DKG (Köln)

Oberprima (Gymnasium)

Zu dieser Klasse konnten bislang weder eine Gesamtbeurteilung noch die Themen der Abituraufsätze im Fach Deutsch ermittelt werden.


Beurteilung

Oberprimaner B., Hermann

kam nach fünfjährigem Besuch einer Ordensschule Herbst 1933 in die Obersekunda des Dreikönigsgymnasiums. Er ist körperlich gesund, gewandt und leistungsfähig, ein aufgeschlossener Mensch mit lebhaftem Bildungstrieb, rascher Auffassung und vielseitigem Wissen, besinnlich und klug, mit reifem und selbständigem Urteil.

Seine Leistungen lagen in fast allen Fächern über dem Durchschnitt, waren aber dadurch beeinträchtigt, dass er mehr nach Eingebung und Vorliebe als nach strengem Plan zu arbeiten pflegte. In der Mathematik blieb er unter den Klassenzielen.

Er ist charakterlich sehr gut geartet, von lauterer Gesinnung, kameradschaftlich und tatbereit.

In den nationalpolitischen Schulungslagern hat er sich in jeder Beziehung bewährt.

Lebenslauf

Hierdurch bitte ich um Zulassung zur Reifeprüfung im Ostertermin 1937.

Ich wurde am 27.9.1916 in Köln geboren und in der Kirche des hl. Severin getauft. Die ersten vier Jahre verlebte ich in Köln-Kalk, drei weitere in Köln-Bickendorf, das damals noch einen etwas dörflichen Charakter trug mit den weiten umliegenden Feldern, seinen alten Gutshöfen, den vielen Winkeln und Gassen und seinen kleinen, ländlichen Häusern. Ich bin froh, daß ich die Zeit, in der man die ersten Fragen an das Leben stellt und die Umwelt die ersten bleibenden Eindrücke vermittelt, in einer solchen Umgebung verleben durfte, die fortwährend die Phantasie anregt und jeden Tag neue Entdeckungen erleben läßt. Meine schönsten Kindheitserinnerungen verknüpfen sich mit dieser Zeit.

Hier begann auch meine Schulzeit. Eingeführt wurde ich in sie von einem jungen Lehrer, dessen Unterrichtsart die Schule von vorneherein nicht als eine Zwangseinrichtung erscheinen ließ, sondern mir Freude am Unterricht gab. Dieser erste Eindruck wirkte durch meine ganze Schulzeit hindurch nach. Er wurde noch vertieft, als ich mit acht Jahren nach Nippes in die Schule Gellertstraße kam, die ich bis zum zwölften Lebensjahr besuchte. Der Klassenlehrer, den ich dort vier Jahre hindurch hatte, vermittelte mir eine Wissensgrundlage, auf die ich mich heute noch stütze. Seine Art zu unterrichten forderte eine rege Beteiligung, die mir aber nie schwer fiel, weil ich sehr lebhaft war. Da er uns eine ganze Reihe von Fächern gab, konnte er den Unterricht so gestalten, daß wir uns in den wenigen Jahren eine verhältnismäßig große Allgemeinbildung aneigneten. Eine Anerkennung für seine Arbeit war es, als ein Lehrer mir noch auf Untersekunda sagte: „Sage deinem Volksschullehrer, ich kenne ihn zwar nicht, daß er dir ein sehr gutes Wissen mitgegeben hat." Ich möchte ihm, Herrn Even, obwohl er diese Zeilen wohl nie zu Gesicht bekommt, auch hier ganz besonders danken.

