DKG (Köln)

Gesamtbeurteilung der Oberprima (Realgymnasium) 1932

Die realgymnasiale Oberprima

weist mit 2 oder 3 Ausnahmen nur einseitig (künstlerisch oder praktisch) oder gering begabte Schüler auf. Auch der (durch Veränderungen im Lehrerkollegium bedingte) häufige Lehrerwechsel während der Mittelstufenjahre hat auf die Leistungsfähigkeit der ganzen Klasse, besonders in den Sprachen, sehr nachteilig eingewirkt. Aus diesen Gründen erhob sich das geistige Leben der Klasse kaum bis zum Mittelmass; ja oft litt es geradezu unter einer schwer zu bekämpfenden Unlust und Stumpfheit. Noch im Laufe der Oberprima wurde durch das Ausscheiden des bisherigen Klassenleiters (Studienrat Bosbach) ein Lehrerwechsel in Deutsch, Latein und Geschichte nötig. Die Leistungen in diesen Fächern konnten darum in letzter Zeit nur mit einer gewissen Zurückhaltung beurteilt werden.

 


Beurteilung

Oberprimaner S., Helmut

ist ein ruhiger, etwas bequemer Schüler, der aber doch fähig ist, sich für eine Sache zu ereifern und mutig für seinen Standpunkt einzutreten, im ganzen eine vornehme Natur. Er ist wohl der begabteste Schüler der Klasse, im letzten Jahre ihr Sprecher. Er hat Interesse für alle Gebiete des Wissens und besitzt eine gute Fähigkeit zu geschmackvoller schriftlicher Darstellung. An der Gemeinschaftsarbeit der Klasse nahm er regen Anteil, soweit ihm das nicht wie in den Sprachen durch grammatische Mängel versagt war; sein Fleiss war nicht immer ausdauernd. Mit Eifer und Erfolg beteiligte er sich an einer Arbeitsgemeinschaft über politische Gegenwartsfragen. Sein Betragen war stets gut.

Lebenslauf

Hierdurch ersuche ich das Staatliche Dreikönigsgymnasium in Köln um Zulassung zur Reifeprüfung.

Am 21. Januar 1913 wurde ich zu Pinneberg (in Holstein) geboren, wo mein Vater, der 1921 verstorben ist, damals Landrat war. Ostern 1918 trat ich in die dortige Mittelschule ein. Durch die Revolution gezwungen, siedelten wir nach Hamburg über, wo ich wiederum eine Mittelschule besuchte. Im Herbst 1919 wurde mein Vater zur Regierung nach Köln berufen, und ich wurde in die Mittlere Knabenschule II aufgenommen. Ostern 1922 bestand ich die Aufnahmeprüfung zur Sexta unseres Gymnasiums.

In den unteren Klassen waren Erdkunde, Rechnen und vor allem Sagengeschichte meine Lieblingsfächer. In der Untertertia blieb ich ein Jahr zurück. Von nun an wandte sich meine ganze Aufmerksamkeit Deutsch und Geschichte zu, während Mathematik zurücktrat. In den oberen Klassen verstärkte sich meine Neigung zu Deutsch und Geschichte, auch an Mathematik fand ich wieder mehr Freude. In den beiden letzten Jahren kamen noch Chemie und Zeichnen (Architektur) hinzu. Außerhalb des Unterrichts nahm ich an einer Arbeitsgemeinschaft für neueste Geschichte teil.

Während meiner Freizeit verbrachte ich sehr viele Stunden mit Lektüre. Ich bevorzugte die großen historischen Romane: Dahn: Ein Kampf um Rom. Jensen: Das Buch der Treue; und verschiedene Literatur zum Nibelungenlied; dann Scheffel: Ekkehard; H. Löns: Der Wehrwolf; Sienkiewicz: Quo vadis; Mernschowski[=?]: Leonardo da Vinci; Clarlyle[=?]: Friedrich der Große; E. Ludwig: Napoleon.

