DKG (Köln)

Vorschläge für den deutschen Aufsatz der Reifeprüfung 1932

1.) Vom Brief und vom Briefschreiben

2.) Mein Verhältnis zum Roman und zum lyrischen Gedicht

3.) Bericht über eine öffentliche Veranstaltung (Versammlung, Konzert, Schauspiel, Vereinsfeier oder dergl.)

4.) Vergessen und Vergeßlichkeit (Erlebnis, Charakteristik oder Abhandlung)


Beurteilung

V., Hans

hat nur eine geringe Auffassungsgabe und noch weniger Phantasie. Er hat aber infolge seines ausserordentlichen Fleisses und seiner Gewissenhaftigkeit auch im Allerkleinsten der Schulaufgabe in den weitaus meisten Fächern genügende Leistungen aufzuweisen gehabt. Vogel hat ein besonderes Geschick, sich stets, ohne mürrisch oder verdrossen zu werden, den Notwendigkeiten der Schule und des Lebens zu fügen. Er hat seinen Lebensberuf ohne überschwengliche Hoffnungen, aber auch mit fester Zuversicht erfasst. Seine Mitschüler haben hier und da ihren Übermut an ihm ausgelassen, er ist ihnen aber immer mit unerschütterlichem Frohmut begegnet, und sie haben ihm freundliche Anerkennung nicht versagen können.

Lebenslauf

Hierdurch bitte ich um Zulassung zur Reifeprüfung im Ostertermin 1932.

Ich, Hans V., wurde am 20. Februar 1913 als Sohn des Augenarztes Dr. med. Ferdinand V. in Köln geboren. Ostern 1919 kam ich auf die Volksschule Köln, Stolkgasse, die ich vier Jahre lang besuchte. Am 26. Februar 1923 bestand ich die Aufnahmeprüfung für die Sexta des Dreikönigsgymnasiums in Köln. Ostern 1926 wählte ich bei dem Übergang von Quarta nach Untertertia den gymnasialen Zweig. Ostern 1931 kam ich in die Oberprima.

Ich muß offen und ehrlich gestehen, daß ich bis heute in der Schulzeit noch keine Zeit gehabt habe, um mich einer besonderen Lieblingsbeschäftigung zuwenden zu können. Ich habe mich lediglich in den Sommermonaten dem Schwimmsport etwas gewidmet und, soweit der Geldbeutel dies zugelassen hat, photographische Aufnahmen gemacht. Irgendwelche größere Werke habe ich nicht gelesen. Ich bevorzuge aber Werke mit geschichtlichem Hintergrund und Bücher, die über das Leben und Treiben in der Natur handeln. Allerdings lehne ich jede Lyrik fast vollständig ab mit Ausnahme der griechischen Lyrik. Ich lese sozusagen als einzigste Lektüre jeden Mittag die Zeitung. Es interessieren mich darin hauptsächlich die sozialen Probleme und augenblicklich die Entwicklung der beiden extremen Parteien und ihr Kampf mit den bürgerlichen Parteien um die Macht im Staate.

Beide extreme Parteien, Nationalsozialismus und Kommunismus, lehne ich selbstverständlich ab und zwar aus religiösen Gründen, da der Kommunismus überhaupt jede Religion verwirft und an ihre Stelle das Kollektivsystem setzen will und der Nationalismus alles seiner nationalen Idee unterordnen will, natürlich auch die Religion.

Ich bin persönlich international und kommunistisch, aber im katholischen Sinne, eingestellt und verwerfe jede Art von Egoismus. Ich behaupte, jeder Mensch ist an erster Stelle geboren worden, um seinem Gott zu dienen und ihn zu verherrlichen, an zweiter Stelle aber für seine Mitmenschen, gleichgültig ob sie Christen, Juden oder Heiden sind, um ihnen zu helfen und für sie und ihr Heil zu arbeiten und ganz an letzter Stelle erst für sich selbst. Praktisch sind diese Gedanken ja in der christlichen Nächstenliebe und in dem christlichen Liebeskommunismus des Urchristentums verwirklicht, der leider noch viel zu wenig geübt wird. Man soll aber die christliche Nächstenliebe nicht laut in alle Welt hinausposaunen, wie es leider heute so oft geschieht, sondern man soll sie still und unauffällig üben, sodaß in Wahrheit "die linke Hand nicht weiß, was die rechte tut"; denn nur im letzteren Falle handelt man im Sinne Christi.

