DKG (Köln)

Gesamtbeurteilung des Sonderlehrgangs C

Allgemeine Beurteilung des Sonderlehrgangs (1947)

Es hat in der 500-jährigen Geschichte des alten Tricoronatums keinen Abschlussjahrgang gegeben, in dem sich die Wucht der Schicksale und das Ausmass katastrophischen Erlebnis so massiert haben wie bei den 34 jungen Männern, die nunmehr zur Reifeprüfung anstehen. Insofern ist die Situation einzigartig.

Es zeigte sich daher in Verlaufe des Jahres bei dieser so hart mitgenommenen Jugend eine moralische Reife und innere Diszipliniertheit wie nie zuvor. Nur so ist ihre bedeutsamste Leistung zu verstehen: aus der Todesnot der Schlacht, aus anfangs unmenschlicher Gefangenschaft, aus Trümmerelend und oft quälenden Hunger, aus völliger Ausweglosigkeit im Vorblick auf Zukunft und Beruf sich radikal und verbissen umzuschalten auf die intellektuelle Zucht und die kontemplative Ruhe einer schulischen Existenz. Dass diese Jungen zu einer derart revolutionären Umstellung nach all ihrem leidvollen Erleben fähig waren, das ist und bleibt ihre willensmässig, aber auch intellektuell bedeutsamste Leistung in diesem Jahre.

So war es erhebend festzustellen, mit welcher Unverzagtheit sie ihren schweren Wissenslücken zu Leibe rückten, mit welcher Aufgeschlossenheit sie sich den allgemeinen Problemen der menschlichen Existenz und philosophischen Wesenlehre zu stellen wussten.

Bei diesem geistigen Klima ermöglichte sich in fast allen Fächern eine Intensität geistigen Begegnens zwischen Lehrenden und Lernenden, eine Arbeitsgemeinschaft wahrhaft existenziellen Charakters, die oft genug den engen zeitlichen Rahmen einer Unterrichtsstunde sprengte. So erklärt es sich auch, wie aus mündlichen und schriftlichen Äusserungen der Jungen immer wieder festzustellen war, wie beglückt sie dieses erneute Erlebnis der Schule und ihre überzeitliche Idealität unmittelbar nach der Hölle des Krieges empfunden haben. Die Nichtanerkennung des Reifevermerks haben sie keineswegs beklagt, sie wurde von ihnen im Gegenteil durchaus positiv gewertet. Es gab sogar junge Leute, die im Bewusstsein ihrer Bildungslücken von sich aus ihre Bedenken gegen eine Versetzung in den Sonderlehrgang anmeldeten.

Erfreulich ist die Tatsache, mit welch einem zwingenden Optimismus diese Jungen auf ihren künftigen Beruf lossteuern – trotz aller objektiven Not um sie herum. Fast alle haben ein klar umrissenes Berufsziel, meist akademischen Charakters.

Es bleibt noch eine erstaunliche Feststellung: die Verschiedenartigkeit der Erlebnisse und die jahrelange Zerstreutheit über ganz Europa hinweg vermochten dennoch nichts an der positiv christlichen Lebens- und Denkform des Einzelnen zu ändern. Aus Erzählung und inzwischen eingereichtem Lebenslauf geht vielmehr hervor, wie sehr gerade aus ihr heraus diese Jungen das anstürmende Chaos und eine oft verzweifelte Situation durchzustehen, ja ihrer geistigen Gesamtentwicklung sinnvoll einzugliedern wussten.

Diese Bewährung ihrer christlich – humanistischen Lebens- und Denkform in Not und Tod liess die einzelnen Jungen alsbald nach ihrem Eintritt in den Sonderlehrgang zu einer lebendigen Gesinnungsgemeinschaft verwachsen, in der zu lehren eine Freude war. Es zeigte sich allgemein eine fundierte Grundsatztreue, die sich bis in den Lehr- und Lernbetrieb der Einzeldisziplinen hinein auswirkte. Mit einer äusserst sensiblen Kritik überwachten sie – vor allem in den Weltanschauungsfächern – die angetragenen und auszutragenden Probleme. Es wurde rege, aber immer wieder aus einem geschlossenen und tief gläubigen Positivismus heraus diskutiert. Dabei war auffällig, dass die Machtphilosophien und Existenzlehren der Vergangenheit – wenn sie überhaupt noch ein distanziertes Lächeln fanden – fast völlig vergessen und auch in der Diskussion kaum noch eine Rolle spielten.

