DKG (Köln)

Vorschläge für den deutschen Aufsatz der Reifeprüfung 1931 (Gymnasium)

1.) Die Maschine als dienende Kraft oder als beherrschende Macht

2.) Was bedeutet Goethe mir und den Menschen meines Lebenskreises? (Als Aufgabe zum 100. Todestag am 22. März 1932 gedacht.)

3.) Was ich an Erbgut von meinen Vorfahren besitze. (Zur Einführung dient das Gedicht von Ludwig Finck: „Der Urahn“.)

4.) Sportkämpfer oder Sportplatzzuschauer? Zur Psychologie der Sportbegeisterung.


Beurteilung

Etwas eigenwillig, nicht sehr liebenswürdig, kritisch und zum Spott veranlagt. Immerhin ist bei ihm die Richtung ziemlich klar vorgezeichnet, in der er sich - und zwar zur Persönlichkeit - entwickeln wird. Besondere Vorliebe zeigt er für Geschichte und Politik, Mathematik und Naturwissenschaften, während er für die alten Sprachen, besonders das Griechische, wenig Interesse hat. „Sehr gut" in den exakten Wissenschaften, „mangelhaft" im Französischen und Griechischen - diese Gegensätze kennzeichnen die einseitige Natur. Selbst in der Mathematik tritt sie in die Erscheinung. Wenn er sich einem Gedanken verschrieben hat, kommt er, wie manche Klassenarbeiten zeigen, kaum mehr davon los - obwohl er im bewegten Fluss des mündlichen Unterrichts bei der Lösung von Aufgaben, selbst in Fächern, die ihm nicht „liegen", erfinderisch und sehr beweglich ist. Seinen Charakter kennzeichnet eine ehrenhafte Gesinnung und die Tatsache, dass er weiss, was er will.

Lebenslauf

Den Prüfungsausschuß am Staatlichen Dreikönigsgymnasium bitte ich um Zulassung zur Reifeprüfung im Ostertermin 1931.

Ich, Ludwig K., wurde am 5. Juni 1912 als Sohn des Studienrats J. K. und seiner Frau Elisabeth, geb. C., in Essen geboren. 1916 wurde mein Vater nach Köln an das Dreikönigsgymnasium versetzt. Nachdem ich vier Jahre die städtische Volksschule besucht hatte, wurde ich 1922 in die Sexta des Kaiser-Wilhelm-Gymnasiums aufgenommen. Im Jahre 1926 wechselten wir unsere Wohnung, und ich wurde Schüler des nahegelegenen Dreikönigsgymnasiums.

In den ersten Jahren meiner Gymnasialzeit, von Sexta bis Quarta fielen meine Zeugnisse zu meiner Eltern und meiner vollsten Zufriedenheit aus. In Tertia und auch noch in Sekunda habe ich eine Unmasse von Büchern wahllos verschlungen, von Karl May - Detektivromane haben mich allerdings sehr wenig gereizt - bis zu den Klassikern. Erklärlicherweise übte diese furchtbare Lesewut keinen günstigen Einfluß auf mein Zeugnis aus. Neben dem Lesen beschäftigte ich mich zu Hause auch sehr viel mit Bastelarbeiten. Mit den primitivsten Mitteln machte ich kleine physikalische und chemische Versuche, was mir später im Unterricht teilweise sehr zustatten gekommen ist.

In der Sekunda erwachte in mir ein größeres Interesse für Politik. Bald erkannte ich, daß man das Verständnis für die heutige politische Lage nur aus der Geschichte schöpfen kann, und so ging ich mit mehr Lust und Liebe an die Geschichte heran. Zur Vertiefung dessen, was ich in der Schule lernte, las ich zu Hause mehrere Bücher geschichtlichen Inhaltes.

