DKG (Köln)

Vorschläge für den deutschen Aufsatz der Reifeprüfung 1941

1.) Bildung verpflichtet und Bildung macht frei.

2.) Durch welche Mittel lassen sich die sozialen Unterschiede und Gegensätze in der Volksgemeinschaft mildern?

3.) Organisation und Betrieb eines heutigen Zeitungsverlages (dargestellt auf Grund einer Besichtigung des Westdeutschen Beobachters).


Beurteilung

Schüler B., Franz Josef

Franz Josef, der älteste Sohn einer kinderreichen Familie, verbrachte die ersten zehn Jahre seines Lebens in dem ländlichen Kölner Vorort Rodenkirchen. Als seine Eltern 1932 wieder nach Köln übersiedelten, fiel es ihm schwer, sich von der etwas freieren Lebensführung auf dem Lande an die begrenzten Bewegungsmöglichkeiten in der Großstadt zu gewöhnen. Erst in den letzten Jahren gelang es ihm dank beharrlicher Bemühung, gewisse Hemmungen im Umgang mit Menschen zu überwinden.

Gewissenhafte Arbeit befähigte ihn bei seiner mehr als durchschnittlichen Begabung zu guten und befriedigenden Leistungen in fast allen Fächern. Besonderes Interesse zeigte Breuer für die Mathematik, wo er Gutes leistete, und die naturwissenschaftlichen Fächer. Ein mehrwöchiger Aufenthalt in Frankreich in den letzten Wochen vor dem Kriege, ermöglicht durch Austausch, bot ihm willkommene Gelegenheit zur Ergänzung seiner französischen Sprachkenntnisse und zum Studium von Land und Leuten.

B. ist Mitglied des N.S.K.K.

Lebenslauf

Den Herrn Direktor des Staatlichen Dreikönigsgymnasiums bitte ich um Zulassung zur Reifeprüfung Ostern 1941.

Meine drei ersten Lebensjahre verbrachte ich in der Kölner Altstadt. Hier wurde ich am 15. November 1922 als Sohn des Schriftleiters Josef B. und dessen Frau Luise, geb. S., geboren. Bis zu meinem 10. Lebensjahre verlebte ich mit meiner älteren und meinen beiden jüngeren Schwestern eine frohe und glückliche Jugend im ländlichen Vorort Rodenkirchen. Ein kleiner Garten mit vielen Haustieren sowie eine benachbarte, sehr gepflegte Gärtnerei gaben mir viel Gelegenheit zu Kurzweil und Belehrung. Die Erinnerung an diese frohe Zeit ist in mir noch recht lebendig. In Rodenkirchen besuchte ich vier Jahre lang die Volksschule. Mit meinem 10. Lebensjahre zogen meine Eltern der vorteilhafteren Schulverhältnisse wegen wieder nach Köln. Das Stadtleben forderte eine völlige Umstellung von mir. Ostern 1933 trat ich in die Sexta des Dreikönigsgymnasiums ein. Dem Rate meiner Eltern und meiner Neigung folgend, wählte ich die gymnasiale Richtung. Ich interessierte mich auch für neue Sprachen und nahm deshalb gern die Gelegenheit wahr, mich zunächst im Französischen zu vervollkommnen. Meine Eltern vermittelten einen Austausch mit einem gleichaltrigen Franzosen. In den Herbstferien 1938 und 1939 weilte ich in Frankreich, in den Südwestausläufern der Vogesen. Hier sammelte ich viele wertvolle Eindrücke von Land, Leuten und Lebensverhältnissen der Franzosen. Besonders aber die letzte Woche vor Kriegsausbruch, die ich noch auf französischem  Boden zubrachte, gab mir wertvolle Eindrücke mit.

Größtes Interesse habe ich an den naturwissenschaftlichen Fächern, besonders an Biologie. Ich möchte gerne Archäologie oder Medizin studieren. Als Wahlfach nehme ich Mathematik.

Ich bitte um einen Vermerk auf dem Zeugnis über mein religiöses Bekenntnis.

Abituraufsatz

Deutsche Prüfungsarbeit.

Bildung verpflichtet, und Bildung macht frei.

Die Gliederung genügt nicht, die Unterglieder fehlen. Im Entwurf auf S. 2 sind solche angedeutet.I. Bildung.

II. Bildung verpflichtet.

III. Bildung macht frei.


Bildung ist das Bilden, oder besser Formen des menschlichen Ichs. Es ist ein Reifen, ein Sicherfüllen. Betrachten wir Vorgang des Bildens und Ziel (Ergebnis = Bildung) sich zu unterscheiden.dies als tiefes Ziel der Bildung, so erkennen wir, daß Wissen, das A. ErwerbenSichaneignen von Kenntnissen, nicht diesen Begriff der Bildung erschöpft, vielmehr nur einen kleinen Teil dieser Formung ausmacht, - ja vielleicht nur Voraussetzung ist. Das Wesen dieser Bildung müssen wir A. bestimmterfester zu fassen suchen, da wir aussprechen wollen, welche Pflichten und Freiheiten die Bildung dem Menschen gibt.