Wenn nur alle Bildung wesentlich in der f o r m a l e n Einheit einer aus weltanschaulicher Fundierung heraus k r i t i s c h e n U r t e i l s k r a f t besteht, dann ist sie bei diesen jungen Männern trotz materialer Wissenslücken, die nicht verkannt werden dürfen, dennoch in ausgezeichnetem Masse vorhanden. Denn diese lebendige und kritisch-wache Geistform soll sich nicht erst, sie h a t sich bereits bewährt unter Umständen, vor denen alles bloss rationale, n u r humanistische Bildungswissen zerstoben wäre.

Dass aber diese Synthese furchtbarster Erlebnisse, klassischer Erinnerungen und positiver Gläubigkeit diesen jungen Leuten überhaupt möglich war, dass ihnen zuvor über alle materiale Wissensvermittlung hinweg eine lebendige und einwandelnde Geistform allmählich zuwuchs, das danken sie nach eigener Aussage in erster Linie der universalen und jahrelangen Bildungsarbeit ihres Religionslehrers.

Ausserhalb der Schule ist es vor allem die führende Tätigkeit in der Pfarrjugend, die diese jungen Männer Verantwortlichkeit und Selbstzucht sowie den Wert positiven Wissens zeitig schätzen liess. Viele haben sich dieser Tätigkeit auch illegal in den Jahren des Nationalsozialistischen Regimes gewidmet, so dass sie der heisse Atem des weltanschaulichen Ringens angeweht hat, der sie die freie Schule nach ihrer Rückkehr um so beglückter erleben liess.

So stehen sie heute – charakterlich mehr gerüstet als irgend eine andere Generation, weil früh bewährt und tapfer entschlossen, aber auch voll tiefer Gläubigkeit an die Welt des Geistes und der Gnade – vor einem Leben, dessen verzweifelte Not menschliches Mühen weitaus übersteigt. Und trotz allem: es ist die helle Zuversicht dieser geschundenen und darum so gereiften Jugend, dass sie ihr Leben in Frieden und christlicher Gutwilligkeit meistern wird. Und ich glaube: dieser Optimismus steckt an.

Zwar hat der Lehrgang kaum blendende Sonderleistungen aufzuweisen. Auch die intellektuelle Begabung hielt sich in durchschnittlichen Grenzen. Gegen Ende des Jahres stiegen die erzielten Leistungen naturgemäss an, je mehr die Jungen sich ein- und beizuarbeiten vermochten.

Es dürfte aber kaum einen Jahrgang geben, der mit grösserer Dankbarkeit, mit ernsterem Streben und idealerem Wollen die Schule verlassen hat.

Vorschläge für den deutschen Aufsatz des Sonderlehrgangs C

1. Vorschlag:

a) Meine Vorstellung vom neuen Menschen.
b) Goethes Faust und die christliche Vernunft.
c) Rheinisches Abendland.

2. Vorschlag:

a) Fausts Glaubensbekenntnis in christlicher Schau.
b) Einige Wesenszüge in Goethes Menschenbild.
c) Inwiefern ist Goethes Iphigenie ein klassisches Drama?

Die 3 Themen des 1. Vorschlages zur Wahl.


Beurteilung

R.G. ist noch jung, er ist 19 Jahre alt. Der Vater ist mittlerer Beamter. Der eingereichte Lebenslauf des Jungen beginnt mit der bezeichnenden lakonischen Synthese: „Meine Eltern sind Rheinländer und Katholiken."

G. ist einer der vornehmsten und begabtesten Jungen des Lehrgangs. Er war es, der sich seinerzeit gegen die Aufnahme in den Sonderlehrgang sperrte mit der Begründung, dass er noch nicht die ausreichende intellektuelle Reife besitzt. Die Tiefe seiner intellektuellen und emotionalen Kräfte, die ihn - wohl auch infolge seiner nervösen Erkrankung (Epilepsie?) - zu einem ganz und gar introvertierten Menschen werden liess, hat er in strengster Zucht. Eine peinliche Sauberkeit beherrscht Denken und Tun. Mit verbissener Grübelsucht hängt er den Dingen des Unterrichts oft tagelang nach. Seine Einwände und Fragen verraten immer letzte weltanschauliche Stellungnahme.

