DKG (Köln)

Gesamtbeurteilung der Klasse I g (Gymnasium) 1938

Gutachten über die I g.

Die 32 Schüler zählende Klasse zeigt eine vorbildliche Geschlossenheit und Kameradschaftlichkeit, die wohl z.T. ihren Grund darin hat, dass 19 von ihnen von Sexta an durch alle Klassen der Anstalt hindurch zusammen geblieben sind. Diese Einigkeit hat sich immer positiv ausgewirkt im Streben nach Leistung und Vorwärtskommen.

In der Klasse ist eine ganze Reihe von ausgesprochen begabten Schülern, die schon durch ihr Dasein minderbegabte mit sich rissen und auch diese zu grösseren Leistungen beflügelten, als sie sonst wohl hervorgebracht hätten. Anderseits werden sie durch die nicht seltenen glänzenden Erfolge der andern, oft unverdientermassen, in den Schatten gestellt. Der Unterricht in der Klasse war nach dem einstimmigen Urteil aller Lehrer in sämtlichen Fächern stets erfreulich und fruchtbar. Man kann der Klasse etwas abverlangen; die Schüler übernehmen ohne Widerstreben auch Sonderaufgaben, melden sich zu Vorträgen, Ausarbeitungen und Referaten. Sechs haben aus eigenem Antrieb zum Teil umfangreiche Jahresarbeiten eingereicht.

Die Leistungen der Klasse sind gross nicht nur auf wissenschaftlichem Gebiet; auch künstlerisch ist sie stark interessiert. Die Hälfte nahm in OII an einer das ganze Jahr dauernden heimatkundlich-künstlerischen Arbeitsgemeinschaft teil. Zwölf sind Mitglieder des Schülerorchesters, das durch ihren Weggang wertvollste, so bald nicht zu ersetzende Kräfte verliert; drei Geiger, einen Bratschisten, einen Cellisten, zwei Kontrabassi[s]ten, zwei Oboisten, zwei Klarinettisten, einen Trompeter. Ausserdem spielen 10 Schüler Klavier.

Ebenso liegt die Klasse in den Leibesübungen an der Spitze ihrer Mitschüler. Sie weist hervorragende Geräteturner auf, alle sind Freischwimmer, 19 Fahrtenschwimmer. 16 besitzen das Reichsjugendabzeichen, 2 das Reichsturn- und Sportabzeichen, 2 den Reiterschein, 3 das Radsportabzeichen, davon einer das Abzeichen in Silber. Sie arbeiten aber nicht egoistisch an ihrer eigenen Fortbildung; von den elf Mitgliedern der Handballmannschaft der Schule stellt die Klasse neun, in der Fussballmannschaft ist sie mit 8 Spielern vertreten, 5 gehören der Ruderriege an.

Wenn es einzelnen Schülern nicht gelang, in allen Fächern ein voll genügendes Prädikat zu erreichen, so liegt das fast in keinem Falle an mangelndem Fleiss. Neben gewissen Mängeln der Veranlagung einzelner Schüler sind dafür vor allem die häufigen Störungen des Unterrichts durch Lehrerwechsel und durch Einberufung der Lehrer zu Lehrgängen und militärischen Übungen verantwortlich zu machen. Hinzukommt, dass es bei der grossen Schülerzahl der Klasse (zurzeit sind es noch 32) unmöglich war, den schwächeren Schülern besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden.

Dass dennoch soviel geleistet wurde und wird, zumal in diesem Jahre, das die Erledigung des doppelten Pensums verlangt, zeugt für die Diszipliniertheit, den Arbeitseifer und das Verantwortungsbewusstsein der Klasse.

Vorschläge für den deutschen Aufsatz der Reifeprüfung 1938

1.) Warum dürfen wir den politischen Dichter Heinrich v. Kleist als Vorkämpfer der neuen deutschen Volkwerdung bezeichnen?

2.) Deutschlands europäische Mittenlage als Schicksal und Aufgabe.

3.) Volksbewußtes Auslanddeutschtum - eine berechtigte Sorge Deutschlands und ein Segen für den Fremdstaat.

4.) Die Wertung der Arbeit und des Arbeiters im neuen Deutschland.

5.) Ziele und Wege der N.S.-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“.


Beurteilung

Oberprimaner K., Hans-Georg

trat wie die Mehrzahl seiner Mitschüler Ostern 1930 in die Sexta ein und ist regelmässig versetzt worden. Er ist kein Überflieger; aber er hat sich stets redlich abgemüht, den Anforderungen der Schule gerecht zu werden. Dass es ihm schwer fiel, hat den früher frohen Jungen in den letzten Jahren ernst, fast düster gestimmt; er ersehnt das Ende der Schulzeit. Sein Lieblingsfach ist die Musik, darin geht er auf, und hier leistet er praktisch und theoretisch sehr Gutes. Er spielt Klavier und ist im Schulorchester besonders wertvoll, weil er nicht nur Geige, sondern auch die Bratsche geschickt zu handhaben versteht.