Mein Lieblingsfach ist stets die Mathematik gewesen, sei es, weil das Gedankliche der Mathematik mich so stark anzog, sei es, weil das Erlernen der mathematischen Lehrsätze und Formeln mir keinerlei Schwierigkeiten machte, und weil, während die fremdsprachlichen Fächer eine intensivere häusliche Arbeit erforderten, sich die Lehre der Mathematik schon allein aus den Unterrichtsstunden ergab. Das will nun keineswegs heißen, daß ich zu intensiver Arbeit unfähig sei; denn ich kann ganze Nachmittage, bis in die Nacht hinein, hinter einer mathematischen Aufgabe sitzen und suchen, bis ich schließlich die Lösung gefunden habe. Dagegen ist es für mich oft fast eine Qual, einen griechischen Text zu Hause übersetzen zu müssen. Wenn ich nachmittags meine Schulaufgaben mache, so suche ich, die anderen Fächer möglichst schnell zu erledigen, damit ich zur Aufgabe für die Mathematik komme.

Wenn ich auch nicht viel Griechisch kann, so verleitet mich das dennoch nicht zur Verurteilung des griechischen Unterrichtes. Denn das wäre kindisch und bewiese eine große Urteilslosigkeit. Was mich am Griechischen reizte, das war die Philosophie. Und ich bin überzeugt, daß ich später noch einmal zum Homer, wenn auch nicht im Urtext, sondern in der Übersetzung, zurückgreifen werde.

Mein eben erwähntes Interesse für die Philosophie führte mich in der Obersekunda in eine philosophische Arbeitsgemeinschaft, die sich leider im nächsten Jahre nicht wieder zusammenfand. Jedoch bin ich jetzt wieder in einer philosophischen Arbeitsgemeinschaft. Dort wird an Hand von deutschen Dramen, Novellen und Romanen praktische Lebensphilosophie getrieben. Die Arbeitsgemeinschaft ist ganz auf die Prima zugeschnitten und hat für uns Teilnehmer einen nicht geringen Nutzen. Unter anderem wurden in dieser Arbeitsgemeinschaft auch weltanschauliche Fragen behandelt, um die wir jungen Menschen ja alle kämpfen. Aus diesem Streben nach einer festen Weltanschauung erklärt sich ohne weiteres meine Vorliebe für den Religionsunterricht.

Im Sport habe ich mich nicht viel mehr betätigt, als es der Lehrplan fordert. Internationale Sportgrößen haben auf mich äußerst wenig Eindruck gemacht. Wenn meine Klassenkameraden über Boxweltmeister oder dergl. sprachen, konnte ich nie mitreden, was ich auch heute keineswegs bedauere.

Es ist aber nicht so, als ob ich ein langweiliger Stubenhocker sei. In vielen Wanderungen habe ich die Natur und ihre Schönheit kennengelernt. 1927 führte mich eine mehrwöchige Fahrt mit dem katholischen Jugendbunde "Neudeutschland" nach Tirol, nach unserem deutschen Brudervolke. Ich war jedoch zu jung, um den vollen Gewinn von dieser Fahrt davonzutragen. Neben anderen ein- und zweitägigen Fahrten machte ich in Unterprima eine mehrwöchige Fahrt durch die Eifel, deren Land und Leute ich kennen lernte. Die Pfingstferien dieses Schuljahres sahen mich mehrere Tage im Sauerland.

Nach bestandener Reifeprüfung beabsichtige ich, mich dem Studium der Mathematik zuzuwenden. Wenn auch gerade das Studium der Philologie sehr überfüllt ist, so wird mich das dennoch nicht abhalten, den Beruf zu wählen, der mir am meisten liegt. Denn ich bin der Ansicht, daß man sich nicht allein von rein materiellen Erwägungen bei seiner Berufswahl leiten lassen soll. Ergreift man einen Beruf, der einem nicht zusagt, so wird man in ihm nur Halbes leisten können, und auf der anderen Seite wird der, der in seinem Beruf etwas leistet, auch weiterkommen.

Mein Wahlfach ist Mathematik.

Ich bitte mein Bekenntnis auf dem Reifezeugnis vermerken zu wollen.