Ich fühlte damals schon eine besondere Neigung für Deutsch und Geschichte, während Rechnen und Raumlehre mir wenig zusagten. Jener Neigung war es wohl zuzuschreiben, daß ich von früher Jugend an sehr viel gelesen hatte. Ich las sozusagen alles, was ich irgendwie erreichen konnte. Obwohl die Lektüre nicht immer die beste war - ich las vieles ohne Wissen meiner Eltern - glaube ich heute doch urteilen zu können, daß sie mir in keiner Weise geschadet hat. Sie bereicherte mein Wissen und erweiterte und vertiefte die Allgemeinbildung, die mir der großzügige Unterricht meines Lehrers schon vermittelte. Ich wurde darüber auch nicht zum Stubenhocker. Ich war viel im Freien, und meine Eltern gestatteten das umso lieber, weil sie fürchteten, daß eine übermäßige Beschäftigung mit den Büchern mir nachteilig sein könnte; manchmal konnte mich ja selbst die schönste Spielgelegenheit nicht von einem Buch trennen. Diese Art der Erziehung, die mir viel Freiheit ließ, ohne dennoch locker oder machtlos zu sein, hatte immerhin den Fehler, daß ich mich nicht an regelmäßige Arbeit gewöhnte. Meine Schularbeiten machte ich fast nur abends, wenn ich vom Spiel kam oder mit Lesen fertig war. So konnte ich mich auch später nur schwer zu einer geregelten Zeiteinteilung zwingen.

Nach dem vierten Schuljahr trat ich in die Sexta einer Oberrealschule ein, wozu mein bisheriger Lehrer geraten hatte. Aber da mir die Schule nicht gefiel, kehrte ich schon nach einem Vierteljahr in die Volksschule zurück. Ohne mir dessen klarer bewußt zu sein, fühlte ich damals schon, daß mich die realen Fächer nicht befriedigen würden. So blieb ich noch eineinhalb Jahr in der Volksschule und kam dann durch Vermittlung von Bekannten in ein Ordensinternat nach Bonn.

Schon früh hatte ich die Neigung, Priester zu werden, und zwar Ordenspriester. Als Siebenjähriger hatte ich einmal einen Vortrag eines Missionars gehört, der mich so packte, daß es seit der Zeit mein sehnlichster Wunsch war, Missionsgeistlicher zu werden. Daß ich durch den Besuch der Oberrealschule von meinem Ziel abrückte, war auch ein Grund, weshalb ich sie gerne verließ. Um so eifriger stimmte ich jetzt der Absicht meiner Eltern zu, mich in ein Ordensinternat zu schicken, obgleich der Orden keine Auslandsmission hatte. Die Aufnahmebedingung, daß man den festen Wunsch habe, in den Orden einzutreten, konnte ich erfüllen.

Ich lebte mich rasch in die Internatsgemeinschaft ein, die ja nicht nur ein gemeinsames Berufsziel verband. Die fünf Jahre, die ich hier verbringen durfte, zähle ich mit zu den schönsten meines bisherigen Lebens. Nicht durch Drill und Aufgabe persönlichster Rechte wurde diese Gemeinschaft gebildet, sondern sie erwuchs geradezu aus der Achtung vor der Persönlichkeit des anderen. Die Bestimmungen, die das Verhalten der Schüler regelten, schienen mir anfänglich sogar die Eigenrechte des einzelnen mehr als zweckdienlich zu betonen. Heute erst erkenne ich, wie groß jener Erziehungsplan gedacht war. Der eigentümliche Wert eines solchen Internats liegt ja gerade darin, daß nicht nur durch die schulische Bildung erzogen wird, sondern daß das gesamte Leben in der Gemeinschaft der Erziehung zu dienen hat. Eine Überspannung der Gemeinschaftsordnung im Interesse äußerer Disziplin könnte daher bei der Verschiedenheit der Anlagen und Charakter sich leicht zum Schaden der Entwicklung der Persönlichkeit auswirken.

Das Lernen machte mir hier große Freude, da es mir leicht fiel und meinen Neigungen in den gymnasialen Fächern größeren Spielraum gewährte. In den Hauptfächern erreichte ich stets gute Noten. Von Anfang an aber blieb ich in der Mathematik unter dem Klassenstand, und trotz vieler Bemühungen gelang es mir auch später nie, eine ausreichende Note zu erzielen. Worin die Ursache zu suchen ist, darüber bin ich mir noch nicht klar. Vielleicht hat meine Abneigung gegen die Mathematik darin ihren letzten Grund, daß mein Denken wesentlich von der Phantasie unterstützt wird, wie es ja auch meine Vorliebe für Kunst und Literatur verrät. So kann ich auch in der Musik den Aufbau und den künstlerischen Gehalt eines Stückes erfassen, während ich für das Mathematische in der Musik, wie Tonarten und Harmonielehre, nur geringes Verständnis besitze.