Dass seine Leistungen in den körperlichen Übungen, in denen er früher immer sehr gut stand, zuletzt etwas zurückgegangen sind, ist auf einen Herzfehler zurückzuführen, der sich von Monat zu Monat stärker bemerkbar machte; sein Leistungswille ist nicht schwächer geworden.

Lebenslauf

Hierdurch bitte ich um Zulassung zur Reifeprüfung im Ostertermin 1938.

Ich heiße Hans-Georg K. und bin geboren am 11. Juni 1920 in Köln als Sohn der Eheleute Georg K. und Maria K., geb. N.. Nach 4 jährigem Besuch der Grundschule wurde ich Ostern 1930 in die Sexta des Staatlichen Dreikönigsgymnasiums aufgenommen und bin dann von Jahr zu Jahr bis zur Prima versetzt worden.

Ich interessiere mich am meisten für Musik. Neben dem Unterricht, den mir die Schule in diesem Fach bot, haben mir meine Eltern eine gute private Ausbildung zuteil werden lassen. Ich spiele seit 8 Jahren Geige und seit 2 Jahren Klavier. Durch die praktische Ausübung und durch häufigen Besuch von Opern und Konzerten, besonders der großen Gürzenichkonzerte, ist mir die Musik allmählich so sehr Lebensbedürfnis geworden, daß ich mich mit Zustimmung meiner Eltern für sie als Beruf entschlossen habe. Von den wissenschaftlichen Fächern interessieren mich besonders Deutsch, Geschichte, Erdkunde und die Naturwissenschaften. Im Deutschen und in der Geschichte waren mir die Stunden am liebsten, in denen moderne Probleme oder große geistige Zusammenhänge besprochen wurden. Neben der profanen Geschichte habe ich sehr viel Kunstgeschichte betrieben. Vielfache Anregung für meine Weiterbildung erhielt ich durch den Besuch von Museen und Kunstsammlungen; in die kirchliche Kunst wurde ich eingeführt durch die Teilnahme an der kunstgeschichtlichen Arbeitsgemeinschaft, die unser ehemaliger Religionslehrer Herr Studienrat Schulte eingerichtet hatte. Die fremden Sprachen haben mir mit ihren vielen Formen und Regeln Schwierigkeiten gemacht, die Schriftsteller aber, besonders Homer, Sophokles und Livius, habe ich gern gelesen. An den Leibesübungen habe ich mich nach besten Kräften und mit gutem Erfolg beteiligt. Leider bin ich durch ungleichmäßiges Wachsen des Herzens behindert, so daß mir anstrengende Dauerübungen, besonders Langstreckenläufe, schwerfallen. Seit Januar 1936 bin ich in der H.J.

Beruf: Musiker.

Wahlfach: Musik.

Ich bitte um den Religionsvermerk auf dem Reifezeugnis.

Abituraufsatz

Reifeprüfung im Ostertermin 1938.

Deutsche Prüfungsarbeit.

Warum dürfen wir den politischen Dichter Heinrich von Kleist als Vorkämpfer der neuen deutschen Volkwerdung bezeichnen?

Plan:

A. Kleist spielt heute eine bedeutende Rolle in unserem Leben.

B. Kleist ist A. Kampf für deutsche Volkwerdung und gegen Napoleon geben Kleists Werken Inhalt.glühender Patriot und großer Haßer Napoleons .

1. In seinem Drama „Prinz Friedrich von Homburg" stellt er die Forderung nach Unterordnung und Zucht auf.

2. Im „Katechismus der Deutschen" kämpft er für die Einheit des Reiches_ und

3) in dem Gedicht „Germania an ihre Kinder" sucht er Haß gegen Napoleon zu wecken.

4) In der Hermannsschlacht sucht er Napoleon zu brandmarken und zeigt den Weg ihn zu besiegen.

C. Kleists Forderungen und Anschauungen decken sich mit dem unserer Zeit.

Ausführung:

Kleist spielt heute im Leben unseres Volkes eine bedeutende Rolle. Man führt seine Dramen häufiger auf als früher, besonders den Prinzen von Homburg und die Hermannsschlacht. Man erwähnt oft seinen Katechismus der Deutschen. Warum nun gewinnt Kleist in letzter Zeit so an Bedeutung?

Kleist war nicht immer ein so glühender Patriot und fanatischer Haßer, wie er sich in seinen späteren Werken zeigt. Sein Gefühl für das Volkstum ruhte noch in ihm. Erst nach der Enttäuschung seines Dichtertraums - er wollte Shakespeare, Klassik und Romantik in seinen Dramen, besonders „Robert Guiskard", vereinigen - wandte er sich der politischen Dichtung zu. Der Kampf für die deutsche Volkwerdung und gegen den Zerstörer Napoleon gab seiner Dichtung Inhalt. Seine Hauptwerke in dieser Richtung sind: Prinz von Homburg, Katechismus der Deutschen, Germania an ihre Kinder und die Hermannsschlacht.