Gesellschaftliche Form wurde früher so stark betont, daß sie fast die Bildung auszumachen schien; heute dagegen ist man geneigt, sie zu unterschätzen. Die gesellschaftliche Form gehört gewiß zu einer Bildung, sie ist aber bloß ein winziges Steinchen dieses farbigen Mosaiks. Auch das Wissen hat Anteil an der Bildung. Es formt, um bei dem Bilde des Mosaiks zu bleiben, den äußeren Rand dieses Kunstwerkes und weist auf den Gehalt der Farbenharmonien. Lassen wir unseren Blick zum Mittelpunkt dieses Mosaiks gleiten, so fühlen wir heraus, daß Bildung A. oder Fl.: einetwas weit tieferes und schöneres Wesen in sich birgt. Das Wissen gibt uns Erkenntnis, eine weite Schau. Und in dieser Schau wird das Herz, ja die Seele geformt. In der größten Tiefe des Bildes leuchtet uns aber ein weißer Stein entgegen, Gott. Der Mensch nun, so glaube ich, der die Farben seiner Seele veredelt hat in der Natur, im Mitmenschen und in Gott, sich also ein solches Mosaik hat bilden können, ist gebildet.

Bildung verpflichtet gegenüber dem Mitmenschen. Hat ein Mensch ein solches harmonisches Bild geformt, muß er seine Mitmenschen, die doch seine Brüder sind, teilnehmen lassen an der Tiefe und Fülle seiner Seele, ihnen helfen Z._ ihre Farben zu ordnen. Gott muß er reifen lassen im Bruder, in der Welt. Nicht aus eigner Kraft und Weite durfte er sein Bild formen; durch seine Mitmenschen und aus Gott schuf er. Dankbar wird er Gott den Menschen mitteilen, und Freude empfinden am Wachstum seines Bruders. Und die Pflicht wird zum Dank, zur Freude und zur eigenen Reife, denn im Mitteilen Gottes reift er selbst. - Gag Gott, Mitmenschen und Natur ihm Kraft zum Schaffen des Bildes, so wurde ihm auch die Pflicht, dies Bild aus eigenem Wollen zu formen. Freudig muß er Ja sagen, wenn Gott ruft, fordert. Wird das Bild nicht genährt, verblaßt es, stirbt. Drum geht an die Gebildeten der Ruf: Wachet über die Helle und Reine eurer Bildung. Künstler geben euch Nahrung. Nur so erhaltet ihr euch und der Menschheit Gottes Bild. Bleibt Gefäße, durch die Gott in die Menschheit einbricht und Erfüllung gibt seiner Schöpfung. - Wir sehen also, daß die Schaffung eines solchen geistig klingenden Bildes die Forderung birgt, den Klang hell und klar zu erhalten, ihn laut tönen zu lassen, daß er Brüdern Wegweiser wird zum tiefen Wohl in Gott. Auch darf dies Feuer nie erlöschen, es muß weiterhin brennen und leuchten.

Bildung gibt Freiheit. Frei, wie auf des Berges R.erhabendstem Gipfel, Hier bringt der Entwurf das schöne u. kennzeichnende Stichwort: [.?.]wird die Seele des Gebildeten , so hoff' und glaub' ich, in des Äthers Weite schweben. Im Wissen ist er frei, Wissen macht ihn frei. Erkennen darf er das Wahre, das Echte. Seine Schau sie baut z.T. wohl darauf, aber die baut weiter und aus eigenem Erkennen u. Verantworten.baut nicht auf Erkennen seiner Mitmenschen. Selbst darf er, und muß sogar suchen. Frei ist sein Suchen Z._ und mit den Kräften, die seine Brüder R.!ausströhmen , findet er aus seiner Seele das Gesuchte. Ungebunden an fremde Meinungen wird er s.o.umströhmt von der klaren und kühnen Luft des Geistes. Frei wird der Gebildete gegenüber allen Formen, selbst auf religiösem Gebiet. Gott wird ihm nicht von anderen gezeichnet, er sieht Gott aus seiner Seele. - Aber wie kann ich das zu sagen wagen! Wie kann ich das wissen! - Es ist eine Freiheit, die den Menschen adelt, ihn der klaren und reinen Schönheit Gottes entgegenführt.

Und nicht möchte ich schließen, ohne einen Klang des so hell und nah tönenden Bildes Platons erklingen zu lassen, der uns so fein die Freiheit der Bildung, des um Erkenntnis Bemühtseins, aufleuchten läßt:

„Nur der um Erkenntnis Bemühte darf sich den Göttern gesellen."

Die vorliegende Arbeit ist von allen die einzige, die eine künstlerische Formung versucht hat und, wie die Stichworte des Entwurfs, der keine Ausführung enthält, verraten, aus gesammeltem Nachdenken wie eine kleine Dichtung „hervorgebrochen" scheint. Das Thema ist gut erfaßt und sprachlich gewandt gestaltet. Freiheit bleibt (wie das die gehemmte Wesensart des Vfs. bewirkt) manches nur angedeutet. Gar nicht gesehen ist die gerade heute deutlich gewordene Problematik der Bildung.

Betrüblich sind die 2 Verstöße gegen R.

Befriedigend.

Die Klassenleistungen waren befriedigend.

17.2.41