DKG (Köln)

Oberprima (Realgymnasium)

Zu dieser Klasse konnten bislang weder eine Gesamtbeurteilung noch die Themen der Abituraufsätze im Fach Deutsch ermittelt werden.


Beurteilung

Oberprimaner F, Fritz

Gesunder Gleichmut, Selbstbeherrschung und schlagfertiger Mutterwitz zeichnen ihn aus. Er ist selbständig und zuverlässig, reif und gefestigt. Seine wissenschaftlichen Leistungen liegen nur wenig über genügend, sind gut in Französisch, Physik und Biologie. In Mathematik versagte er fast ganz.

Als Kameradschaftsführer in der HJ, der er seit dem 4.5.33 angehört, hat er sich mit grosser Hingabe und Gewissenhaftigkeit betätigt.

Im Sommer 1936 erwarb er das SA-Sportabzeichen.

Lebenslauf

Hierdurch bitte ich um Zulassung zur Reifeprüfung im Ostertermin 1937 am staatlichen Dreikönigsgymnasium in Köln, realgymnasiale Abteilung.

Ich wurde am 2. März 1917 in Köln als erster Sohn und drittes Kind des Landgerichtsrats Dr. Karl F. und seiner Ehefrau Elisabeth geb. W. geboren. Meine beiden Schwestern sind 3 und 6 Jahre älter als ich. Im Jahre 1923 kam ich auf die Grundschule, vier Jahre später, 1927, auf das staatliche Dreikönigsgymnasium. Am 4. Mai 1933 trat ich in den NSS ein und wurde im Sommer desselben Jahres in die HJ überführt. Seitdem bin ich ununterbrochen Mitglied der HJ. Am 6. März 1935 wurde ich zum Kameradschaftsführer befördert.

An die Zeit vor meinem ersten Schuljahr habe ich kaum eine Erinnerung. Aus der Erinnerung an meine Grundschulzeit ragt ein[e] Zeitspanne besonders stark hervor, das Frühjahr 1924. Meine Mutter starb im Februar 1924. Zuerst spürte ich ihren Verlust kaum; aber später fehlte sie mir stark, was ich besonders heute erkenne. Obwohl mein Vater zum zweiten Mal heiratete, konnte mir seine zweite Frau die natürliche Mutter nicht ersetzen.

Die Ferien meiner ersten Schuljahre verbrachte ich zum größten Teil bei meinem Onkel in Münster in Westfalen, der ein Baugeschäft hatte. Die dort geweckte Lust, auch Baumeister zu werden, wurde bald durch neues Erleben verdrängt.

Ich hatte einige Male meinen Onkel, der Chirurg in einem Krankenhaus am Niederrhein ist, besucht. Diese Besuche wirkten stärker auf mich ein und regten in mir den Wunsch, Chirurg zu werden. Diese Umstellung spielte sich ungefähr in meinem 11. bis 13. Lebensjahr ab. Bedeutende andere Neigungen hatte ich zu der Zeit nicht.

In der Schule brachte ich besonders dem Lateinunterricht, in den ersten Jahren bis Quarta-Untertertia, große Liebe entgegen. Es lockte mich der Gedanke, in einer anderen Sprache als Deutsch, wenn auch nicht frei reden, so doch übersetzen und schreiben zu können. Als dann in Quarta Französisch, in Untertertia Englisch hinzutrat, fand ich an beiden, besonders aber am Französischen großen Gefallen. Aber das dauerte nicht lange. Es kam manches, was mich vom Arbeiten abhielt. Dadurch sanken meine Leistungen in der Schule, besonders im Französischen. Und dadurch schwand natürlich auch die Teilnahme.

Verursacht wurde dieser Rückgang durch eine plötzlich entfachte Lesewut. Mit Karl May fing es an. Ich nutzte das Abonnement, ein Geschenk, gehörig aus, und las alles Mögliche über Indianer, und las auch Kriminalromane, die mir aber nicht so gut gefielen.

Das zweite, wodurch viel Zeit verlorenging, war das Radfahren, mein Lieblingssport. Ich fuhr stundenweit fort, den Rhein herauf und herunter und in das bergische Land. Meine Freunde hatten daran meist kein Gefallen, und so fuhr ich alleine.

Wenn man fragen sollte, warum ich nicht in irgend einen Verein eintrat, so kann ich nur folgendes sagen: ich kannte nur zwei Vereinigungen, die katholische Jugendvereinigung und eine andere, die „Nerother". In die letztere trat ich nicht ein, weil die Mitglieder alle älter waren als ich. Also blieb mir nur der katholische Jugendverband. Der gefiel mir aber nicht, weil er zu betont katholisch und confessionell war.

In diesen Jahren, also Tertia, machte ich meine ersten größeren Reisen, ins Erzgebirge zu den Eltern meiner zweiten Mutter auf einen Bauernhof, und an die See. Das Bauernleben war für mich, der ich bisher nur die Stadt kannte, etwas ganz Neues. Von viel tieferer Wirkung waren die Ferien an der See. Ich lernte damals das Meer lieben mit seiner weiten Unbegrenztheit. Ihr gilt seitdem meine Feriensehnsucht. So fühle ich mich auch in der weiten, ebenen Landschaft viel wohler als etwa in der Enge des Gebirges.

