DKG (Köln)

Oberprima (Realgymnasium)

Zu dieser Klasse konnten bislang weder eine Gesamtbeurteilung noch die Themen der Abituraufsätze im Fach Deutsch ermittelt werden.


Beurteilung

Oberprimaner M., Josef

Vom Real-Progymnasium in Bergisch-Gladbach, wo er noch heute wohnt, in die OII unserer Anstalt eingetreten, brauchte er zwei Jahre, um das Klassenziel zu erreichen. Naturverbunden, gefühlsbetont und schwärmerisch veranlagt, ist er ein lauterer Charakter, doch etwas weichlich und wenig abgehärtet, daher Erkältungskrankheiten leicht zugänglich. Auch macht ihm ein nervöses Magenleiden öfters zu schaffen.

Seine Begabung ist guter Durchschnitt. Seine Leistungen waren nur im Deutschen (gewandter Stil) und in Physik gut, in den Sprachen früher oft recht schwach.

Er ist sehr arbeitswillig und geht gern den Dingen auf den Grund.

Seit 1935 in der HJ, jetzt im DLV.

Am national-politischen Lager 1936 nahm er aus gesundheitlichen Gründen nicht teil. Auch von den Leibesübungen ist er seit Herbst 1936 befreit.

Lebenslauf

Hierdurch bitte ich um Zulassung zur Reifeprüfung im Ostertermin 1937.

Am 2. Mai 1917 wurde ich als Sohn des Schreinermeisters Gerhard M. in Bergisch Gladbach geboren.

Ostern 1927 wurde ich in die Sexta des Progymnasiums zu Bergisch Gladbach aufgenommen und erhielt Ostern 1933 das Reifezeugnis für die Obersekunda eines Realgymnasiums.

Während dieser Schulzeit übte der Unterricht bei dem Klassenlehrer, einem bekannten Heimatforscher, der seine Schüler mit der Geschichte, den Helden, den Sagen und den Erzählungen der bergischen Heimat über den Rahmen des täglichen Unterrichtes hinaus vertraut machte, bestimmenden Einfluß auf meine Entwicklung aus.

Bei den Schulwanderungen mit ihm wurden mir zum ersten Mal die Naturschönheiten meiner engeren und weiteren Heimat offenbar. Der Unterricht im Deutschen weckte die Liebe zur deutschen Sprache und zur deutschen Dichtung. Die erste Lektüre von Werken der deutschen Klassiker ist mir unvergeßlich geblieben. Das Heimatgefühl wurde gestärkt durch die Lektüre Stormscher Novellen, bei der immer wieder die große Heimatliebe des Dichters und seine enge Naturverbundenheit betont und zur Nacheiferung empfohlen wurden. Durch diese erste Einführung in die Schönheit der Natur und der deutschen Dichtkunst wurde mir eine bis dahin völlig unbekannte, neue Welt erschlossen.

Es kam hinzu, daß sich in meiner Heimat zahlreiche geschichtliche Ereignisse abgespielt hatten, von denen meine Großeltern und Urgroßeltern persönliche Erlebnisse zu erzählen wußten. Einzelne Begebenheiten aus den Koalitionskriegen, der Napoleonischen Herrschaft, den Freiheitskriegen und dem Jahre 1848 waren z.B. in der Familie meiner Eltern und Großeltern mündlich überliefert worden. Im Geschichtsunterricht lernte ich die Bedeutung dieser mir durch die Erzählungen im Elternhause bekannten Einzelheiten im Zusammenhang mit dem großen geschichtlichen Geschehen der damaligen Zeit verstehen. Zur bewußten Entfaltung kam diese Entwicklung, die durch den Unterricht in den mittleren Klassen begründet worden war, eigentlich aber erst während der Schulzeit in den oberen Klassen. Mit der Aufnahme in die Obersekunda des Dreikönigsgymnasiums zu Köln begann überhaupt für mich ein vollkommen neuer Lebensabschnitt.

Durch den Besuch einer großstädtischen Schule lernte ich zum ersten Mal das mir bis dahin unbekannte Leben einer Großstadt kennen und mich darauf einstellen. Die tägliche Fahrt nach Köln gewöhnte mich an den lebhaften und raschen Verkehr. Die gewissenhafte Erledigung der Schulaufgaben stellte höhere und weiter gespannte Anforderungen, als ich es in meiner bisherigen Schulzeit gewohnt war. Im Gegensatz zu dem Leben auf dem Lande und in der Kleinstadt, wo jeder den anderen persönlich kennt und in naher Verbindung mit ihm lebt, stand ich in Köln zum ersten Mal völlig allein in einer mir ganz fremden örtlichen Umgebung und unter völlig unbekannten Menschen, die ausnahmslos in mir gänzlich ungewohnten Verhältnissen lebten.

