DKG (Köln)

Vorschläge für den deutschen Aufsatz der Reifeprüfung 1932

1.) Vom Brief und vom Briefschreiben

2.) Mein Verhältnis zum Roman und zum lyrischen Gedicht

3.) Bericht über eine öffentliche Veranstaltung (Versammlung, Konzert, Schauspiel, Vereinsfeier oder dergl.)

4.) Vergessen und Vergeßlichkeit (Erlebnis, Charakteristik oder Abhandlung)


Beurteilung

R., Wilhelm

Des Schülers musikalische Begabung gab seiner Charakterentwicklung den Zug zur Lebensfreude, die er bei seinen Instrumenten, beim Wandern und Spiel gesucht hat. R. hat sich eifrig in der Jugendbewegung betätigt; sein Geschick, die Flöte zu blasen und die Laute zu spielen, machten ihn zum beliebten Genossen auf froher Wanderfahrt. Sein sonniges Wesen hat sehr stark gelitten unter einem auf Nervosität beruhenden Sprachfehler, den zu überwinden ihm nicht gelungen ist. Dadurch sind auch seine Leistungen in der Schule stark beeinflusst worden, so dass sie ausser in der Mathematik kaum über dem Durchschnitt lagen.

Lebenslauf

Hiermit bitte ich um Zulassung zur Reifeprüfung. Am 9. Januar 1914 wurde ich in Köln geboren. Ostern 1920 kam ich auf die Grundschule, die ich bis zum Jahre 1923 besuchte. Ich trat dann in die Sexta des Städtischen Schillergymnasiums in Köln-Ehrenfeld ein. Wegen Umzugs wechselte ich Ostern 1926 die Schule. Seitdem besuche ich das Staatliche Dreikönigsgymnasium in Köln.

In der Schule hat mich am meisten der Musikunterricht interessiert, besonders in den beiden letzten Jahren, als Herr Dr. Bützler uns diesen Unterricht erteilte. Seit Ostern 1931 nehme ich auch an dessen musikalischer Arbeitsgemeinschaft teil. Von Juni 1931 ab blase ich im Schulorchester die Klarinette. Bis zu dieser Zeit war ich mehrere Jahre Mitglied des Schülerchores. Neben Musik habe ich sehr gerne Naturwissenschaften und Mathematik betrieben. Der biologischen Arbeitsgemeinschaft Herrn Dr. Monschaus gehörte ich eineinhalb Jahr (bis zu ihrer Aufhebung) an. Unter den Sprachen hat mir das Griechische am besten gefallen. Mit viel Freude las ich Homer und die griechischen Lyriker. Die lateinische Sprache war mir ein wenig zu nüchtern. Freilich die römischen Elegiker habe ich z.T. ganz gern gelesen.

Zu Hause widme ich fast meine ganze Freizeit der Pflege der Musik. Neben Klarinette spiele ich noch Klavier, Orgel und Laute. - In der Prüfung möchte ich meine Fähigkeiten in der Musik nachweisen. - Die Tageszeitung lese ich mit stillem Interesse, das heißt, ich liebe es nicht, mich über politische Dinge mit anderen in Gespräche einzulassen. Bücher habe ich nicht sehr viele gelesen. Am besten haben mir romantische Dichtungen gefallen, wie ich überhaupt in den Künsten, besonders in der Musik, die Romantik am höchsten schätze. Den größten Genuß bereiten mir meine sogenannten "romantischen Nachmittage". Ich habe einmal einen solchen in einem Klassenaufsatz zu schildern versucht. Vielleicht genügt hier die Andeutung, daß Eichendorff, Goethe, Spitzweg, Schwind und Schubert den Grundstock für diese Nachmittage geben. Als Obersekundaner trat ich in Neudeutschland ein. Wurde im Juni 1929 Gruppenkanzler der Schulgruppe Tricoronatum. Im Mai dieses Jahres trat ich mit meinem Kameraden Willy Weber die Leitung des Neudeutschen v. Hartmanngaues an, dessen rein technische Ungelegenheiten (Geldfragen, Verkehr mit den Behörden u.s.w.) mir auch jetzt noch obliegen. Zunächst verdanke ich der Jugendbewegung die Förderung meiner musikalischen Veranlagung. Ich hatte im Rahmen Neudeutscher Feiern Gelegenheit, oft in der Öffentlichkeit als Klavier- und Orgelspieler aufzutreten. Zur Zeit übe ich mit dem Gauorchester Begleitmusik zu dem Film "Unter Neudeutschlands Wimpeln". Außerdem verdanke ich der Jugendbewegung, daß sie mich, mit Genuß zu wandern, lehrte. Größere Fahrten zeigten mir Bayern, Österreich und Thüringen. Den größten Genuß brachte mir die Rheinfahrt, die ich im August dieses Jahres allein unternahm. Ich zog von Braubach ab den Rhein aufwärts bis Rüdesheim und ging auf der linken Rheinseite abwärts bis Stolzenfels. Die wahre Romantik des Rheines und seiner Städtchen begeisterte mich sehr stark. Ich denke jetzt noch oft an Caub, Bacharach und Oberwesel zurück.

Nach bestandener Prüfung werde ich mich dem Studium der Medizin zuwenden. Am liebsten würde ich ja den Musikerberuf ergreifen; da ich aber von dessen Aussichtslosigkeit mich überzeugt habe, will ich dem Studium mich widmen, was mich nach der Musik am meisten interessieren dürfte. Der Umstand, daß viele Ärzte auch sehr rege Musiker waren (Schweitzer) hat diese meine Wahl bestärkt.

Ich bitte auf dem Abgangszeugnisse, meine Konfession zu vermerken.