DKG (Köln)

Vorschläge für den deutschen Aufsatz der Reifeprüfung 1932

1.) Vom Brief und vom Briefschreiben

2.) Mein Verhältnis zum Roman und zum lyrischen Gedicht

3.) Bericht über eine öffentliche Veranstaltung (Versammlung, Konzert, Schauspiel, Vereinsfeier oder dergl.)

4.) Vergessen und Vergeßlichkeit (Erlebnis, Charakteristik oder Abhandlung)


Beurteilung

W., Wilhelm

hat, abgesehen von der Mathematik, für alle Fächer eine einigermaßen ausreichende Begabung, er hat auch immer seine Pflicht getan. W. hat sich während seiner Gymnasialzeit stets mit großer Hingabe der katholischen Jugendbewegung in Neudeutschland gewidmet. In den letzten Jahren war er Gruppen- und Gauführer. Er hat sich dabei ausserordentlich viel Mühe gegeben, und er besitzt auch für diese Organisationsarbeit unleugbar Geschick. Aber diese Tätigkeit mit den äusseren Erfolgen, die ihm schmeichelten, ist seiner Charakterentwicklung nicht günstig gewesen. W. neigt dazu, seine Person zu überschätzen, und darum ist er in den letzten Jahren der Klassengemeinschaft tatsächlich nicht näher gekommen, obwohl er glaubte, hier führend zu wirken.

Lebenslauf

Als Bub der Großstadt bin ich aufgewachsen, der wie alle seine Altersgefährten vier harte Kriegsjahre mitmachte, aber durch ein ruhiges Elternhaus, durch sorgende Liebe von Vater und Mutter diese Jahre der Not nicht als Schmerz und Entsagung empfand. Eine echtreligiöse Erziehung ohne viel Problematik legte in mir den Grund zum Beruf.

Die Jahre der Volksschule, der Höheren Schule gingen schnell herum. Äußerlich ereignete sich nichts von Bedeutung. Die Schule gab mir das, was sie mir fürs Leben geben mußte. Ich tat meine Pflicht, wenn auch nicht immer mit größter Freude. Sehe ich jetzt auf meine Schulzeit zurück, muß ich sagen, daß sie schön war und mir neben der Arbeit auch viel Freude brachte.

Immer und immer wieder ruft man heute nach der Jugend. Nach einer Jugend, die Rettung bringen soll durch Opfer und Entsagung, durch nimmerendende Arbeit, durch kraftvolles Vorwärtsstürmen. Ob die Jugend all das erfüllt? Ich weiß es nicht. Ich selbst aber bin stolz darauf und freue mich, daß ich seit zwei Jahren in Neudeutschland als Führer mitarbeiten durfte, daß ich ein klein wenig mithelfen konnte in dieser Jugend, die einen selbst immer wieder froh macht und stärkt, sei es draußen auf Fahrt oder daheim in der Arbeit. Bei ihr fand ich nicht nur Gemeinschaft und Freude, sondern auch seelische Vertiefung und ein ehrliches Wollen. Ich fand bei ihr Kraft.

Jugend will im allgemeinen nicht, daß man von ihr spricht oder sie sogar anerkennt, aber sie "will da sein" und mit ihrem Wollen und Handeln am Aufbau einer neuen Zeit mithelfen.

Mein Führertum fasse ich als hohe Aufgabe auf, als ein Amt, das Gott mir übertragen hat, für dessen Führung ich Rechenschaft schuldig bin. Vielleicht Vorbereitung auf mein Priestertum. Ich hoffe es. Ich liebe den jungen Menschen, der überall seinen Mann stellt, sich keiner Sache gegenüber verschließt, sondern immer in aufgeschlossener Bereitschaft steht, der Körper und Seele gesund hält und zu Christus als seinem Führer steht. Ich möchte ihn einen modernen Menschen nennen, ohne dabei die zu übergehen, die anderer Überzeugung sind. Auch sie erkenne ich durchaus an, sofern sie eben ihr Ziel in ehrlichem Kampfe erreichen wollen.

Möge man über diese Zeilen nicht hinweglesen. Sie sind mir wirklich ernstgemeint. Wenn sie meiner Lebensaufgabe ein wenig Ausdruck verschaffen, bin ich zufrieden.

Darf ich ganz kurz etwas sagen über das was ich lese, bezw. gelesen habe. Zuerst einmal die Zeitung, angefangen bei der Politik, die mich überhaupt sehr interessiert, aufgehört beim Sport. Nur für Börsenteil und Handelsnachrichten konnte ich mich nie begeistern. Ich glaube, daß jede einigermaßen gute, objektive Zeitung ein ordentliches Maß Allgemeinbildung vermittelt, besonders im Geschehen der heutigen, aufgewühlten Zeit. Zeitschriften lese ich weniger gern, abgesehen von unserer Bundeszeitschrift, dem "Leuchtturm", und den Schriften befreundeter Jugendbünde. Es scheint mir aber auch so vollauf zu genügen.

Etwas mehr habe ich mich befaßt mit der Geschichte, die mich immer ein wenig reizte und auf der Schule für mich das angenehmste Fach war. Darum möchte ich auch Geschichte als Wahlfach bei der mündlichen Prüfung nehmen.

Und wenn ich zum Schluß noch eine Bemerkung anfügen darf, so ist sie mir ehrlich gemeint und kommt mir wirklich aus dem Herzen. Oft habe ich mich auf der Schule fragen müssen: warum das alles? Was hast Du davon? Was nützen beste Fachkenntnisse in Griechisch, in Geschichte, was nützt die beste französische Grammatik und die Lösung der schwierigsten Mathematikaufgabe, wenn ich im Leben nicht bestehen kann? Ich muß sagen, ich habe es als Schüler oft empfunden, daß der Unterricht, die ganze Pädagogik zu lebensfremd ist, das gar oft ein großes Ziel fehlt, daß eben alles nur abgestimmt ist auf Fachkenntnis und Spezialwissen. Umso mehr Freude machte es mir allerdings auch, wenn Fragen der praktischen Lebensarbeit und seelischen Inhalts behandelt wurden, die doch gerade dem jungen Menschen auf der Seele brennen. Daß solche Fragen besonders in letzter Zeit häufig besprochen wurden, erkenne ich dankbar an.

Hierdurch bitte ich um Zulassung zur Reifeprüfung im Ostertermin 1932.

Nach bestandener Prüfung möge auf dem Reifezeugnis vermerkt werden, daß ich katholischer Konfession bin.

Ich wende mich dem Studium der katholischen Theologie zu.