DKG (Köln)

Gesamtbeurteilung des Sonderlehrgangs B

Charakteristik des Lehrgangs.

Der Lehrgang ist recht unterschiedlich zusammengesetzt.

Dem Lebensalter nach ist ein Teilnehmer 23 Jahre (D.), drei 21 Jahre (H., K. und V.), zwei 20 Jahre (S., S.), zwei 19 Jahre (H., W.), zwei 18 Jahre (P. und R.).

Soldat und Kriegsteilnehmer war D. seit 1942 (dreimal verwundet), K. und V. seit 1943 (K. einmal verwundet). LWH seit 1943, anschließend in RAD und Wehrmacht seit 1944 waren H., S., S. und W. (S. verwundet), LWH 1944 war P. (2 Monate). Nicht eingezogen: H. und R..

Vorbildung: Nach normalem Unterricht aus Klasse 8 entlassen sind H. und R.; nach LWH-Unterricht aus Klasse 8 entlassen H. und W.. Aus Normalklasse 7 entlassen D. und P.; aus LWH-Klasse 7 entlassen S. und S.. Aus Normalklasse 6 entlassen V. und K..

Der Begabung nach sind drei Gruppen zu unterscheiden:

1.) Gruppe: P., R., V..
2.) Gruppe: K., H., W., D..
3.) Gruppe: H., S., S..

Bekenntnis: 9 Teilnehmer katholisch, 1 evangelisch (S.).

Bei der starken Differenzierung der Teilnehmer war der Arbeitswille und die Leistung des Lehrgangs zu Anfang ungleichmässig. Die Teilnehmer fanden sich aber bald zu guter Kameradschaft und erfreulichem Streben zusammen. S. fiel es am schwersten, den „alten Krieger“ zu vergessen, doch hat auch er den Anschluss an die Arbeitsgemeinschaft seiner Kameraden gefunden. Insgesamt lagen die Leistungen niedriger als in dem ersten (halbjährigen) Lehrgang.

Das Verhältnis zwischen Lehrern und Lehrgangsteilnehmern war ungetrübt gut.

Vorschläge für den deutschen Aufsatz des Sonderlehrgangs B

1.) Gedanken zu dem Gedicht von Gottfried Keller: „Abendlied“. („Augen, meine lieben Fensterlein, ...“)

2.) Rahmenthema: „Ehre“.

3.) Betrachtung des Standbildes „Moses“ von Michelangelo.

 

zu 1. Was den Prüflingen nicht bekannte Gedicht wird ihnen unbeschränkt zur Verfügung gestellt.


Beurteilung

Wolfgang W., 19 Jahre, Sohn eines Tierarztes, gesund und kräftig. LWH seit 1943. RAD und Wehrdienst bei berittenen Einheiten.

W. ist ein praktisch-kluger Mensch. In richtiger praktischer Abschätzung des zur Erreichung seines Zieles Notwendigen ist er im Unterricht aufmerksam und in der Arbeit strebsam. Der in Aussicht genommene Beruf (Tierarzt und Tierzüchter) erfüllt seinen Drang nach praktischer Betätigung. Seine besten Leistungen zeigt er in Biologie und Chemie.

Lebenslauf

Am 28.3.1927 wurde ich, Wolfgang W., als Sohn des Stadttierarztes Dr.med.vet. Heinrich W. und seiner Ehefrau Maria, geb. M., geboren. Von Ostern 1933 an besuchte ich die katholische Volksschule in Köln. 1937 kam ich auf das Staatliche Gymnasium in Köln-Mülheim. Seit 1939 war ich Schüler des Dreikönigsgymnasiums. Nach den ersten Kriegsjahren ging der Unterricht infolge der Kriegsereignisse immer mehr zurück, sodaß schon in der Mittelstufe Lücken im Wissen entstanden.

