DKG (Köln)

Vorschläge für den deutschen Aufsatz der Reifeprüfung 1931 (Realgymnasium)

1.) Öffentliche Plätze in Köln

2.) Was interessiert mich auf Reisen besonders?

3.) Die Geschichte eines Wasserstoffatoms

4.) Alltagspflichten gegen die Gemeinschaft


Beurteilung

Oberprimaner K., Karl.

Er wurde im vorigen Jahr von der Reifeprüfung zurückgesetzt. Er ist brav, treu, fleissig. Er leidet stark unter Asthma und muss oft den Unterricht versäumen. Er stottert so stark, dass es kaum möglich ist, seine mündlichen Leistungen z.B. in den neueren Sprachen zu werten. Französisch und Englisch sind seine Schwächen. Immerhin hat er sich im Französischen von „nicht genügenden" schriftlichen Leistungen im Sommer auf schwach genügende im zweiten Tertial hinaufgearbeitet. In Erdkunde, Mathematik und Physik ist er gut, sehr gut in Chemie und Zeichnen. In Chemie besitzt er umfassende Kenntnisse, aber keine Kombinationsgabe. Recht beachtliche Zeichnungen liefert er auch für die Ausstattung des Heims von „Neudeutschland" und für deren Bundeszeitschrift. Er hat grosses Interesse für die Behandlung religiöser Fragen und arbeitet sehr eifrig mit.

Lebenslauf

Am 14. Juni 1909 wurde ich zu Köln geboren. Ich bin der älteste Sohn des Postbetriebsassistenten Sebastian K. und seiner Ehefrau Susanna geb. L..

In den ersten Lebensjahren entwickelte ich mich körperlich sehr gut; dann machte ich mehrere schwere Krankheiten durch, die eine Herzschwäche zurückließen; mit vier Jahren bekam ich Keuchhusten; hieraus entwickelte sich das Asthma, unter dem ich jetzt, nach 16 Jahren, noch leide.

Ostern 1915 trat ich in die Volksschule Blumenthalstraße ein. Nachdem ich das fünfte Schuljahr vollendet hatte, also ziemlich spät, trat ich Ostern 1920 in die Sexta a des Dreikönigsgymnasiums. Damals begeisterte ich mich für das Briefmarkensammeln; für jeden ersparten Pfennig kaufte ich Briefmarken. Hierdurch entstand ein Interesse an allen Ländern der Welt. Ich erinnere mich noch, wie ich die erste Marke von El Salvador erhielt; sofort wurde der Atlas gewälzt, bis ich das kleine Land in Mittelamerika fand. In der Quarta las ich am liebsten Entdeckungsberichte und Indianergeschichten; langsam änderte sich mein Geschmack, bis ich in der Untertertia derartige Erzählungen verachtete. Hier gewann ich Gefallen an der Mathematik. Doch ich mußte diese Klasse zweimal durchmachen; ich kam verbittert nach Hause und weinte vor Wut, da mir dies nicht mit rechten Dingen zuzugehen schien. In der Obertertia und Untersekunda bekam ich großes Interesse an Pflanzen und Tieren. Damals kannte ich fast jede Pflanze unserer Gegend mit Namen. In dieser Zeit wurde ich „Neudeutscher". Ich machte mit anderen Jungen in den Ferien Fahrten durch unsere Heimat.

Da ich gegen meine Krankheit Pulver und Arzneien einnehmen mußte, wollte ich gerne wissen, aus welchen Stoffen sie bestehen und welche Wirkungen diese haben. So hatte ich in der Obersekunda besonderes Interesse an der Chemie. 1928 fuhr ich mit anderen Neudeutschen nach Berlin, Königsberg, K[.?.] - lernte Litauen kennen, das Volk, das Land, wir wanderten quer durch Ostpreußen zur Kurischen Nährung, nach Danzig. Auf dieser Herbstfahrt habe ich manches gelernt, was ich im Unterricht verwerten konnte.

Infolge meiner Krankheit mußt ich auf der Mittelstufe häufig fehlen. Ich konnte also nicht dem Unterricht so folgen, wie es eigentlich nötig war. Die Folge war, daß ich auf der Oberstufe in einigen Fächern die verlangten Leistungen nicht aufweisen konnte. Dies ist ein Grund, weshalb ich voriges Jahr nicht zur Reifeprüfung zugelassen wurde. Da es mir in diesem Jahre gesundheitlich besser ging, holte ich in gemeinsamer Arbeit mit meinem Schulfreunde Heinz Stafski manches nach. Auch beteiligte ich mich an der philosophischen Arbeitsgemeinschaft unter Leitung unseres Direktors Dr. Limper.

Ich kann von keinem Gebiete behaupten, daß es mich ohne Interesse ließe.

Besondere Leistungen kann ich in den naturwissenschaftlichen Fächern, Geologie, Mathematik, Religion und Zeichnen aufweisen.

Für die schriftliche Prüfung erbitte ich als zweite Fremdsprache Englisch.

Als Wahlfach für die mündliche Prüfung bezeichne ich Mathematik.

Weiterhin bitte ich um Aufnahme eines Vermerkes über meine Religion.

Abituraufsatz

Reifeprüfung, Ostern 1931.

Deutsche Prüfungsarbeit.

Alltagspflichten gegen die Gemeinschaft.

