DKG (Köln)

Vorschläge für den deutschen Aufsatz der Nachprüfung 1938

1.) Mit welchem Recht beansprucht Deutschland die Rückgabe seiner Kolonien?

2.) Welche politischen Auffassungen finden sich in Shakespear[e]s Coriolanus?

3.) Welcher Beruf würde Ihnen am meisten zusagen und warum?

4.) Großstadt: Für und Wider.


Beurteilung

Oberprimaner S., Heribert

ist ein mässig begabter Schüler von geringer Abstraktionsfähigkeit; daher sind seine Leistungen in der Mathematik von jeher sehr schwach gewesen. In den neueren Sprachen, besonders im Französischen, weisen seine Kenntnisse in der Grammatik noch Lücken auf, während Stil und Darstellungsweise, abgesehen von einer gewissen Weitschweifigkeit, gerade im letzten Jahr erheblich gewonnen haben. Dass er sich redlich um Fortschritte bemüht, zeigt die fremdsprachliche Korrespondenz, die er gewissenhaft durchführt. Früher oft ungleichmässig in seinem Fleiss, ist er in den letzten 1 ½ Jahren in seinem Wesen zielsicherer und ernster geworden, wenn er auch noch nicht alle alten Lücken in seinem Wissen ausgleichen konnte. Seine Leistungen in den Leibesübungen entsprechen dem Durchschnitt. Er ist ein stiller, zurückhaltender Junge, dabei freundlich und bescheiden; sein Verhältnis zu den Mitschülern ist kameradschaftlich.

Er trat im Oktober 1932 in den nationalsozialistischen Schülerbund ein und besitzt das Hitlerjugend Ehrenabzeichen (Nr. 21180). Er betätigt sich als Leiter einer Schar in der Flieger HJ.

[Identische Beurteilung zur Wiederholungsprüfung im Herbst 1938.]

Hierdurch bitte ich um Zulassung zur Reifeprüfung am Staatlichen Dreikönigsgymnasium (Abteilung Realgymnasium) im Ostertermin 1938.

Am 20. September 1920 wurde ich als Sohn des Postassistenten Hermann S. und seiner Ehefrau Martha, geb. W., in Köln-Nippes geboren. Nach vierjährigem Besuch der katholischen Volksschule in Köln-Nippes, Kretzerstraße, von Ostern 1926 bis Ostern 1930, trat ich am 1. April 1930 in die Sexta des Staatlichen Dreikönigsgymnasiums ein, das ich noch heute als Primaner besuche. Am 1. Oktober 1932 wurde ich Mitglied des damals soeben gegründeten „National-Sozialistischen Schülerbundes". Diese Mitgliedschaft endete am 1. Juni 1933 mit einem Eintritt als Jungenschaftsführer in das „Deutsche Jungvolk" Köln-Riehl. Nachdem ich hier einige Zeit als Zugführer, kurze Zeit auch als Fähnleinführer tätig gewesen war, wurde ich der „Flieger-Hitler-Jugend" im Bann 53 überwiesen, wo ich zur Zeit eine Schar leite.

Auf Grund meiner frühzeitigen Mitgliedschaft in den national-sozialistischen Jugendorganisationen, in denen ich mich stets regelmäßig und aktiv betätigte, wurde mir im Sommer 1935 das „Hitler-Jugend-Ehrenzeichen" Nr. 21180 zuerkannt.

Neben der Schule war die Hitler-Jugend für meine charakterliche und körperliche Entwicklung wesentlich mitbestimmend. Die Teilnahme an einem national-sozialistischen Schulungslager und mehrere Fahrten innerhalb der Hitler-Jugend weckten und förderten in mir den Sinn für eine echte und gesunde Kameradschaft. In der Erkenntnis, daß der Sport für meine körperliche Ertüchtigung notwendig sei, wählte ich Leichtathletik und Schwimmen als die für mich geeigneten Sportarten.

In der mir noch zur Verfügung stehenden Freizeit macht mir das Lesen guter Literatur besondere Freude. Dabei sind für mich die Werke aus der großen Zeit deutscher Dichtung und Erzählungen des 19. Jahrhunderts besonders wertvoll.

Ausgewählte Kriegs- und nationale Literatur gab mir häufig Anregungen zur Heimabendgestaltung in der Hitler-Jugend.

Durch einen lebhaften Briefwechsel mit gleichaltrigen Kameraden fremder Nationen (England, Frankreich, Italien) wurde meine Neigung zu fremden Sprachen verstärkt und gefördert.

Von den Schulfächern begeisterten mich neben den Fremdsprachen vor allem die Naturwissenschaften, besonders die Biologie. - Als Leistungsfach für die mündliche Reifeprüfung wähle ich Biologie, als zweite Fremdsprache Französisch.

