DKG (Köln)

Vorschläge für den deutschen Aufsatz der Reifeprüfung 1931 (Gymnasium)

1.) Die Maschine als dienende Kraft oder als beherrschende Macht

2.) Was bedeutet Goethe mir und den Menschen meines Lebenskreises? (Als Aufgabe zum 100. Todestag am 22. März 1932 gedacht.)

3.) Was ich an Erbgut von meinen Vorfahren besitze. (Zur Einführung dient das Gedicht von Ludwig Finck: „Der Urahn“.)

4.) Sportkämpfer oder Sportplatzzuschauer? Zur Psychologie der Sportbegeisterung.


Beurteilung

Oberprimaner W., Ulrich.

Der Klassenälteste. Er wurde nach einem wechselvollen Ausbildungsgang, der durch ein tragisches Familiengeschick (russische Emigranten) verursacht wurde, auf die Unterprima aufgenommen. Von der Ungunst der Verhältnisse schwer getroffen, war es ihm nur unter den grössten Anstrengungen möglich, sich bis zur Oberprima vorzuarbeiten und sich dort mit durchweg genügenden Leistungen, mit bessern in der Religion und Mathematik, zu behaupten. W. ist ein ernster, reifer, zielbewusster und strebsamer Mensch von sehr angenehmen Umgangsformen, dessen durchaus hinreichende Begabung und zähe Beharrlichkeit ihn zum Kampf ums Dasein ganz geeignet erscheinen lassen. Obwohl er bedeutend älter als seine Klassengenossen ist, muss sein persönliches Verhältnis zu ihnen sehr gut genannt werden.

Lebenslauf

Den Prüfungsausschuß des Staatlichen Dreikönigsgymnasiums zu Köln bitte ich, mich zur Reifeprüfung im Ostertermin 1931 zulassen zu wollen.

Ich wurde am 17. Mai 1908 in Solln bei München geboren. - Mein Vater trat im Jahre 1909 eine Stellung als Gymnasiallehrer in Rußland an, die er bis 1918 innehatte. Wir lebten 1909 bis 1911 in Tomsk, dann ab 1911 in St. Petersburg, wo ich die Vorklassen der deutschen Kommerzschule von Pastor J. Masing besuchte. - Da mein Vater, der inzwischen kaiserlich-russischer Hofrat geworden war, durch die bolschewistische Revolution seine Stellung als Gymnasialprofessor am humanistischen Gymnasium der St. Annenschule wie auch sein Amt an dem kaiserlich-russischen Handelsministerium verloren hatte, wanderten wir nach Deutschland aus. Das Emigrantenleben hatte für mich häufigen Schulwechsel zur Folge.

Ich bezog im Herbst 1918 die Sexta des humanistischen Gymnasiums zu Rostock, kam dann bereits nach einem Monat an das Gymnasium (Domschule) zu Güstrow in Meckl., das ich ab 1918 bis 1921 besuchte. Ab Sommersemester 1921 bis März 1927 besuchte ich alsdann das Schillergymnasium zu Berlin-Lichterfelde.

Ich verließ diese Anstalt mit dem Versetzungszeugnis für Unterprima, um eine landwirtschaftliche Lehrstelle anzutreten, da die schwierige materielle Lage, in der sich mein Vater befand, einen weiteren Schulbesuch zunächst leider unmöglich machte. Mein Vater wurde im Jahre 1926 zum Lektor der russischen Sprache (im Nebenamt) an der Universität Köln ernannt. Hieraus ergab sich für mich die Möglichkeit, den begonnenen Bildungsgang fortzuführen. Ich versuchte zunächst zweimal, als Schulfremder die Reifeprüfung zu bestehen. Der Versuch mißlang, und so erschien es am zweckmäßigsten, ein Gymnasium zu besuchen.

Ich wurde im Herbst 1929 in die Unterprima des Dreikönigsgymnasiums zu Köln aufgenommen. Mein Ziel ist das Studium der ev. Theologie, zumal in unserer Familie schon von jeher ein besonderes Interesse für religiöse Fragen herrschte. Aber auch für Mathematik, soweit ich dieses Fach im Schulrahmen kennen lernte, habe ich viel übrig, denn ihre logische Klarheit läßt immer nur einen Schluß zu. So habe ich mir Mathematik auch zum "Wahlfach" gewählt. Dennoch fühle ich mich eher zum Theologen als zum Mathematiker berufen.

Zu erwähnen wäre noch, daß unsere Einbürgerung am 26. März 1929 erfolgt ist. - Ich bitte, auf dem Reifezeugnis mein Bekenntnis zu vermerken.