DKG (Köln)

Oberprima (Gymnasium)

Zu dieser Klasse konnten bislang weder eine Gesamtbeurteilung noch die Themen der Abituraufsätze im Fach Deutsch ermittelt werden.


Beurteilung

Oberprimaner L., Günther

Als reicher Eltern Kind empfing er als Ersatz für die Volksschule vom 5. Lebensjahr an Privatunterricht, trat mit 8 ½ Jahren in die Sexta des Realgymnasiums in Köln-Lindenthal und wechselte nach der Quarta auf die gymnasiale Abteilung des Dreiköngisgymnasiums.

Begabung: Gefühlsbetontes, mehr kombinierendes als logisches Denken; mangelnde Straffheit in Denken und Sprache bei grosser Breite des Aufmerksamkeitsfeldes; einzelheitenreiches Wissen bei mässigem gedanklichen Tiefgang. Vorwiegende Neigung für Geschichte, teilweises Versagen in Mathematik, ohne Begabung für Zeichnen. Er ist belesen und hat im Elternhaus und auf Reisen vielfältige geistige Anregungen empfangen.

Er ist ein anständiger Charakter, beherrscht und taktvoll; keine kämpferische Natur, aber es lebt in ihm ein sehr zäher Wille, sich gegen alle Widerstände durchzusetzen.

Stets „gut" in Religion und Geschichte, nicht ausreichend in Mathematik und Zeichnen.

Im Lager hat er sich bewährt.

Lebenslauf

Hierdurch bitte ich um Zulassung zur Reifeprüfung im Ostertermin 1937.

Am 19. August 1919 wurde ich als Sohn des Staatsanwaltes Anton L. und seiner Ehefrau Annemarie geborene C. in Saarbrücken geboren. Ich bin evangelischer Konfession. Die ersten fünf Lebensjahre verbrachte ich in Saarbrücken. Nach der Scheidung meiner Eltern kam ich mir meiner Mutter und meinem jüngeren Bruder zu meinen Großeltern nach Erfurt, wo mein Großvater als Sanitätsrat eine umfangreiche ohrenärztliche Praxis ausübte. Von dort aus lernte ich das nahe gelegene Weimar kennen. In meinem großelterlichen Hause verkehrten viele Weimarer Persönlichkeiten, deren Namen in Kunst und Wissenschaft einen guten Klang hatten. Auch später noch, als ich schon reifer geworden war, verbrachte ich die Ferien in Erfurt bei den Großeltern, und so gewann ich allmählich ein gewisses Verständnis für den klassischen Weimarner Geist. Die klassischen Stätten Weimars selbst lernte ich bei jeder Reise eingehender kennen und allmählich lieben. Von den denkwürdigen Gebäuden zogen mich am meisten an das schöne Wittumspalais der Herzogin Amalie [?], das einfache Haus der Frau von Stein und das stille Gartenhäuschen Goethes.

In Erfurt wurde mein Interesse noch auf einem anderen Gebiet geweckt. Wie fast alle männlichen Mitglieder meiner Familie väterlicher- und mütterlicherseits war mein Vater Frontsoldat. Er wurde als Oberleutnant der Reserve schwer verwundet und vielfach mit Orden ausgezeichnet. Mein Großvater mütterlicherseits, der Stabsarzt der Reserve war, leitete ein großes Erfurter Reservelazarett, da er für die Front schon zu alt war. Da alle begeisterte Soldaten waren, wurde in unserer Familie, in der auch viele Militärs von jeher verkehrten, viel über Krieg und Geschichte gesprochen. Es liegt auf der Hand, daß man als Junge in dieser Hinsicht sehr hellhörig ist und alles wahrnimmt, was auf den Krieg und die vaterländische Geschichte Bezug hat. So fesselten mich im S[?] von M[?] Stufen, die sämtliche Heerführer Friedrichs des Großen darstellten. Alle Erwachsene mußten mir von Friedrich dem Großen und seinen Waffentaten erzählen. Sobald ich einigermaßen lesen konnte, verschlang ich alle erreichbaren Kriegsbücher und Schriften, die die vaterländische Geschichte behandelten. Von dieser Lektüre mag auch meine spätere Vorliebe für die Geschichtswissenschaft herrühren.

