nicht beendet, da rückte unsere Kompanie in den ersten Septembertagen aus zur Westfront. Nicht ganz 3 Monate lag ich hier in vorderster Linie am Feind. Manch grauenvolles Elend habe ich hier erlebt. Unsere Division wurde dann im November plötzlich abgelöst, und einige Tage später kämpften wir schon in einem Kessel bei Metz. Nach 3 furchtbaren Kampftagen geriet ich am 25. November 1944 in amerikanische Gefangenschaft. Die beiden ersten Wochen meiner Gefangenschaft waren wohl in jeder Hinsicht die schwersten meines bisherigen Lebens. Wir arbeiteten in diesen Wochen unter den unmenschlichsten Bedingungen zusammen mit Negerstrafkompanien auf deutschen und amerikanischen Heldenfriedhöfen. Dort lernte ich den Tod und auch den Menschen in seiner nackten Grausamkeit kennen. Diese Tage waren schlimmer als die Stunden vor meiner Gefangennahme, wo ich im eiskalten Schlammwasser meines Schützenloches saß und im amerikanischen Trommelfeuer den scheinbar sicheren Tod erwartete. Diese letzten Stunden an der Front, die ersten Wochen meiner Gefangenschaft und dann die langen furchtbaren Monate hinter Stacheldraht haben in mir etwas zerbrochen, das Vertrauen nämlich auf alles Irdische. Elend und arm an Leib und Seele war ich geworden. Da reifte mein schon von früher Kindheit an gehegter Wunsch zum festen Entschluß. Schon seit den Tagen, in denen ich fast alle meine Kameraden verlor, lag klar vor mir mein Weg: entweder auch im Kampfe fallen oder leben, aber nicht mehr für mich. Meine Berufswahl stand fest, wenn es mir auch immer schwer fiel, darüber zu sprechen. Drum gab es für mich, als ich im März 1946 nach 16 Monaten Gefangenschaft aus Frankreich zurückkehrte, nur einen Weg: wieder zur Schule. In den langen Monaten der Gefangenschaft war so mancher Plan entstanden für die Zeit, wo ich wieder zu Hause sein würde, aber es kam doch alles anders: Meine Schwester war schon seit über einem Jahr schwer erkrankt. Über das Schicksal meines Bruders war noch nichts bekannt. Schwer traf mich vor allem die Nachricht vom Tode meines Freundes und noch einiger Kameraden. Nun stand ich wieder völlig einsam. Und doch rief mich eine große Aufgabe. Ich durfte nicht verzagen, denn außer der Schule wartete auf mich auch noch die Jugend unserer Pfarre und ihrem Rufe durfte ich mich in dieser Zeit nicht verschließen. Ohne Rücksicht auf meine Gesundheit, die in den 16 Monaten Gefangenschaft, wo ich nur auf bloßer Erde und in Zelten geschlafen habe, stark gelitten hat, gehört ihr von den ersten Tagen meiner Heimkehr an wieder meine ganze Liebe und Kraft. Augenblicklich stehe ich als Pfarrjungscharführer in der Katholischen Jugend. Mein Wunsch ist es, einst als Priester ganz Gott und den Menschen zu dienen. Um dieses Zieles willen besuche ich seit Ostern 1946 wieder meine alte Anstalt und nehme augenblicklich an einem einjährigen Sonderkursus teil.

Abituraufsatz

Deutscher Prüfungsaufsatz.

Meine Vorstellung vom neuen Menschen.

A.) Menschen in Gefangenschaft.
B.) Der in Christus erneuerte Mensch.
C.) Der Ruf nach dem christlichen Menschen.

