DKG (Köln)

Vorschläge für den deutschen Aufsatz der Reifeprüfung 1932

1.) Vom Brief und vom Briefschreiben

2.) Mein Verhältnis zum Roman und zum lyrischen Gedicht

3.) Bericht über eine öffentliche Veranstaltung (Versammlung, Konzert, Schauspiel, Vereinsfeier oder dergl.)

4.) Vergessen und Vergeßlichkeit (Erlebnis, Charakteristik oder Abhandlung)


Beurteilung

B., Wilhelm

hat eine schnelle Auffassungsgabe, und er hat bei stetem Fleiss immer gute Leistungen in allen Fächern während der ganzen Gymnasialzeit aufzuweisen gehabt. In seinem Elternhause herrscht seit Jahren infolge schwerer Krankheit und Arbeitslosigkeit des Vaters, der früher in guten Verhältnissen lebte, bitterste Not. Sie zu mildern hat B. durch Erteilung von Privatstunden sich immer bemüht. Unter seinen Mitschülern war er nicht gerade beliebt, weil es ihm bei viel äusserer Freundlichkeit doch nicht immer gelingt, sich unbefangen zu geben.

Lebenslauf

Hierdurch bitte ich um Zulassung zur Reifeprüfung im Ostertermin 1932.

Ich wurde am 1.5.1911 als Sohn des Kaufmanns Hermann B. in Köln geboren. Vor meinem Übergang auf das Staatliche Dreikönigsgymnasium 1923 besuchte ich sechs Jahre lang die Volksschule. Von Sexta an durchlief ich bis jetzt glatt alle Klassen. In Untertertia entschieden sich meine Eltern für den gymnasialen Zweig der Anstalt, weil er meinen Anlagen am besten entsprach. Meine Leistungen in allen Fächern waren immer gleich gut. Dieser Umstand ließ bei mir keine ausgesprochene Vorliebe für ein besonderes Fach aufkommen. In Obersekunda nahm ich Englisch als Wahlfach, weil ich mir in Zukunft einigen Nutzen davon erhoffte. Da meine Familie aus Hamburg stammt, beeinflußte mich bei der Wahl des Englischen vielleicht auch etwas Tradition, die aus der Einstellung des handeltreibenden Hanseaten zu verstehen ist. Weiterhin nahm ich in Obersekunda an einer deutschen Arbeitsgemeinschaft teil. Wir beschäftigten uns mit modernen Schriftstellern, für die im planmäßigen Unterricht wenig Platz übrigbleibt. Besonders regte mich Th. Manns Roman "Die Buddenbrocks" an. Ich kann mich aber mit dem Gedanken der Dekadenz nicht so recht befreunden, da ich als junger Mensch die Zukunft freudig bejahe und bejahen muß. In Unterprima beteiligte ich mich an einer geschichtlichen Arbeitsgemeinschaft, in der wir einen kleinen Einblick in politische und wirtschaftliche Probleme der Gegenwart gewannen. Im ersten Tertial der Oberprima nahm ich an einer altphilologischen Arbeitsgemeinschaft teil. Wir hatten uns als Arbeitsgebiet spätlateinische Texte gewählt, kamen aber über die Behandlung der Regula sancti Benedicti nicht wesentlich hinaus, weil die Arbeitsgemeinschaft infolge einer Notverordnung aufgelöst werden mußte. Der in der Regula sancti Benedicti straff durchgeführte Gemeinschaftsgedanke regte mich an zu Vergleichen mit dem Gemeinschaftsgedanken, den wir innerhalb unserer Klasse pflegten. Durch gemeinsamen Landaufenthalt in vorigem und diesem Jahre wurde der letztere besonders gefördert. Aus dieser Einstellung heraus fasse ich den Begriff Beruf als Dienst an der menschlichen Gemeinschaft auf. Vor einigen Jahren hatte ich den sehnlichsten Wunsch, später einmal Medizin zu studieren. Er wurde aber später zurückgedrängt von dem Wunsch, Altphilologe zu werden. Da sich die Aussichten in diesem Beruf in letzter Zeit so katastrophal verschlechtert haben, bin ich gezwungen, auf meinen alten Wunsch, Mediziner zu werden, zurückzugreifen. Es ist ja auch möglich, in diesem wie in jenem Beruf der menschlichen Gesellschaft zu dienen.

In der Reifeprüfung wünsche ich meine Leistungsfähigkeit im Lateinischen zu erweisen.

In meiner freien Zeit beschäftigte ich mich mit technischen Dingen, insbesondere mit Radiobasteln. Das gab mir nach Erledigung meiner Schularbeiten die nötige geistige Ausspannung.

Ich bitte, auf meinem Reifezeugnis mein Religionsbekenntnis anzugeben.