In Erfurt erhielt ich auch die ersten Anregungen für meine spätere Berufswahl. Ich lernte zum ersten Male die ärztliche Tätigkeit bei meinem Großvater kennen. Im Hause meines Großvaters war das gesamte Leben irgendwie durch das ärztliche Milieu beeinflußt. Die Privatklinik meines Großvaters befand sich in seinem Wohnhause. Alle Sorgen, die er mit seinen Schwerkranken hatte, wurden von der ganzen Familie geteilt. Jeder Ausflug, jede Zerstreuung, die die Familie sich gönnen wollte, wurde von dem Befinden der Kranken abhängig gemacht. Viele Patienten verkehrten im Hause, und auch, wenn die schönen Künste gepflegt wurden, stand im Hintergrunde die Sorge für die Kranken. So erfuhr ich schon früh, daß das wahre Arzttum ein entschieden ethisches Gepräge hat, und eben das zog mich schon damals besonders an.

Als ich sechs Jahre alt war, verheiratete sich meine Mutter wieder, und wir zogen in die Uckermark nach Brüssow[?], einer Kleinstadt in der Nähe von Prenzlau, wo mein Stiefvater als Landarzt tätig war. Auch hier kam ich in unmittelbare Berührung mit dem ärztlichen Beruf in seiner schönsten, aber auch schwierigsten und entsagungsvollsten Form. In Erfurt hatte ich mit fünf Jahren den ersten Privatunterricht bekommen. Dieser wurde in Brüssow bei einem sehr energischen Privatlehrer fortgesetzt. Die Zeit in Brüssow war für mich auch in anderer Hinsicht von Bedeutung. Ich lernte das Leben in einer kleinen Stadt von kaum 1500 Einwohnern kennen und bekam einen Einblick in das bürgerliche Leben. Ende 1927 zogen wir von Brüssow nach Köln, und ich bekam nach nunmehr dreijährigem Privatunterricht die ministerielle Erlaubnis, in die Sexta einer höheren Schule einzutreten, trotzdem ich erst 8 ½ Jahre alt war. Am Realgymnasium in Köln-Lindenthal machte ich die Aufnahmeprüfung.

Hier zeigte es sich freilich bald, daß es für mich besser gewesen wäre, wenn ich die Volksschule besucht hätte und so von den Kinderjahren an mit anderen Jungen zusammengewesen wäre. Ich konnte anfangs nicht den richtigen Anschluß finden, wohl auch deshalb, weil ich jünger als meine Klassenkameraden war. Erst allmählich gelang es mir, mich durchzusetzen. Im Winter 1930, als ich die Quarta besuchte, zogen wir von Lindenthal nach Riehl. Gleichzeitig wechselte ich zu dem Dreikönigsgymnasium, um von der Untertertia an den humanistischen Bildungsweg, gemäß unserer Familientradition, einzuschlagen.

Ich kann wohl sagen, daß dieser Entschluß für mich sehr bedeutsam war. Denn es lag wohl schon im Wesen des altsprachlichen Bildungsgutes begründet, daß von ihm die stärksten und nachhaltigsten Wirkungen auf meine innere Entwicklung ausgingen. Das gilt in erster Linie von der Begegnung mit Platon und der griechischen Tragödie; ihre weltanschauliche Tiefe nähert sich den ewigen Wahrheiten, denen wir die Maßstäbe für unsere eigene Lebensgestaltung entlehnen.

Wegen meines geschichtlichen Interesses fesselten mich von den lateinischen Schriftstellern am meisten die Historiker dieses politisch und militärisch begabtesten Volkes der Geschichte. Besonders günstig war es, daß wir gleichzeitig mit der Tazituslektüre im Deutschunterricht die Ethik der vorchristlichen Germanen an Hand der Edda und der isländischen Sagas kennen lernten. Horaz, Vergil und auch Livius erkannte ich als die politischen Dichter des römischen Volkes. Die römische Lebensauffassung wurde mir besonders durch Ciceros „[?]" bewußt. Den staatstheoretischen Schriften Ciceros verdanke ich sehr wertvolle Erkenntnisse und Einsichten.