Am 1. April 1938 beabsichtige ich als Freiwilliger in den Reichsarbeitsdienst und am 1. November 1938 ins Flakregiment 74, Köln-Ossendorf, einzutreten, um nach einer zweijährigen Dienstzeit mein Einstellungsgesuch als Finanzschüler (frühere Bezeichnung: Zollsupernumerar) bei der Reichszollverwaltung einzureichen.

Ich bitte, auf dem Reifezeugnis meine Religionsangehörigkeit zu vermerken.

 .

[Zur Wiederholungsprüfung im Herbst 1938 reichte S. einen textidentischen Lebenslauf ein. Er änderte lediglich die Zeitangaben im vorletzten Abschnitt und ließ den letzten Abschnitt bzgl. des Religionsbekenntnisses ganz entfallen. Der geänderte Abschnitt lautete:]

Am 1. Oktober 1938 beabsichtige ich als Freiwilliger in den Reichsarbeitsdienst und am 1. April 1939 als Freiwilliger bei einem Flakregiment einzutreten, um nach Ablauf meiner Dienstzeit mein Einstellungsgesuch als Finanzschüler (frühere Bezeichnung: Zollsupernumerar) bei der Reichszollverwaltung einzureichen.

Abituraufsatz

Deutsche Prüfungsarbeit.

Mit welchem Recht beansprucht Deutschland die Rückgabe seiner Kolonien?

Als man nach Beendigung des Krieges dem durch ungeheure Verluste an Menschen und Material ohnmächtig gewordenen Deutschland seine Kolonien raubte, da glaubte man diese dem deutschen Vaterlande für alle Zeiten verloren. Wer hätte auch nach jenen unglückseligen Tagen von Versailles, die Deutschland den „Frieden" brachten, an seine Wiederauferstehung denken können, wo fremde Nationen ungehindert deutsches Gut, nach ihrer Auffassung sogar berechtigterweise, an sich reißen konnten!

Fünfzehn Jahre später jedoch nahm das Reich ein anderes Antlitz an. An die r.: StelleSpitze zahlreicher Gruppen und Grüppchen, die damals Deutschland in viele Lager aufteilten, setzte sich eine Partei, die auf ihre Fahne als Gr. -eneiner der wichtigsten Punkte ihres Programms die Rückgabe der im Schanddiktat von Versailles gestohlenen deutschen Kolonien schrieb. Seit jener Zeit werden immer mehr Stimmen laut, die die Rückgabe jener Kolonien fordern, und so will ich_ den A. r: die Berechtigung dieses Anspruchs beweisenBeweis der Berechtigtkeit dieser Forderungen zu bringen versuchen, indem ich einzelne Punkte aufführe, A. u. Gedankenfehler: Eine Beanspruchung ist kein Beweis!laut denen Deutschland diese beansprucht .

Man Gedankenfehler: r: man behauptetesuchte damals auf gegnerischer Seite zu behaupten , Deutschland habe nicht zu kolonisieren verstanden, es habe deshalb kein Recht, weiterhin Kolonien für sich zu verlangen, die ohne Zweifel dem Untergang verfallen Zeitform!sein würde, wenn sie noch länger unter deutscher Schutzherrschaft ständen. Hierdurch wollte man den Raub deutschen Besitzes verschleiern, um nach außen hin rein und schuldlos R.da zu stehen . Vor allem war es der Engländer, der dieses immer wieder beteuerte. Aber man dieser Ausdruck paßt hier dem Sinn nach nicht.strafte sich selbst Lügen . Denn wenn deutsche Pioniere Sind diese 3 Zeilen alles, womit Sie die deutsche Kolonisationsfähigkeit beweisen können?aus einem kleinen verpesteten Dorf ein blühendes Tsingtau zu machen verstanden, bewiesen sie doch damit ihre kolonisatorische Fähigkeit und damit das Recht Deutschlands, jene Gebiete für sich zurückzufordern, die man ihm im „Friedensvertrag" einst abgenommen hatte, Gehört hier nicht zum Gedankengang.und deren es als kolonialen Reserveraums unbedingt bedurfte .

Wenn ein Volk im Laufe der Jahre zu einer solchen Größe heranwächst, daß auf absehbare Zeit keine Lebensmöglichkeiten mehr für es vorhanden sein können, dann sucht es ganz selbstverständlich ein Gebiet, in dem es seinen Bevölkerungsüberfluß zu neuer Tätigkeit einsetzen kann: es schafft sich Kolonien. Und mehr als manche andere europäische Großmacht hatte Deutschland das Recht, denselben ( )notwendigen Weg einzuschlagen, den schon viele Staaten vor ihm gegangen waren. Sinn?Kleine Teile eines Landes wurden so deutsch, das noch genügenden Platz für Tausende geboten hätte . Von > bis < wird der begonnene Gedankengang „Ein Volk ohne Lebensraum braucht Kolonien u. hat darum ein Recht darauf" verlassen. Es folgt ein richtungsloses Durcheinander willkürlicher Redensarten. - >Aber um die Kraft des nach dem Weltkriege aus vielen Wunden blutenden Deutschland völlig zu zerstören, raubte man diesem seine Kolonien, die durch jahre- und jahrzehntelange Arbeit hatten zu höchster Blüte gebracht werden können. Und dann sollte Deutschland nicht zur Kolonisation geeignet sein? - Man sprach sogar von der Wertlosigkeit der ehemaligen deutschen Kolonien, und dennoch scheinen sie soviel Wert gehabt zu haben, R.das man sich zu einem Raub an ihnen entschließen konnte, zu einem Raub an Gr.ein Gebiet, dessen Deutschland unbedingt als Gr.kolonialer Reserveraum <bedurfte .