Um nun meine Gedanken, die ich eben über die Bestimmung des Menschen erwähnte, praktisch in die Tat umsetzen zu können, habe ich mich entschlossen nach bestandener Reifeprüfung das Studium der katholischen Theologie zu ergreifen. Ich glaube, daß dieser Beruf am geeignetesten für mich in dieser Beziehung sein wird, besonders da ich mich zu diesem Beruf hingezogen fühle und Lust und Liebe dazu habe. Ich will aber nicht bestreiten, daß man etwa als Philologe oder Mediziner diese Gedanken nicht auch verwirklichen könnte. Im übrigen darf das Geldverdienen bei der Berufswahl sozusagen keine Rolle spielen; denn das Geld hat die Menschen noch immer unglücklich gemacht und es würde bei der Berufswahl leicht dazu verführen, daß man sich einen Beruf wählt, zu dem man überhaupt keine Berufung hat. Einen Druck von seiten der Eltern bei der Berufswahl der Kinder halte ich für vollkommen falsch. Wohl haben die Eltern eine beratende Stimme.

Ich will nun im folgenden kurz meine Stellung zur modernen katholischen Jugendbewegung darlegen. In den unteren und mittleren Klassen habe ich mich für die katholische Jugendbewegung sehr begeistert und ich hätte mich auch der Jugendbewegung an unserer Schule angeschlossen, wenn ich die Erlaubnis meines Vaters dazu erhalten hätte. Aber, Gott sei Dank, möchte ich fast sagen, obwohl ich die Jugendbewegung noch immer sehr hoch schätze, habe ich sie nicht erhalten. Ich will nun im folgenden zu begründen suchen, weshalb ich meinem Vater dankbar bin, daß er mir seinerzeit die Erlaubnis nicht gegeben hat. Denn bei näherem Zusehen und Beobachten der katholischen Jugendbewegung habe ich leider die Feststellung machen müssen, daß in den Reihen der Jugendbewegung sich langsam neben den sozialen Ideen ein immer stärker werdender Egoismus breitgemacht hat, besonders in Führerkreisen, der dann bei manchen Bewegungen dazu geführt hat, daß sie jegliche Autorität über sich ablehnen, zum Beispiel Elternhaus und Schule, und dagegen opponieren, wo sie können, und daß sie außerdem jede soziale Tätigkeit der Jugend verwerfen. Weiter muß ich offen gestehen, daß ich nicht die notwendige Zeit und vor allem das nötige Geld zur Verfügung gehabt hätte, um mich wirklich aktiv an der Jugendbewegung und ihren Veranstaltungen, zum Beispiel an ihren Wanderungen, beteiligen zu können. Außerdem liebe ich diese sonntäglichen Wanderungen nicht; denn ich stehe auf dem Standpunkt, daß der Sonntag der Tag Gottes ist und besonders geeignet ist für die Pflege des Gedankens der Familiengemeinschaft, der aber zweifellos nicht durch diese sonntäglichen Wanderungen gefördert wird.

Ich bitte meine besondere Leistungsfähigkeit in Hebräisch prüfen zu wollen. Ich habe mich für diese Sprache immer besonders interessiert und mich in diesem Jahre besonders mit der Entstehung der Heiligen Schrift und dem Propheten Isaias beschäftigt.

Ferner bitte ich auf dem Reifezeugnis meine Zugehörigkeit zur katholischen Kirche zu vermerken.