DKG (Köln)

Vorschläge für den deutschen Aufsatz der Reifeprüfung 1932

1.) Vom Brief und vom Briefschreiben

2.) Mein Verhältnis zum Roman und zum lyrischen Gedicht

3.) Bericht über eine öffentliche Veranstaltung (Versammlung, Konzert, Schauspiel, Vereinsfeier oder dergl.)

4.) Vergessen und Vergeßlichkeit (Erlebnis, Charakteristik oder Abhandlung)


Beurteilung

S., Heribert

hat eine nicht allzu schnelle Auffassungsgabe, aber er ist gründlich und besonders beanlagt für die Naturwissenschaften. Zeichnerisch ist er sehr begabt. Bei seiner Gewissenhaftigkeit hat er immer gleichmässige Leistungen aufzuweisen gehabt, die im allgemeinen über dem Durchschnitt lagen. Seine Art ist ohne jede Hinterhältigkeit offen und jungenhaft ehrlich. In den beiden letzten Jahren hat ihm seine Berufswahl manchmal Schwierigkeiten gemacht. In der Klassengemeinschaft hat er die Kasse mit der größten Gewissenhaftigkeit verwaltet.

Lebenslauf

Hiermit bitte ich, mich zur Reifeprüfung zuzulassen. Ich bin in Karlsruhe am 11. August 1912 geboren. Da mein Vater als höherer Reichsbahnbeamter häufig versetzt wurde, mußte ich die Schule oft wechseln. Die Volksschule besuchte ich in Lauda an der Tauber und in Breslau. Dann wurde mein Vater nach Trier versetzt. Die Wohnungsnot mit dem damals einsetzenden Ruhrkampf machten es unmöglich, die Familie mitzunehmen. Ich trat deshalb in Karlsruhe in die Sexta des humanistischen Gymnasiums ein. Darauf folgte die Quinta in Kassel und Trier, dann die Quarta in Trier, und von Untertertia ab besuchte ich die gymnasische Abteilung des Staatlichen Dreikönigsgymnasiums in Köln.

Ich hatte immer einen starken Drang zum Zeichnen und Malen. Das hängt mit meiner Veranlagung zusammen, die überwiegend optisch ist. Meine geistige Entwicklung ist daher sehr stark durch die Sinneseindrücke der Augen bedingt, sodaß ich mich immer am meisten für naturwissenschaftliche Dinge interessierte. Da im Knabenalter die Technik und die leblose Natur hauptsächlich meine Gedankenwelt beherrschten, setzte seit meinem fünfzehnten Lebensjahr eine Rückwirkung ein. Jetzt forderte die lebende Natur ihr Recht. Ich wurde begeisterter Anhänger der Jugendbewegung und trat in den Neudeutschen Bund ein, der meiner Gesinnungsart am meisten entsprach. Ich schwärmte zeitweilig so sehr für die Natur, daß ich von meiner früheren Neigung zur Technik, die allerdings einseitig war, nichts mehr wissen wollte. Aber meine zunehmende Einsicht half mir, diese beiden Gegensätze in richtiger Weise zu verbinden. Die rauhe Wirklichkeit übertönte die zu romantische Naturschwärmerei, besonders als die Frage meiner Zukunft brennend wurde. Die Werte der Technik, die ja ein Teil der vom Menschen beherrschten unorganischen Natur ist, erkannte ich allmählich wieder, und jetzt überwiegend verstandesmäßig, während ich sie früher mehr gefühlsmäßig erfaßt hatte. Aber das Erlebnis organischer Schöpfung gab mir eine festgegründete Liebe zur Natur und lehrte mich, die Technik mit der nötigen Vorsicht zu bejahen, ihre guten von ihren schlechten Folgeerscheinungen zu unterscheiden. Und ich bin überzeugt, die üblen Folgeerscheinungen des technischen Fortschrittes sind nur auf die Menschen zurückzuführen, weil sie teilweise den beherrschten Stoff mißbrauchten.

Aus dieser Entwicklung heraus und den gegebenen Verhältnissen entsprechend ergibt sich von selbst, daß ich mich einem technischen Studium zuwende. Ich werde Bauingenieurwesen studieren. Aus diesem Grunde möchte ich meine besondere Leistungsfähigkeit in Mathematik zeigen.

Trotz dieser Neigung beschäftige ich mich gern mit der Antike, weil ich von ihrem Wert besonders für die Herzensbildung überzeugt bin. Auch hier gefällt mir natürlich besonders das naturnahe Leben und Treiben des alten Hellenenvolkes, von dem ja manche Dichtung ein herrliches Bild entwirft.

Mein katholisches Bekenntnis bitte ich auf dem Reifezeugnis zu vermerken.