Meine Eltern sahen bald, daß meine Kenntnisse, besonders im Französischen, durch die eben erwähnten Ablenkungen immer geringer wurden. Deshalb schickten sie mich 1931 zwei Monate nach Frankreich. Das war für mich von großer Wirkung, hauptsächlich in Bezug auf meine Sprachkenntnis. Um wichtige andere Eindrücke mit nach Hause zu nehmen, war ich leider noch zu jung. Jetzt, wo ich gut französisch sprach und im Französischen redegewandt war, freute ich mich auf jede französische Stunde, während ich früher Grauen davor hatte. Mein Aufenthalt in Frankreich wirkte auf meine englischen Sprachkenntnisse insofern, als ich gelernte[!] hatte, mit einer Fremdsprache umzugehen.

Im Winter 1931 erkrankte meine Mutter derart, daß sie zeitweilig kaum noch das Haus verlassen konnte. Darum besorgte ich nachmittags das Einkaufen, und zwar per Rad. Da ich sehr gerne Rad fuhr, dehnte ich diese Einkaufsfahrten aus. So wurde ich teils durch die häuslichen Verhältnisse, teils durch eigne Schuld vom Arbeiten abgehalten. So wurde ich in der Schule immer schlechter.

Als im Sommer 1933 meine zweite Mutter starb, war zuerst niemand mehr da, der mich zum Arbeiten anhielt; denn mein Vater konnte sich nicht so schnell umstellen, daß er die Erziehungspflichten einer Mutter sogleich auf sich nahm. Mit Mühe wurde ich noch in die Obersekunda versetzt, aber die Versetzung nach Unterprima erreichte ich erst nach dem zweiten Jahr.

Dieses zweite Jahr hat mir aber nicht im geringsten geschadet. Ich fand jetzt Ruhe um meine Lücken aufzufüllen, und das ständige Bangen für die Schule hörte endlich auf.

Bis hierhin rechne ich eigentlich meine Kindheit; ich meine das ahnungslose, sorgenfreie In-den-Tag-hineinleben. Dieser Umschwung wurde erstens durch das Sitzenbleiben und die sich daraus ergebenden Gespräche mit meinem Vater über meine Zukunft und meinen Beruf bewirkt, zweitens durch die nationalsozialistische Revolution. Von den Kämpfen in Deutschland vorher habe ich gar nichts gewußt. Als aber dann am 30. Januar 1933 Adolf Hitler Reichskanzler wurde und SA, SS und HJ über die Straßen zogen, stand ich etwas beschämt, daß ich nicht mit dabei war. Darum trat ich in den NSS ein.

Der Nutzen, den ich daraus zog, und den ich heute nicht mehr missen möchte, ist der, daß ich mit allen möglichen Kreisen und Ständen zusammenkam, nicht nur mit meinen Kameraden, sondern auch mit deren Familien, als ich ab August 1934 eine Kameradschaftsführerstelle übernahm. Ich lernte Familienverhältnisse kennen, von denen ich als Sohn einer Beamtenfamilie keine Ahnung hatte. Ich kam sowohl zum ärmsten Arbeiter, wie auch zum reichen Fabrikbesitzer. Und dadurch, daß ich diese Gegensätze kennenlernte, lernte ich mit klaren Augen Ansichten und Tatsachen prüfen und abwägen, ehe ich über irgend etwas urteilte.

Das zweite, das ich der HJ danke, ist die kulturpolitische Schulung. Ich machte mir da zum ersten Male kritische Gedanken über Weltanschauungen.

Das dritte, was ich lernte, war die Kunst der Unterordnung und Selbstbeherrschung.

In den letzten Jahren wurde mein Interesse von einem Freund beeinflußt, der in einer Maschinenwerkstatt beschäftigt ist. Er weiß über technische Dinge gründlich Bescheid. Ich unterrichtete mich bei ihm über viele Fragen aus diesem Gebiet, besonders über Elektrotechnik. Daher bekam ich für die physikalischen Stunden eine weit größere Teilnahme als vorher.

Ein Fach, dem ich keinerlei Verständnis entgegenbringe, ist die Mathematik. Soviel ich mich auch bemüht habe, ich konnte meine Leistungen nicht verbessern. Diese Verständnislosigkeit für das abstrakte Rechnen habe ich meiner Meinung nach, genau wie eine meiner beiden Schwestern von meiner Mutter ererbt.

Durch den Biologieunterricht des letzten Jahres habe ich eine neue Anregung bekommen, und zwar in den Stunden, in denen wir über Bevölkerungspolitik sprachen. Dadurch wurde in mir ein Interesse für wirtschaftspolitische Fragen geweckt.

Als mündliches Wahlfach wähle ich Französisch.

Als zweite Fremdsprache in der schriftlichen Prüfung wähle ich ebenfalls Französisch.

Durch mein Interesse an neuen Sprachen, wirtschaftlichen und technischen Fragen, erklärt sich auch mein Berufswunsch, sozusagen als technischer Kaufmann bei irgend einem Werk in der Industrie angestellt zu werden. Vorher werde ich jedoch einige Semester, gegebenenfalls bis zum Referendar, Wirtschaftslehre studieren.