Im Prinzen von Homburg läßt Kleist den Prinzen durch ungeheure Seelenqualen zum guten Staatsbürger reifen. Er läßt ihn erkennen, daß ein Staat nur möglich ist, wenn sich jedes einzelne Glied vollkommen A.dem Willen des Staates unterordnet, kritiklos seine Befehle ausführt. Er fordert damit Aufgabe des Partikularismus, der ja in der übertriebenen Individualität der Deutschen begründet ist. Er zeigt so dem deutschen Volk, wie es zu einem A.deutschen Staat kommen kann. Diese Tugenden, Unterordnung und Zucht, sind aber in besonderem Maße militärische Tugenden. Denn nur das Heer, in dem sie vollkommen verwirklicht sind, besitzt genügend Schlagkraft, um etwa einem Napoleon gewachsen zu sein. So steht Kleist mit seinen Forderungen auch neben Scharnhorst und Gneisenau, die damals die Heeresreform durchführten. Dieses Drama sollte nun am inneren Aufbau des Staates mithelfen. Die andern Werke aber, die ich genannt habe, sind hauptsächlich Haßausbrüche gegen Napoleon.

Da ist zunächst der Katechismus der Deutschen. Kleist will mit ihm die Idee des deutschen Reiches wiederbeleben und den Haß gegen Napoleon wecken. Kleist hatte entgegen seinen Zeitgenossen eine organische Staatsauffassung, statt einer mechanischen. Denn er erweitert die Idee des Reiches über die einzelnen Staaten hinaus. Er sah in Napoleon den Zerstörer dieses Reiches. Deshalb nennt er ihn „einen aus der Hölle R.enstiegenen Vatermördergeist". Die Deutschen dürfen seine genialen Gaben nicht bewundern, weil das die Schlagkraft und den Abwehrwillen vermindert. Der Katechismus ist aber noch verhältnismäßig maßvoll. Das Gedicht „Germania an ihre Kinder" ist viel wilder und leidenschaftlicher. In ihm kommt unter anderem der Satz vor: „Schlagt ihn tot, den Höllenhund - das Weltgericht fragt nach euren Gründen nicht." Dieser Satz ist bezeichnend für die A.extreme und überspannte Natur Kleists.

Bei dem Schrbf.geboren Dramatiker Kleist muß sich alles dramatisch gestalten, so auch sein Haß. Es R.ensteht die „Hermannsschlacht". Kleist sucht auch hier den Haß zu wecken. Aber es kommt noch etwas Neues hinzu. Er zeigt den Weg, wie Napoleon zu vernichten ist. An seinem Hermann kann man alle seine Gedanken in dieser Richtung ablesen. Hermann ist ein nüchterner Realpolitiker mit klarem Blick für politische Zusammenhänge. Er durchschaut die Absicht der Römer, ihn gegen Marbod auszuspielen und sie beide zu vernichten. Er weiß, daß er gegen das taktisch viel besser geschulte Heer der Römer nur mit List etwas erreichen kann. Deshalb stellt er sich unkriegerisch und wiegt die Römer in Sicherheit. Er schürt geschickt den Haß der Germanen dadurch, daß er die Untaten der Römer vergrößert, und das geschändete Mädchen in 15 Teile zerlegen und nach allen Stämmen schicken läßt. Er ist verschwiegen und sagt weder den Fürsten noch seiner Frau etwas von seinen Absichten. Vertrauensvoll wendet er sich an Marbod, von dem er weiß, daß er als einziger der deutschen Fürsten fähig ist, Großes zu vollbringen. Er ist opferfähig und überläßt Marbod die Oberherrschaft über das Reich. Hermann ist also ein vollkommener Politiker, wie Bismarck es später wirklich war.

Man sieht, daß Kleist in seinen Werken Forderungen und Ansichten vertreten hat, die heute besonders in den Vordergrund gerückt werden. Man verlangt heute von jedem bedingungslose Unterwerfung unter den Willen des Staates (Führerprinzip). Die jungen Menschen Volkwerdung!werden in allen Organisationen zu strenger Zucht erzogen . Unsere Zeit ist also die, die Kleist ersehnt hat. Deshalb hat er auch uns so ungeheuer viel zu sagen. Erst jetzt kommen seine Werke voll zu Geltung. Für seine Zeit hat er fast vollkommen umsonst gelebt. Seine Werke, die doch die Sehnsucht A. nachzu Freiheit im Volke wecken sollten, sind erst 1821 von Tieck veröffentlicht. 1865 wurde Prinz von Homburg zum ersten Mal aufgeführt. Erst von A.von uns hat sein Leben Sinn und Zweck gehabt .

Punkt 1 u. 2 zielen recht treffend zum Thema, in 3 und 4 arbeitet K. den Kerngedanken nicht genug heraus. Er hätte hier noch ergänzend zeigen müssen, wie der Dichter durch Weckung des Hasses gegen den Erbfeind das Volk zur Einheit zusammenzuführen bestrebt ist. Ähnlich bleibt K. im Schluß einmal auf halbem Wege stecken.

Die einfache und klare Darstellung spricht an.

Genügend.

Klassenleistungen: Gut.