Ganz in der substantialen Katholizität von Elternhaus und Vaterstadt verwurzelt, hat er sich bei aller Abgeschlossenheit seines Wesens dennoch eine bewusste und kultivierte Umgänglichkeit abgetrotzt, die ihn Schülern und Lehrern gleicherweise schätzenswert macht. So steht er mitten in der Jugendarbeit, tut auch da sein Bestes und will seine künftige geistige Existenz auf das Studium der alten Sprachen gründen.

Leistungen: sehr gut in Religion, gut in Deutsch, Latein, Griechisch, Geschichte, Biologie, befriedigend in Mathematik.

Lebenslauf

Ich bitte um Zulassung zur Reifeprüfung im Ostertermin 1947.

Meine beiden Eltern sind Rheinländer und Katholiken. Meine Mutter ist in Düren als Tochter eines Kaufmanns geboren. Ihre Familie stammt vom Niederrhein und aus der Brühler Gegend. Von ihr habe ich praktischen Sinn und rheinische Fröhlichkeit als Erbe bekommen. Mein Vater ist der Sohn eines Kölner Schuhmachers. Seine Familie kommt aus der Andernacher Gegend. In seinen Volksschuljahren fiel mein Vater auf durch Fleiß und Begabung. Der verstorbene Weihbischof Stoffels verschaffte ihm eine Freistelle am Apostelgymnasium, da ein Studium über die Verhältnisse der Familie ging. Nach dem ersten Weltkrieg brach mein Vater sein begonnenes Theologiestudium ab und wurde Beamter der Stadt Köln.

Ich wurde am 6.3.1928 in Köln geboren. Wir wohnten im Hause meiner Großeltern in Ehrenfeld. Mein drei Jahre jüngerer Bruder wuchs mit mir auf unter einer lockeren und doch behutsamen Erziehung.

Mit sechs Jahren kam ich zur Volksschule. Mein erster Lehrer war ein feiner und verständnisvoller Erzieher. Er machte mir den Übergang aus der Freiheit in den Zwang des Schullebens leicht. Ich lernte ohne Mühe und machte meine Hausaufgaben stets selbständig. Das Rechtschreiben war meine Stärke und der Aufsatz machte mir bald Freude. Etwas anstrengen mußte ich mich bei der Bruchrechnung. In diesen Jahren beteiligte ich mich immer weniger an dem Spiel auf der Straße und blieb lieber zu Hause bei meinen Büchern.

Im Jahre 1938 wurde ich zehnjährig in die Sexta A des Dreikönigsgymnasiums aufgenommen. Mein erster Ordinarius war Studienassessor Rick. Durch sein sportliches Können und seine Persönlichkeit wurde er mir zum Idealmenschen. Er weckte in uns die Liebe zum Sport und hielt auf gute Disziplin. An unseren Geist stellte er ebenso hohe Anforderungen wie an den Körper. Er achtete darauf, daß jeder seine Kraft einsetzte. Zu unserem großen Schaden wurde dieser Herr bald zum Militär eingezogen. Ich persönlich unterhielt noch jahrelang einen herzlichen Briefwechsel mit ihm. Meine Lieblingsfächer waren Deutsch, Religion, Geschichte, Geographie, Biologie. Gute Prädikate hatte ich auch stets in Latein. Am Sport hatte ich Freude, konnte es aber dort nicht zu guten Prädikaten bringen. Die Mathematik machte mir immer etwas Schwierigkeiten. In den ersten Kriegsjahren wechselte unsere Klasse ständig die Lehrer, sehr zu unserem Schaden. Bei dieser lockeren Führung arbeitete ich zu wenig für die Schule und las mit wahrem Heißhunger die Bücher von Karl May.

Wenn ich von diesen Jahren schreibe, darf ich auch die H.J. nicht übergehen. Mit 10 Jahren wurde ich Pimpf im „Deutschen Jungvolk". An dem militärischen Gehabe dieser Jugend hatte ich zunächst große Freude. Als ich aber Woche für Woche rekrutenmäßig gedrillt wurde, schlug diese Begeisterung bald in ihr Gegenteil um. Ich erkenne heute mit Bedauern, daß wir dort zu politischen Zwecken mißbraucht wurden. Trotzdem hatte das Leben in der Gemeinschaft auch in dieser Form seine guten Seiten: Wir wurden zur Schnelligkeit, Aufmerksamkeit und Kameradschaftlichkeit erzogen.