Hier wird derselbe Gedanke von Seite 2 unten mit fast gleichen Worten wiederaufgenommen.Und dieses ist wohl der wichtigste Punkt, auf Grund dessen Deutschland wie jedes andere Land das Recht hat, kolonialen Besitz zu erwerben. Mit demselben Recht, mit dem auch die anderen europäischen Großmächte sich ihre Kolonien zu verschaffen wußten, ruft Deutschland nach Kolonien, um ein Absatzgebiet für den Überschuß an Bevölkerung zu haben, und hier deutschen Menschen Gelegenheit zu neuer Arbeit zu geben. Und Deutschland fordert nur jene Gebiete zurück, die man - heute sind es rund zwanzig Jahre her - Deutschland entriß und um die man damit das deutsche Volk beraubte! Und es fordert sie nur zurück, um Raum für ein Volk zu besitzen, das ständig im Anwachsen begriffen ist und dieses Raumes unbedingt bedarf, um die Ernährung des gesamten Volkskörpers sicherzustellen!

Um mit Hans Grimm zu sprechen: Deutschland ist ein „Volk ohne Raum". Sie sollten nicht H. Grimm die Beweisführung überlassen, sondern sie selber übernehmen oder mindestens einige Einzelheiten der Grimmschen richtig wiedergeben!Mag sein Buch auch hier und da ein wenig schweratmig sein, sein Verfasser hat es in meisterhafter Weise verstanden, den Beweis für Deutschlands berechtigte Forderung nach Rückgabe seiner ehemaligen Kolonien zu bringen, indem er an dem Schicksalsweg eines Cornelius Friebott den Kampf Deutschlands um seine koloniale Gleichberechtigung darstellt .

Sinn nicht klar!Aber beanspruchen wir Deutsche nur daraufhin unsere Kolonien zurück, indem wir der Welt beweisen, daß wir die Fähigkeit besitzen, koloniales Neuland zu bearbeiten und wie alle übrigen Staaten, deren Raum nicht mehr für die Ernährung des gesamten Volkes ausreicht, das Recht auf Forderung kolonialen Reserveraums haben, dessen Deutschland dringend bedarf? -

Man hat unserem Vaterlande nur allzu häufig den Vorwurf gemacht, es habe die Bevölkerung in den Kolonien unterdrückt. Unklar in Sinn und Satzbau!Um deshalb den „armen Eingeborenen" zu helfen und vom „deutschen Joch" zu befreien, erklärte man in späteren Jahren den Raub des deutschen Kolonialbesitzes, und suchte ihn damit zu entschuldigen . Jedoch wenn man die Art, wie heute England z.B. in Palästina verfährt, mit der deutschen Behandlung der Eingeborenen in einer ehemaligen deutsch-afrikanischen Kolonie vergleicht, so muß man sich fragen, ob England oder Deutschland sich menschlicher gezeigt hat. SatzbauOder durfte England dies auf Grund „seiner von Gott gewollten Sendung", die ganze Welt in den Mantel des R.British [es wurde ein „s" geschrieben, das an das Ende eines Wortes gehört!] Empire einzuhüllen? Hat demnach Deutschland nicht ein größeres Recht, seine Kolonien zurückzufordern um Neuland für sein Volk zu gewinnen?

Es würde zu weit führen, noch all die Gründe aufzuzählen, die Deutschland zur Rückgabe seiner ehemaligen Kolonien berechtigten, A.aber vor allem ist es da noch die Ehre des deutschen Menschen, die die Herausgabe seines Besitzes beanspruchen läßt . Sie fordert Wiedergutmachung des an Deutschland durch den Raub seiner Kolonien begangenen Unrechts, und früher oder später wird die Welt dieser Forderung Folge leisten müssen.

Dem Aufsatz fehlt es an Klarheit; Klarheit der Gliederung, des Gedankengangs, der stofflichen Einzelheiten, der Gruppierung, des Satzbaus und des Ausdrucks.

Inhaltlich ist die Arbeit sehr ärmlich an sachlichen Einzelheiten. Statt dessen sind Redensarten beliebt. Der Ausdruck ist vielfach schwülstig.

Mangelhaft.

Jahresleistungen: Ausreichend.


Köln, 17.9.38.