Mit Begeisterung wurde ich im Februar 1943 Luftwaffenhelfer. Es war aber unmöglich, Dienst und Schule in passender Weise zu vereinigen. Die anfängliche Freude schlug bald in das Gegenteil um. Die Anforderungen und Ablenkungen im Verlauf des Dienstes waren so groß, daß ein geregelter Schulbetrieb fast unmöglich war. Ab August 1944 fiel der Unterricht dann vollkommen aus. Im September des gleichen Jahres kam ich zum R.A.D. und anschließend zur Wehrmacht. Nach einer unruhigen und mangelhaften Ausbildung, die wegen der nahen Front schon mehr Einsatz war, wurde unsere Einheit im März 1945 bei Wesel eingesetzt. Die Truppe wurde zersprengt und ich beriet 8 Tage später in Gefangenschaft. In unserem Lager, das in der Nähe von Ostende lag, war die körperliche sowohl wie die geistige Not sehr groß. Hinter Draht lernte ich Menschen kennen, die ihrem Benehmen ihresgleichen gegenüber keinerlei Zwang mehr anlegten. Daß in der Not die Menschen mehr zusammenhalten, habe ich selten gesehen. Auf einem Arbeitskommando konnte ich meine englischen Schulkenntnisse erweitern. Nach 6 Monaten wurde ich entlassen. Kurz nach meiner Rückkehr verunglückte mein Vater auf einer Praxisfahrt tödlich.

Seit Januar beteiligte ich [mich] an dem Unterricht im Sonderkursus. Das Anpassen an den geregelten Schulbetrieb war im Anfang etwas schwierig, da ich an ein geregeltes Leben und geistige Arbeit seit zwei Jahren nicht mehr gewöhnt war. Sehr vieles ist vergessen und es fällt zum Teil schwer, das Fehlende nachzuholen. Dem Streben nach geistigen Werten so nachzukommen, wie ich es mir bei meiner Rückkehr aus Gefangenschaft vorgestellt hatte, ist durch den plötzlichen Tod meines Vaters nicht möglich. Beim Neuaufbau einer Wohnung, wir sind totalfliegergeschädigt, mußte ich hart mit anpacken. Dies fiel mir weniger schwer, da ich es in den letzten Jahren gelernt hatte. Aber auch andere Schwierigkeiten, nicht zuletzt die finanziellen, müssen überwunden werden. Da dies früher alles der Vater machte, erzieht die Not mich früh zur Selbständigkeit.

Schon durch den Beruf meines Vaters war ich von Kind an in stetiger Berührung mit der Tierwelt. Einen großen Teil meiner Jugend habe ich im Schlachthof gelebt und auf Praxisfahrten wurde ich häufig mitgenommen. Bei Wehrmacht und R.A.D. war ich stets bei bespannten oder berittenen Einheiten. Mit der Zeit gewann ich so den Beruf meines Vaters lieb. Jedoch nicht nur in der Tierheilkunde, sondern auch in der Tierzucht möchte ich tätig sein.

Es ist verständlich, daß schon in der Schule meine besondere Vorliebe der Biologie und der Chemie galt. Weiteres Interesse gilt der deutschen Literatur und der Geschichte. In der Bibliothek meines Vaters hatte ich Gelegenheit, viele und gute Bücher zu lesen. 1942 nahm ich im Petrarcainstitut an einem Kursus für Italienisch teil.

Um meine Freude an der Musik zu fördern, hatte ich vor dem Kriege einige Jahre Klavierunterricht.

Meine sportlichen Interessen begrenzten sich auf Reiten und Schwimmen.

Abituraufsatz

Rahmenthema: „Ehre".

Eine genaue Definition des Begriffes Ehre aufzustellen, wie sie etwa auf einen{bei einem} mathematischen Begriff angebracht wäre, ist gewagt. Ehre gehört mit vielen andern auf der Werteskala in etwa derselben Höhe stehenden Begriffen zu den subjektiven{Es bedürfte einer Erklärung, welcher Wert einem subjektiven Begriff zuerkannt werden soll.} Begriffen. Die Ansicht von der Ehre, wie das tausendjährige Reich sie hatte, kann heute nicht mehr vertreten werden. Sie ist schon überlebt.