Es war in unserer Familie üblich, die Sommerferien in einer Bauernpension in Eifel oder Hunsrück zu verbringen. So fuhren wir in den ersten Kriegsjahren wiederholt in eine einsame Eifelmühle. Ich erlebte dort herrliche Wochen in den Wäldern. Tagelang angelte ich bei Sonnenschein am Mühlteich. In diesen Tagen lernte ich es, mich still in die Natur zu versenken, wie ich es an späteren Winterabenden dichterisch gestaltet bei Adalbert Stifter wiederfand.

In der Mittelstufe mußte ich mich energischer an die Schularbeiten machen. In diesen Jahren begannen die englischen Luftangriffe auf offene Städte. Die nächtlichen Schlafstörungen schadeten meiner Gesundheit sehr und hinderten mich beim Lernen. Im Mai 1942 erhielt unser Haus bei dem ersten Großangriff auf Köln einen schweren Bombenschaden. Wir mußten eine möblierte Wohnung beziehen, konnten aber dank der Tatkraft meines Vaters nach einem Jahr wieder in unser Haus zurückkehren. Eine Stirnhöhlenentzündung nötigte mich um diese Zeit, den Unterricht ein halbes Jahr zu versäumen, bis ich zu Beginn des Jahres 1943 wieder daran teilnehmen konnte. Mit Hilfe von Privatstunden gelang es mir, den Leistungsstand der Klasse zu halten. Mein Vater pachtete damals einen Obst- und Gemüsegarten, dessen Bearbeitung mir sehr viel Freude machte. An der Arbeit der Katholischen Jugend in unserer Pfarre beteiligte ich mich rege. Im Sommer 1943 unternahm ich mit Kameraden aus der K.J. eine Fahrt nach Süddeutschland. Ich erlebte herrliche Wochen im Schwarzwald, am Bodensee und in den Vorbergen des Allgäu. Meine Einberufung als Flakhelfer wurde um ein Jahr zurückgestellt, und so konnte ich zunächst weiter die Schule besuchen. In dieser Zeit las ich vor allem in den Werken von Goethe, Schiller, Lessing, Kleist sowie Eichendorff, Storm und Gottfried Keller. Ich begann aus eigenem Interesse, etwas Philosophiegeschichte zu treiben.

Im Sommer 1944 wurde ich in ein Wehrertüchtigungslager eingezogen. Ich war gesundheitlich in keiner guten Verfassung, da ich eine schwere Angina noch nicht überstanden hatte, fuhr aber trotzdem in das Lager. Von dort wurde ich nach einigen Tagen schwer erkrankt zurückgeschickt. Kurz darauf wurde der Schulunterricht infolge der Kriegslage eingestellt, so daß ich die Schule nicht mehr besuchen konnte. In der Folgezeit betrieb ich ein häusliches Studium, bei dem mich zwei Studienräte aus der Nachbarschaft unterstützten. Ich bemühte mich, den früher gelernten Stoff zu wiederholen, soweit das unter den damaligen schwierigen Verhältnissen möglich war.

Mit dem Einmarsch der Amerikaner im Frühjahr 1945 brach ich mein Studium vorläufig ab. Es schien meinen Eltern und mir ungewiß, ob ein akademisches Studium in absehbarer Zeit wieder möglich sein werde. Da ich an Biologie und Gartenarbeit Freude hatte, wollte ich damals Bauer werden. Die schwierige Ernährungslage trug zu diesem Entschluß bei. Ich wollte mich nach meiner Landwirtschaftslehre zum Verwalter oder zum landwirtschaftl. Lehrer entscheiden. In der Nähe von Stommeln fand ich eine Lehrstelle. Hier sah ich aber bald, wie schwer es für einen Großstadtjungen ist, mit geübten Landarbeitern Tag für Tag Schritt zu halten. Besonders aber quälte mich der Mangel an jeder geistigen Beschäftigung. Es wurde mir sehr erschwert, einige Stunden des Sonntags oder einen Abend für die Lektüre frei zu machen. Als ich nun hörte, daß der Unterricht an den höheren Schulen wieder begonnen habe, schwankte ich noch einige Zeit, gab aber dann den Gedanken an einen landwirtschaftlichen Beruf auf. Meine Eltern waren bereit, mir wieder ein Studium zu ermöglichen. So konnte ich die Lehrstelle verlassen, noch ehe ein Vertrag unterzeichnet war.

Zum Neujahr 1946 kam ich nach Hause zurück und ging mit großem Eifer wieder an's Studium. Ich hatte das bestimmte Gefühl, hier in meinem Beruf zu sein. Besondere Vorliebe habe ich für Philosophie, Geschichte, Deutsch und alte Sprachen. Die Notwendigkeit und Schönheit der Mathematik ist mir nun auch klar geworden, und ich bemühe mich um ein Verständnis dieser Dinge, wenn es mir auch nicht gerade leicht fällt.