1945 in einem amerikanischen Gefangenenlager in Frankreich. - Wieder ist ein langer Arbeitstag zu Ende, und nun ist endlich Feierabend. Es war ein Tag wie alle Tage vorher und auch wie alle Tage, die noch folgen Zeitwerden . Aus den niedrigen Zelten dringt schwaches Kerzenlicht. 25 Menschen leben in einem solchen Zelt zusammen, Menschen aus allen Teilen Deutschlands. Nun hocken sie in Gruppen um einen baufälligen Tisch, spielen Karten, rauchen, flicken ihr Zeug, andere reißen gemeine Witze, lachen, gröhlen und pfeifen die neuesten amerikanischen Schlager. Einige haben sich auf ihrem Lager, bestehend aus etwas faulem Stroh, ausgestreckt, und versuchen zu Thema!schlafen . Ich sitze auf einem Brett und sinne vor mich hin. An einer Leine quer durchs Zelt hängt nasse Wäsche und wirft im flackernden Kerzenschein gespenstige Schatten auf die Zeltbahn. Schlafen kann ich noch nicht, und so nehme ich meinen Mantel und gehe nach draußen. Es ist schön, abends noch einen Rundgang durchs Lager zu machen. Fast alle sind in den Zelten, und so ist man endlich allein. Nach den langen Monaten, wo wir zusammengepfercht in Massenlagern lebten, sehnt man sich endlich mal nach Ruhe, denn man hat zu viele Menschen gesehen und kennengelernt. Menschen in Gefangenschaft. Draußen, da jenseits des doppelten Stacheldrahtzaunes, sind auch Menschen, stehen auf Wachtürmen oder umkreisen im Schein der Bogenlampen das Lager. Aber es sind andere Menschen, bessere - wie sie Thema!sagen -. Sind wir denn keine Menschen mehr? Weshalb verachtet man uns? Manch bittere Gedanken steigen in mir hoch. - Da klopft mir einer auf die Schulter, und ich fahre aus meinem Grübeln auf. Ich bin also doch nicht allein auf Rundreise. Es ist unser Lagerkaplan. Nun wandern wir zu zweien am Zaun entlang, wie schon so manchen Abend. Wir reden über all das, was einen {#k: prisoner of war, d.h. Kriegsgefangener}PW{##k:} interessiert und kommen schließlich auch auf die Heimat zu sprechen, auf die Zukunft unseres Thema!Volkes . Wie mag es zu Hause aussehen? Wird alles einfach laufen wie es eben läuft, oder wird man einen neuen Weg einschlagen? Wir ziehen Vergleiche zwischen hier und zu Hause und kommen zu der Überzeugung, daß die Menschen dort wohl wie?dieselben sein werden . Wenn das aber der Fall ist, so steht es nicht gut um die Zukunft unseres Volkes. Denn in unserem Lager herrscht ein erschreckend großer Tiefstand, sowohl in geistiger, sittlicher, wie vor allem auch in religiöser Beziehung. Und so ist es uns klar, Osowenig wie man das Niveau etwa unseres Lagers mit einem Male heben kann, Osowenig kann man auch ein Volk plötzlich umwandeln. Man muß von unten aufbauen und erneuern, man muß bei der Familie, ja beim einzelnen Menschen anfangen. Solange der Einzelne nicht gut ist, kann auch die Gesamtheit nicht in Ordnung sein. Jeder Mensch muß wieder eine Form, ein eigenes Gepräge besitzen. Wie aber soll dieser neue Mensch Aausschauen ? Wie er nicht sein darf, hört man ja immer wieder, darüber wird überall debattiert; aber leider bekommt man immer nur dieselben Schlagwörter zu Ged.?hören : Militarist, Kapitalist usw. Aber Vorschläge über das Wesen des neuen Menschen, der unser Volk aus dem jetzigen Tiefstand wieder emporheben könnte, gibt kaum einer, und wenn doch, dann staunt man oft über die Naivität dieser Vorschläge. Ja, man könnte schon die Hoffnung verlieren, wenn man nicht wüßte, daß es doch noch einen Weg gibt. Diesen Weg zu gehen ist unsere Aufgabe, ist unsere Pflicht. Es ist der Weg vom Menschen zum Menschen. Ein Weg, den jeder auf seine Art und in seinem Bereich gehen muß. Mir war es damals in Gefangenschaft schon klar, daß ich das, was ich im Kriege begonnen hatte, weiterführen und vollenden müsse, nämlich meine Arbeit in der Katholischen Jugend. Hier war mein Wirkungsfeld, hier konnte ich mithelfen am Neubau unseres Volkes, indem ich meinen Teil dazu ,beitrug in den noch biegsamen jungen Menschen das Bild vom Menschen zu verwirklichen, das mir das einzig richtige schien. Doch das war nur dann möglich, wenn ich eine klare Vorstellung von diesem Menschenbilde hatte und vor allem danach strebte, es in mir selbst zu verwirklichen. - Meine Vorstellung vom neuen Menschenbild aber Aist die Verwirklichung des christlichen Menschen. Drum darf man eigentlich auch nicht vom „neuen" Menschen sprechen, sondern vom „erneuerten". Und dieser in Christus erneuerte Mensch ist meiner Ansicht nach Aüberhaupt noch fähig, unser Volk vor dem völligen Untergang zu bewahren. Unser Volk braucht Christen, ganze Christen, die Ernst machen mit dem Worte Gottes, die Ernst machen mit seinen Geboten. Wir brauchen Menschen, die von der Gottes- und Nächstenliebe durchdrungen sind, die nicht ihren eigenen Nutzen suchen, sondern sich opfern für den Bruder. Denn unserer Zeit fehlt vor allem die Liebe, aber auch der Glaube und die Hoffnung. Wer aber kann unserem Volk wieder Hoffnung schenken und einen wirklichen Frieden? Ich glaube nur das Christentum. Wohin der Weg ohne das Christentum und ohne Gott führt, haben wir leider bitter erfahren müssen; er führte mit wachsender Schnelligkeit abwärts. Der neue Aufstieg aber wird langsam vor sich gehen, denn er geht von Mensch zu Mensch und nicht über die Masse. Das heißt nun nicht, daß uns die Masse gleichgültig sein soll, im Gegenteil, denn Christus hat ja gesagt: „Gehet hin in alle Welt ...". Aber eben um in die Masse Zvorzustoßen muß ein aktiver Ged.Kern da sein. Dieser Kern aber muß auch „kerngesund" sein an Leib und Seele, muß mit einer großen, tiefen Begeisterung seine Aufgabe anfassen, aus der Kraft Christi heraus. Dabei ist es gleich, ob er arm oder reich, Arbeiter oder Gelehrter, jung oder alt ist. Jeder muß seine Talente nutzen, muß damit wuchern. Die Aufgabe dieser in Christus erneuerten Menschen muß es sein, in erster Linie für das Reich Gottes zu sorgen. Man muß wieder spüren Z, das ist ein Christ. Die Zeit drängt, wir dürfen nicht lange zögern. Die Welt - nicht nur unser Volk - verlangt nach dem ganzen Christen, dem neuen Menschen in Christus. „Wie die Steuerleute nach den Winden, wie ein Sturmgepeitschter nach dem Hafen, so verlangt die Zeit nach dir, um zu Gott zu gelangen!" (Ign. v. Antiochien)


Bedauerlicherweise hat der Verf. über ein weites Stück hier das Thema völlig außer Acht gelassen. Auch was er hernach zu sagen hat, entspricht - trotz aller Prägnanz i. Ausdruck - nicht dem gewohnten Niveau. Offenbar war es eine fiebrige Erkältung, die der Verf. am vollen Krafteinsatz hinderte, obwohl es sicher gerechtfertigt gewesen wäre, die Arbeit auf einen späteren Termin zu verschieben. Jahresleistung: sehr gut.befriedigend.