Der Deutschunterricht hat mir vor allem den großartigen Schöpfungen des deutschen Geistes erschlossen. In den Werken der Dichtkunst und der bildenden Kunst bewunderte ich den Reichtum und die Tiefe des deutschen Wesens, das seine schöpferische Kraft vor allem auf der Höhe des Mittelalters und in den Jahrzehnten der deutschen Klassik entfaltet hat. Wir verfolgten die Entwicklung der völkischen Idee von der Romantik bis in unsere Tage und verweilten bei der politischen Lyrik der Gegenwart, richteten aber auch den Blick auf das Auslandsdeutschtum und würdigten seinen Anteil am deutschen Kulturleben. In meiner freien Zeit, die ich meistens der Privatlektüre widmete, befaßte ich mich besonders mit der deutschen Kriegsdichtung.

Eines meiner Lieblingsfächer in der Schule war immer die Geschichte. Je älter ich wurde, desto mehr beschäftigte ich mich mit ihr. In den letzten Jahren studierte ich auch anspruchsvollere geschichtliche Werke. Ich las unter anderem Rankes Gedanken und Erinnerungen. Besonders gern befaßte ich mich mit der brandenburgisch-preußischen Geschichte und lernte das Preußentum, den Geist von Potsdam, schätzen; ich fand, daß er neben dem Geist von Weimar unsere nationale Entwicklung wesentlich bestimmt und unser ganzes völkisches Sein geformt hat. Wenn ich mir überlege, warum mich die historische Wissenschaft besonders anzieht, so möchte ich sagen, weil sie überall im Leben der Völker die unbedingte Wahrheit zu ergründen sucht und uns dadurch auch eine klare Vorstellung davon geben kann, wie sich die Geschichte unseres Volkes im Rahmen der Weltgeschichte erfüllte.

Als ein besonderes Glück betrachte ich es, daß es mir vergönnt war, auf vielen Reisen meinen Gesichtskreis im allgemeinen und in besonders mich interessierenden Dingen zu erweitern. Wie ich schon erwähnt habe, konnte ich in Weimar immer wieder neue Eindrücke in mich aufnehmen. Dabei durfte ich mich an der herrlichen Natur des Thüringer Waldes erfreuen. An Naturschönheiten, an denen unser Vaterland so reich ist, lernte ich kennen die Lüneburger Heide, das Weserland, den Teutoburger Wald, die deutsche Nord- und Ostseeküste, Schleswig-Holstein und Ostpreußen. Gleichzeitig konnte ich dabei die deutschen Menschen in den einzelnen Landschaften kennen lernen. Daß die Schweizer Gebirgslandschaft einen überwältigenden Eindruck auf mich machte, brauche ich kaum zu erwähnen. Die diesjährige Sommerreise führte mich unter anderem auch nach Berlin, wo ich Zeit hatte, eingehend den [?] zu betrachten. Hier ging mir wieder die ganze Weite des griechischen Geistes auf. Dieser Besuch des [?]museums in Berlin war eines meiner größten Erlebnisse, das ich gar nicht in Worte fassen kann. Ein Besuch der historischen Stätten der brandenburgisch-preußischen Geschichte in Potsdam beeindruckte mich ebenfalls stark. Die Einfachheit und Schlichtheit der Potsdamer Baudenkmäler und der weihevolle [?] von Sanssouci berührten mich tief.

Zum Schluß möchte ich noch ein kruzes Wort darüber sagen, wie ich mir meine Zukunft denke. Ich habe die Absicht, Arzt zu werden, weil ich glaube, diesen schönen Beruf ausfüllen zu können. Gewiß reizte mich die Geschichte als Studium, doch fühlte ich mich wohl in Anlehnung an die Vorbilder in meiner Familien nach mehr zu einem Berufe hingezogen, in dem ich für meine Mitmenschen etwas leisten kann. Ich hoffe, daß mir dabei auch die Möglichkeit bleibt, mich weiterhin mit Literatur und Geschichte in meinen Mußestunden zu befassen. Mein Ziel ist, ein guter Arzt zu werden, und eingedenk des Wortes aus Goethes Faust: „ Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen", will ich mein Leben gestalten.

Es ist für mich eine selbstverständliche Pflicht meinem Vaterlande nach besten Kräften zu dienen. So freue ich mich jetzt darauf, auch als Soldat gleich meinen Vorfahren dem Vaterlande zu dienen in dem Heer, dessen stolze Taten mich schon als Kind begeistert haben.

Als Wahlfach bezeichne ich Geschichte.

Auf dem Reifezeugnis bitte ich mein Religionsbekenntnis zu vermerken.