Auch las ich gerne Novellen und Dramen mit geschichtlichem Hintergrund, wie F.C. Meyer: Der Heilige; die Versuchung; Jürg Jenatsch; und die Novellen Schillers und Kleists historische Dramen (Lieblingswerk: Don Carlos) und Hebbels Werke. Ich liebte auch sehr Freytag, Soll und Haben; und die anderen Entwicklungsromane; Raabe: Der Hungerpastor; Sudermann: Frau Sorge; Gösta Berling von Selma Lagerlöf; Paul Keller: Waldheimat.

Zu der Romantik fühlte ich mich besonders hingezogen, am meisten las ich die Spät- und Neuromantik: Mörikes Werke und Eichendorffs Novellen und Gedichte; [..?.] Novellen. Die naturalistische Epoche gefiel mir nicht so gut, obwohl ich Hauptmanns Dramen und Prosa gerne las. Von den modernen Autoren kenne ich: Thomas Mann: Buddenbrooks, Novellen; Gustav Frenssen: Jörn Uhl, Peter Moors Fahrt; Hermann Hesse: Gertrud, [..?.], Unterm Rad; Werfel: Nicht der Mörder, sondern der Ermordete ist schuldig; Abituriententag, Gedichte.

Von den ausländischen Dichtern habe ich schon einige genannt; Dantes unsterbliches Werk verschlang ich. Sonst kenne ich noch: Shakespeares Dramen, Galsworthy: Die dunkle Blume und Novellen; dann Novellen von dem Dänen Jens Jacobsen; Dostojewskj: Raskolnikoff, Brüder Karamasow; Tolstoi: Anna Karenina; Die drei letzten fesselten mich besonders durch ihre tiefe Psychologie und durch ihr starkes Gefühl.

Ich besuchte recht gerne das Schauspielhaus, um mir einen Überblick über die neuen Zeitstücke zu verschaffen. Doch mir gefielen nur wenige: Sektion Rahnstetten und der Hauptmann von Köpenick.

Die Musik bedeutet mir sehr viel, obgleich ich nicht musikalisch bin. Ich gehe leidenschaftlich gerne ins Opernhaus und besuche auch recht gerne Konzerte. Am meisten liebe ich, neben Beethoven, Schubert wegen seiner Gefühlsinnigkeit und Wagner.

Neben der Literatur beschäftige ich mich mit Architektur und Architekturzeichnen. Ich verwandte viel Zeit darauf, Pläne und Entwürfe für Häuser und Siedlungen zu machen. Leider sind meine zeichnerischen Fähigkeiten nicht sehr groß, weshalb ich wohl davon absehen muß, den Architekturberuf zu ergreifen. Auch fehlt mir jede kaufmännische Begabung.

Große Reisen konnte ich nicht machen. Ich kenne zwar meine nordische Heimat (Friesland, Holstein) recht gut und sehne mich oft dahin zurück. Auch den Schwarzwald kenne ich. Außer Holland und Belgien habe ich das Ausland nicht betreten. In letzter Zeit mache ich mit meinem Paddelboot Wanderfahrten. Dies gefiel mir viel mehr als das bisherige Reisen und Wohnen in Gasthöfen und Pensionen. Ich treibe nicht viel Sport, außer Paddeln und Schwimmen, da meine körperliche Veranlagung es nicht zuläßt.

Mein Beruf steht noch nicht ganz fest. Gern möchte ich,  vom Architekten abgesehen, Untersuchungsrichter werden oder Geschichtswissenschaftler, da, nach meiner Ansicht, beide Berufe psychologische Anlagen erfordern, die ich, wie ich glaube, ein klein wenig besitze. Ich werde wohl doch Jura studieren.

Als schriftliches Prüfungsfach wähle ich Englisch.

In der mündlichen Prüfung möchte ich in Mathematik geprüft werden.