Gehört denn Ehre zum Leben wie das tägliche Brot{,} oder ist Ehre eine dem Wesen jedes Menschen eigene Tugend? Nein, denn jeder Mensch hat sie nicht{Wortstellung: nicht jeder Mensch hat sie}, sie ist keine Tugend{,} und ohne Ehre kann der Mensch auch leben. Dies aber nur dann, wenn er in seinem Leben unabhängig von der Gemeinschaft ist. Je primitiver der Mensch vegetiert{„Primitiv vegetierten" wird hier anscheinend dem Außerhalb-der-Gemeinschaft-leben gleichgesetzt.} um so weniger kennt er Ehre. Ein in der Wüste lebender Eremit wird nicht auf Ehre angewiesen sein. Er zählt deshalb aber nicht zu den Ehrlosen, die es in großer Zahl gibt.{Die Definition bleibt im Negativen stecken.} Wenn ich behaupte, Ehre ist keine Tugend, so will ich damit sagen, daß der Mensch sie nicht von sich zu deren Austeilung er auf Grund einer irgendwie erworbenen Stellung berechtigt ist, Ehre zuteil kommen läßt, so ist es verständlich, daß diesem die Ausreichung einer Beleidigung gleichkommt. {So sollte es sein.}

Wer ist denn nun der Ehre wert? Ehre verdient jeder, der sich durch Leistung in seinem Beruf Verdienste um die Allgemeinheit erwirbt. Der Beruf{Die Art des Berufes...} spielt dabei keine Rolle; ein Handwerker kann ebenso wie der geistig Arbeitende der Ehre wert sein. Entscheidend ist allein seine Leistung{Das widerspricht dem eben gesagten. Oder ist die Leistung des Gelehrten, Künstlers, Erfinders an sich nicht größer als die eines Handwerkers?}. Die Subjektivität der Ehre{Wandelbarkeit des Ehrbegriffs} liegt nun zum Teil darin,k daß in den jeweiligen Zeitströmungen die Ansichten über die Leistungen verschieden sind. Einmal ist Mord Leistung, dann wieder wirkliches, auf gerechter Grundlage aufgebautes Streben nach dem Wohl der Gemeinschaft. {Im Entwurf lautet dieser Satz: Einmal wird der Mord ... zur Leistung „gestempelt", dann wieder wird ... Streben ... als Leistung angesehen.}

Eine Persönlichkeit muß Ehre haben. Denn seine Persönlichkeit liegt in der Achtung der anderen{In dieser Form Unsinn. Nach dem Zusammenhang soll wohl gesagt sein: Eine an verantwortungsvoller Stelle stehende Person bedarf der Ehre d.h. der Anerkennung seiner Leistung, um erfolgreich wirken zu können.}, die diese ihm auf Grund seiner Leistung entgegenbringen. Diese ist seine Ehre. Wird diese Ehre geschmälert, so fühlt sich sein Ehrgefühl verletzt. Er darf jetzt nicht, die Ungerechtigkeit der Welt einsehend, den Kopf hängen lassen, sondern durch doppelte Leistung muß er den anderen zeigen, daß er der Ehre doch würdig ist. Streben nach Ehre erfüllt jedes Gemeinschaftswesen, doch liegt die zu erreichen suchende Ehre in verschiedenen Bahnen{?}. Der eine Mensch sieht seine Ehre in dem vergänglichen, lauten Beifall, der andere in der inneren geistigen Wertschätzung, die andere ihm auf Grund seiner Leistung gewähren und bei wahrer Leistung auch zu gewähren verpflichtet sind. Jeder kleine{Nicht nur der kleine M.} Mann braucht Ehre, denn ohne sie kann er in seiner Familie bzw. seinem Kreis nicht wirken. Dies Streben nach Ehre kann sich leis{So auch im Entwurf. leicht?} zur Sucht steigern und diese hat schon manchem Soldaten das Leben gekostet. Verbrechen ist es, diese menschliche Schwäche auszunutzen und durch Schaffung falscher Ehren Menschen in den Tod zu jagen, nur um besonderer Leistung willen. Denn wenn der Wert der Ehre auch groß{Es ist nie klar, was hier unter „Ehre" verstanden wird. Die „falschen Ehren" gelten doch nicht als „groß".} ist, größer ist der Wert des Lebens. Ehre gibt uns die Menschheit, das Leben haben wir aber von Gott empfangen.