Seitdem in den mittleren Klassen mein Interesse für die Kunst geweckt war, zog mich dieses Gebiet immer mehr an. Besonders die Dichtkunst wurde mir in größerem Umfange vertraut und auch Gegenstand meiner freien Studien.

Auf Obersekunda, ich war damals 17 Jahre alt, erkannt ich, daß es nicht mein Beruf war, Ordensgeistlicher zu werden. So konnte ich nicht länger in dem Internat bleiben und kehrte nach Köln zurück, um in der Heimat meine Schuljahre zu beenden. Auf Anraten meines bisherigen Ordinarius trat ich in das Dreikönigsgymnasium ein, dessen alte Tradition mich ohnehin anzog. Der Wechsel mitten im Schuljahr an eine öffentliche Schule erregte in mir anfänglich einige Bedenken und Sorgen. Ich wurde aber angenehm enttäuscht: der Unterricht an der neuen Schule bildete nicht nur eine glückliche Fortsetzung des Unterrichts, den ich in Bonn genossen hatte, er brachte mir sogar eine neue und wesentliche Bereicherung. Das war für mich die angenehmste Überraschung und verpflichtet mich zum Dank, wenn ich auch nur so kurze Zeit mehr der Schule angehören konnte. Mir war die Durchdringung und Vertiefung des Unterrichts mit philosophischen und weltanschaulichen Gedankengängen nicht ganz neu; aber in einem solchen Maße und in einer solchen Tiefe war sie mir doch ungewohnt. Umso lieber und rascher stellte ich mich auf den neuen Unterricht um, als auch meine künstlerischen Interessen dadurch eine neue Sicht und Vertiefung erhielten.

Vor allem waren es die altsprachlichen Fächer, die jetzt mein Blickfeld weiteten. Wenn ich ihre bildende Kraft auch schon früher gefühlt hatte, so öffneten sie mir jetzt erst den Zugang zur wissenschaftlichen Arbeit und zu einem tieferen künstlerischen Verständnis. Hauptsächlich waren es die Werke der griechischen Klassiker, die mir hier zu Klarheit und selbständiger Urteilsbildung verhalfen, so vor allem Platons „Gorgias" und Sophokles' "Antigone"; sie brachten mir am klarsten zum Bewußtsein, was maßstabhaftes Denken und klassisches Tongefühl bedeuten. Homers „Ilias" offenbarte mir nicht nur die vollendete Darstellungskunst des großen Epikers, sondern auch die tiefe Verwandtschaft des griechischen mit dem germanischen Geist. Im lateinischen Unterricht waren es vor allem die Historiker, die mir einen tiefen Einblick in das Wesen des politisch und militärisch begabtesten Volkes der Weltgeschichte gaben. Am meisten interessierte mich die „Germania" des Tacitus, die älteste ausführliche Urkunde über die Frühgeschichte unseres Volkes. Aber auch Livius machte mit seinem großzügigen, dichterisch geformten Geschichtswerk tiefen Eindruck auf mich.

{#4c}Dem Deutschunterricht schreibe ich den größten Einfluß auf meine ästhetische und weltanschaulich-charakterliche Bildung zu. Die tiefsten Eindrücke hinterließ in mir Wolfram v. Eschenbachs Parzival, dessen Gottsuchertum und Verbindung der beiden Pole Gott - Welt mich fast mehr gepackt haben als das Unendlichkeitsstreben Fausts, das nicht zum Transzendenten durchstößt. Goethe ist aber dennoch der Dichter, der mich am meisten gefesselt hat, nicht zuletzt durch seine Sprache. Von den neueren Dichtern sind es vor allem Rilke und Karl Benno v. Mechow, die mich am meisten angezogen haben.

Über meinen künftigen Beruf bin ich noch sehr im Unklaren. Meinen Neigungen entspräche ein Hochschulstudium in Germanistik und Kunstgeschichte. Leider kann ich aus wirtschaftlichen Rücksichten diesen Wunsch nicht in die Tat umsetzen.

Als Wahlfach für die mündliche Reifeprüfung bezeichne ich: Kunstgeschichte.

Ich bitte, auf dem Reifezeugnis mein Religionsbekenntnis zu vermerken.