Seitdem im Frühjahr 1946 der katholische Jugendbund „Neu-Deutschland" seine Tätigkeit in Köln wieder aufgenommen hat, bin ich dort Mitglied und arbeite dafür so viel, wie mir meine Freizeit erlaubt. Ich habe nun den Wunsch, Altphilologie zu studieren und hoffe, daß ich die nötigen Eigenschaften zum Lehrer besitze, um in jeder Weise den Anforderungen dieses Berufes gewachsen zu sein.

Abituraufsatz

Sonderlehrgang C. Reifeprüfung im Ostertermin 1947. Deutscher Aufsatz.

Welche Aufgaben erwachsen der Jugendbewegung beim Wiederaufbau Deutschlands?

APlan :

I. Wach auf, du deutsches Land!
Paßt nicht zu den Ausführungen!II Erziehung zur Menschlichkeit.
III. Erziehung zum Staatsbürger.


A Seit dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus ist der deutschen Jugend, wenigstens in den westlichen Zonen, wieder die Möglichkeit gegeben, sich freiwillig in Aselbstgebildeten Jugendbewegungen zusammenzuschließen. Welche Aufgaben kommen nun diesen AKörperschaften beim deutschen Wiederaufbau zu?

I.

a) Ist das deutsche Volk zu ständiger Ohnmacht verurteilt oder hat es noch eine Möglichkeit, im Ring der Völker seinen Platz einzunehmen Z, hat es nicht noch eine Aufgabe in der Welt? So fragen in Deutschland ?nur sehr wenige Menschen. Der Durchschnittsdeutsche ist gezwungen, sich mit aller Energie mühsam ALeibes Notdurft für den Augenblick zu beschaffen . Die Zukunft bietet ihm nur noch schwache Hoffnung, über diesen unwürdigen Zustand hinwegzukommen. Der Deutsche versinkt in Apathie. Ist das aber auch die Haltung der Jugend? Die alte Generation sieht ja wohl ihre Lebensarbeit vernichtet. Aber die Jugend hat doch noch eine Zukunft! - AJawohl, die Jugend hat eine Zukunft . Denkt man an die Leistungen des deutschen Volkes im Kriege zurück, so darf man hoffen, daß ein solches Volk auchin friedlicher Arbeit unter schwersten Bedingungen der Welt Aein Muster von Tüchtigkeit zeigen kann , nimmt man ihm nicht jede materielle Möglichkeit dazu. Die Jugend hat in den Kriegsjahren tapfer ihren Mann gestanden. Sie kam zum großen Teil enttäuscht und verbittert aus dem Felde heim. Sehr vielen Jugendlichen ist dann die AUmstellung in die Aufgaben der Nachkriegszeit nicht gelungen. Das Leben der Jugend, die nicht in den Krieg gerissen wurde, sieht heute genau so aus: Gemeinsam ist dieser Jugend in ihrer Masse ein Vergnügungstaumel, der sich in Tanzdielen, Kinos und bei allen nur möglichen Gelegenheiten austobt - sehr im Gegensatz zur hoffnungslosen Lage des deutschen Wirtschaftslebens. Es liegt darin offenbar das Bestreben, an der harten Wirklichkeit Ain einer Welt von Illusion vorbeizuleben .