Hört man heute von „Offiziersehre" sprechen, so liegt über den Mienen der Beteiligten ein Hauch der Ironie. Gewiß, in den letzten 12 Jahren ist dieser Begriff mit den Füßen getreten worden{Auch hier fehlt die Klärung des Begriffs.}; aber es darf nicht vergessen werden, daß es Offiziere wie Mannschaften gab, die vor allem Gott die ihm gebürende{R. gebührende} Ehre gaben, aber auch den Mensch in jedem Menschen ehrten.

Ehrlos ist derjenige, dem jegliches Verständnis für die richtige Einstufung der Dinge fehlt und der wahre{? große? oder uneigennützige?} Leistung für die Gemeinschaft nicht kennt. Der Ehrlose wird von seinen somatischen Trieben gerissen{Im Entwurd „hin und her gerissen"}. Er besitzt weder die Weisheit noch das Maßhalten. Der Mut dient ihm nur zur Befriedigung der eigenen Triebe. In diesem Licht besehen müssen uns die, die mit den Worten: „Gemeinnutz geht vor Eigennutz" nur ihre eigenen Macht- und Erwerbstriebe erfüllten{befriedigten} als ehrlose Verbrecher erscheinen{,(} die sie auch waren{)}{überflüssig}.

Zusammengefaßt wäre unter Ehre etwa folgendes zu verstehen: Ehre ist die Hochachtung, die mir als Mensch von anderen Menschen auf Grund meiner Leistungen entgegengebracht wird. Die anderen Menschen müssen auf Grund ihrer Bildung in der Lage sein, meine Leistung als solche beurteilen zu können. {Deutlicher: Wertvoll ist nur die Hochachtung solcher Menschen, die auf Grund ihrer Bildung ... zu beurteilen. (zu können)} Als [......] kann ich ohne Ehre nicht leben {nicht wirken u. mich nicht wohlfühlen.} Das Streben nach Ehre verläuft in den Ebenen der entsprechenden Bildungsstufe{Sinn?}. Erkenne ich, soweit meine Fähigkeiten es gestatten, daß die Leistung eines anderen der Ehre wert ist, so verpflichtet meine Ehre mich{?}, ihm diese auch zu erweisen; mögen die begleitenden Umstände mir auch nicht gefallen, die Größe der Leistung muß ich anerkennen. Einmal in den Besitz der Ehre gelangt, habe ich die Pflicht, diese zu wahren, indem ich sie nicht durch ehrenrührige Handlungen auf's Spiel setze. Ich muß mir bewußt sein, daß Ehre nicht das Höchste ist, denn sie ist vergänglich. Unvergänglich ist nur die Ehre Gottes, denn{Mißverständnis! Hier kann es nur heißen: unvergänglich ist die Ehre die Gott, der Allwissende u. Gerechte, erteilt.} „Die Himmel rühmen die Ehre Gottes ..."!

{W. hat ein Thema gewählt, das seiner raschen, wenig bedächtigen Art nicht liegt, dem er dagegen wohl in einem Prüfungsgespräch gerecht werden könnte. Seine Formulierungen und Folgerungen sind oft nicht genügend durchdacht und entbehren der Klarheit. Der Arbeit als Ganzem fehlt die Einheitlichkeit. Aus seinen Ausführungen geht immerhin hervor, daß er vom Ehrbegriff die richtige Vorstellung und zum Wert der Ehre die richtige Einstellung hat.

Genügend.

Die Jahresleistungen waren befriedigend.}