Erst im Laufe der Zeit erwuchs aus dieser ursprünglichen Fremdheit und Vereinsamung die notwendige Selbständigkeit. Diese grundlegende Wandlung war naturgemäß mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, die die Mängel meiner bisherigen Schulentwicklung schonungslos aufdeckten. Der Unterricht in den neuen Sprachen war während meiner Schulzeit im Progymnasium zu Berg. Gladbach nicht in dem Umfang und mit der Gründlichkeit betrieben worden, wie in den übrigen Lehrfächern. Den Vorsprung, den meine Klassenkameraden im Französischen und Englischen vor mir hatten, konnte ich in einem Jahr nicht aufholen, besonders da mein ungewöhnlich rasches körperliches Wachstum während dieser Zeit gesundheitliche Nachteile mit sich brachte, die meine Leistungsfähigkeit lähmten. Infolgedessen konnte ich Ostern 1934 nicht nach Unterprima versetzt werden, sondern mußte die Obersekunda wiederholen.

Ein günstiger Zufall fügte es, daß im zweiten Jahr der Obersekunda der Unterricht im Deutschen, wie am Progymnasium zu Berg. Gladbach, vom Klassenlehrer erteilt wurde. In diesem Unterricht fand ich die ersten Ansatzpunkte zu meiner Neuorientierung. Glücklicherweise unterrichtete der Klassenlehrer auch im Englischen und Französischen, und die zufriedenstellenden Leistungen im Deutschen ermutigten mich auch zur erhöhten Anspannung in den neuen Sprachen, bis ich den Stand der Klasse erreicht hatte.

Aus der Liebe zur Natur entwickelte sich außerdem eine Vorliebe für naturwissenschaftliche Fächer, insbesondere für Physik und Biologie. Begünstigt wurde diese aufsteigende Entwicklung durch einen Lehrerwechsel in der Mathematik, dessen Unterrichtsmethode es mir ebenfalls ermöglichte, vorhandene Lücken aus den mittleren Klassen auszufüllen und dadurch den Anforderungen des Unterrichts in den oberen Klassen zu genügen.

Die Freude am Unterricht wurde gesteigert durch ein persönlicheres und herzlicheres Einvernehmen mit meinen Klassenkameraden, als ich es im ersten Jahr der Obersekunda erzielen konnte. Das gemeinsame Erleben im Schulungslager hat diese Kameradschaft endgültig besiegelt; denn gerade durch das wochenlange Zusammenleben mit den Klassenkameraden im Lager habe ich die letzte Zurückhaltung überwunden. Diese Zurückhaltung beruhte darauf, als Einzelner von auswärts sich in eine Klassengemeinschaft einreihen zu müssen, deren Schüler ausnahmslos in Köln wohnten und daher nach meiner irrigen Auffassung unter sich einen starken Zusammenhalt hatten, von dem ich mich als Auswärtiger damals ausgeschlossen glaubte. Um so mehr habe ich es daher bedauert, am letzten Lagerleben meiner Klasse, im Schulungslager zu Beilstein an der Mosel, auf Grund eines schulärztlichen Verbotes nicht teilnehmen zu können. Gerade im letzten Jahr hat meine Gesundheit unter Magen- und Leberstörungen gelitten, die mich zwangen, lange Zeit ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen und wiederholt dem Unterricht fernzubleiben.

Wenn es richtig ist, dass die Landschaft die Eigenart der Menschen prägt, dann darf ich es wohl auf den Einfluß meiner heimatlichen Umgebung zurückführen, daß mir bei meiner Privatlektüre sowohl wie in der Musik nicht so sehr das Weltweite, das Schwere und Gewaltige wesensnahe ist, als vielmehr das Besinnliche, das Gemütvolle und das an den engen Umkreis der Heimat Gebundene.

Ich halte es auch nicht für einen bloßen Zufall, daß mich die Freude an der Musik eines Hausinstrumentes, der Harfenzither, die ich beherrsche, immer wieder begeistert.

Einzelschicksale der Menschen meiner Heimat haben mich stets interessiert, und ich habe verschiedene davon, teilweise auch in berg. Mundart gesammelt. Das Leben eines bergischen Vorkämpfers deutscher Freiheit aus der Zeit der Koalitionskriege, des Heldenpfarrers Johann Peter Ommerborn, habe ich deshalb auch zum Gegenstand meiner Jahresarbeit gewählt.

Bei der schriftlichen Prüfung bitte ich, mir eine französische Arbeit zuzuteilen.

Als Wahlfach für die mündliche Prüfung bezeichne ich Chemie.

Die Beschäftigung mit dem Schicksal und den Nöten der einzelnen Menschen, sowie die Erkenntnis, daß Hilfsbereitschaft zu den edelsten menschlichen Eigenschaften zählt, nicht zuletzt auch meine Vorliebe für die Natur und ihre Wissenschaft haben mich einen Beruf suchen lassen, der wenigstens in seinen Grundzügen diese Voraussetzungen enthält. Ich habe mich entschlossen, nach Erlangung des Reifezeugnisses Medizin zu studieren, um nach Beendigung meines Studiums in meiner Heimat Arzt zu werden.