b) Das also ist der Zustand des deutschen Volkes, insbesondere seiner Jugend. Nun hat die Jugendbewegung aus den Tagen des Wandervogels Aals obersten Grundsatz ein einfaches, natürliches Leben mit Sport und Fahrt. Sie kämpft gegen Zuchtlosigkeit und Vergnügungssucht. Sie will den jungen Menschen aus der Astickigen Atmosphäre der Großstadt hinausführen in ein Leben der echten Schönheit, der natürlichen Würde; sie will ihn veredeln. Sie arbeitet also der heutigen Entwicklung direkt entgegen. Damit steht die Jugendbewegung in keiner neuen Situation. Sie ist ja gerade aus dem Ekel vor Überzivilisation und moderner Haltlosigkeit entstanden. Aber das ist etwas unerhört Neues: Sie muß nun an erster Stelle daran mitarbeiten, den gesunden Willen zum Wiederaufbau zu wecken und - wachzuhalten! Oder ist das Wort „Wiederaufbau" nicht schon zur leeren Phrase geworden, zu einem Bluff, an den niemand mehr glaubt? Das Leben der ganzen Nation ist offenbar angewiesen auf die Agesundende Tätigkeit der Jugendbewegung. Wiederholg.!Überall herrschen Ratlosigkeit und ZsApathie. Hier aber zeigt sich die Wurzel der Volkskraft: Der unbeugsame Wille zu schöpferischer Arbeit, zu rastloser Tätigkeit. Wir müssen ständig wen?wachrütteln . Auch kann die Jugend wesentlich die Stimmung der älteren Generation beeinflußen: Verkörpert doch die Jugend einem Volke die Zukunft, und eine straffe, kraftvolle, zielbewußte Jugend wird von Ged.ihrem Geist den Eltern mitteilen , ja die ältere Generation hat ein Recht auf eine Ermutigung von der Jugend her. Wohl ist es wahr, daß wir uns zu Recht preisgegeben fühlen, gedrosselt von den Händen der Siegerstaaten. Aber dürfen wir uns darum nur einen Augenblick selbst aufgeben? Die Jugendbewegung steht jetzt in der Stunde ihrer Bewährung: Entweder gelingt es Ged.ihr, die allgemeine Müdigkeit abzuschütteln, der ABejahung des Lebens zum Sieg zu verhelfen , oder - unsere letzte Hoffnung stirbt, Deutschland ist am Ende, ein Volk taumelt seinem Untergang entgegen.

II.

a) Diese AArbeit kann nicht in Massensuggestion geleistet werden , sie muß bei jedem Einzelnen beginnen Z, und zwar in der Jugend. Die Erziehungsarbeit am Jugendlichen ist nun zunächst Sache von Elternhaus und Schule. Doch hat sich gerade in der Zeit der Nazi-Herrschaft gezeigt, welche Bedeutung die Gemeinschaft von Gleichaltrigen für die Charakterbildung eines jungen Menschen hat.

Fortsetzung im Entwurf Seite V u. VI.

Fortsetzung aus Konzept:Ein Jugendlicher ist besonders empfänglich für den Einfluß eines älteren Führers. An sich hat ein Jugendlicher Abneigung, gewisse Belehrungen von seinem Vater oder Lehrer anzunehmen, von seinem Führer in der Jugendbewegung läßt er sich viel bereitwilliger sagen, warum er nicht rauchen soll, diesen od. jenen Film nicht sehen soll usw. -

Die Erziehung eines jungen Menschen muß jedoch von einer Weltanschauung getragen sein, es muß ihr ein Menschenbild zugrunde liegen. Wir Katholiken lehnen eine allgemeine Jugendbewegung nach dem Muster der englischen boy-scouts ab. Wir wollen ja keine vormilitärische Ausbildung vermitteln, Asondern einen neuen Menschentyp erziehen . Das soll nicht eine Unduldsamkeit gegen Andersdenkende bedeuten.

b) Äußerte ich mich vorhin ablehnend gegen die boy-scout Beweg., so sollte das kein abwertendes Urteil sein. Ihre Erziehung zum gentleman ist ebenfalls im Programm der katholischen Jugend enthalten. Das Ziel der K.J. ist jedoch höher gestellt, sie will zu edler Menschlichkeit im Sinne des Christentums erziehen. Das Wort „Kein Tag ohne gute Tat!" ist eine unserer Parolen. Das Ideal des christlichen Jungmanns ist das Bild des Bamberger Reiters. Natürlicher Mut, ritterlicher Anstand ist hier gepaart mit Demut gegen Gott. Der Blick des Reiters geht in die Ferne, aber nicht in verlorenem Schwärmen, sondern in fester Schau des Überirdischen. Der Geist ist erhoben, der Leib hält das Tier unter ihm in seiner Gewalt. So könnte man das Wort Raabes auf ihn als den idealen deutschen Jüngling anwenden:

Schau nach {#k: im Original unleserlich}...{##k:}
Gib acht auf die Gassen!

Der bessere Teil der Arbeit ist im Unreinen stecken geblieben. Aber im Ganzen wecken die Ausführungen einen wenig persönlichen Eindruck, auch die Gedanken sind ohne Tiefgang + bringen {#l: Ein Wort unleserlich.... nur Selbstverständlichkeiten; vor allem im ersten Teil. Auch sprachlich ist manches auszusetzen. Jahresleistung: gut.}Noch befriedigend.{##l:}