Gliederung:

A. Die Gemeinschaft legt uns [K159|durch die Kultur|K159] Pflichten gegen die Gesamtheit auf.

B. Diese sind zweierlei:

1. Pflichten gegen das körperliche und seelische Leben des [K160|Einzelnen|K160] [K161|als Glied der Gemeinschaft|K161].

2. Pflichten gegen die gesamte Gemeinschaft.

A. Wir alle leben in einer Gemeinschaft, sei es nun [K162|die Familie, der Stamm, das Volk|K162] oder überhaupt die Menschheit in ihrer Gesamtheit. Diese hat sich im Laufe der Jahrtausende eine kaum lösliche Kette gebildet, [K163| die den Einzelnen fest an die Gemeinschaft bindet. Dies ist die Kultur|K163]. Sie ist uns zu einer Notwendigkeit geworden, die sich praktisch nicht aus unserem Leben entfernen läßt. Wir sehen also, wir sind auf die Gemeinschaft angewiesen. Es kann nur unser eigener Vorteil sein, wenn wir die Gemeinschaft [K164|bejahen, verneinen|K164] wir sie, so sind wir selbst die Geschädigten. [K165|Schon rein egoistische Gründe legen uns Pflichten gegen die Gesamtheit auf|K165], erst recht [K166|also|K166] die christliche Lebens- und Weltauffassung. Diese Pflichten erstrecken sich gegen den {R. s.o.}Einzelnen{##l:} [K167|als Glied der Gemeinschaft|K167] und gegen die Gemeinschaft als Ganzes.

B. 1. Der [K168|Andere|K168] ist ein Mensch wie ich; er hat sein eigenes körperliches und sein eigenes seelisches Leben. Ich muß ihm in seiner Not helfen, soweit dies mir [K169|durch meine Fähigkeiten|K169] möglich ist. In einigen Skizzen zeige ich nun, wie dies geschehen kann:

[K170|Morgens|K170] in der Straßenbahn. Der Wagen ist voll von Menschen, die zur Arbeit  oder zur Schule fahren. Einige Kontormädchen, das weiße Butterbrotpäckchen unter dem Arm, plaudern. Der Schaffner sieht die Monatskarten nach und knipst die Wochenkarten; er ist mitten im Gedränge des Wagens, schellt ab. Die Bahn setzt sich in Bewegung. In letzter Sekunde springt ein kleiner Knirps auf das Trittbrett, verliert das Gleichgewicht. Da, im letzten [K171|Augenblick packt|K171] ihn ein Herr am Kragen und zieht ihn in den Wagen.

Hohestraße. Schwarz [K172|voll|K172] Menschen. Einige hasten vorüber, andere beschauen sich in aller Gemütsruhe die Fenster. [K173|Ein alter Herr, die Haltung verrät den früheren Offizier|K173], besieht sich die Bilder einer Kunsthandlung. Langsam geht er weiter. Vor dem Schaufenster hat er sein Notizbuch verloren. Ein junger Herr bückt sich, hebt es auf und gibt es dem alten Herrn zurück.

Nach dem Mittagessen. Ein unbekanntes Schellen. Es wird [K174|geöffnet: Draußen|K174] steht ein älterer Mann; früher sah er bessere Tage. Er ist sauber gekleidet. „Ich habe Hunger. Dürfte ich um ein Stück Brot [K175|bitten.|K175]" Dankbar nimmt er den Teller voll warmen Essens an.

Was waren diese drei Skizzen? [K176|Alltagskleinigkeiten|K176] und doch auch Alltagspflichten. Ohne den festen Griff läge der Junge im Krankenhaus; [K177|zuhause|K177] würden Vater und Mutter mit Bangen an ihren Sohn denken. [K178|Dieses|K178] sind [K179|Kleinigkeiten und bleiben es auch|K179], wenn sie [K180|nicht richtig|K180] angewandt werden. Doch die Meinung, mit der der [K181|Einzelne|K181] handelt, kann Kleinigkeiten etwas [K182|Heldenhaftes|K182] verleihen. Ich kann einem notleidenden Menschen etwas zu essen geben und ihm gleichzeitig tief kränken; schenke ich ihm dasselbe und spreche freundlich[K183|_|K183]ihm, so erhält die Gabe erst ihren Wert.

Im Klingelpütz. In der Kapelle sitzen die Gefangenen in ihren Kästen. Auf der Orgel steht eine Jungenschar. Zwei Gefangene pumpen die Luft in den Blasebalg. „Maria durch ein Dornwald ging, ..." Ein froher Blick, ein verstehender Satz [K184|zu einem Gefangenen|K184] kann mehr Gutes [K185|getan haben|K185] als alle frohen Lieder.

[K186|Im Beichtstuhl.|K186] Ein verzweifelter Mensch klagt Gott an. „Warum bin gerade ich lungenkrank? Warum sind die [K187|Anderen|K187], die Schufte und Schweine gesund? Gott soll gerecht sein? Was habe ich getan, daß ich dies verdient habe?" - Ruhig kommt er nach einiger Zeit aus dem Beichtstuhle heraus. Nur einige richtig gewählte Worte, ein Blick.

Ein Mensch, fern in der Stadt, allein. Ein froher Brief, ganz unerwartet, und er vergißt seine Grübelei.

Unsere Alltagspflichten sind [K188|die|K188] unbedeutenden Nichtigkeiten. Freude sollen wir den [K187|Anderen|K187] bereiten und Leid ersparen. Ist jeder [K181|Einzelne|K181] zufrieden, so ist auch die Allgemeinheit froh.

B. 2. Die [K191|Allgemeinheit verpflichtet uns, sie zu achten. Aus dieser Achtung folgt, daß wir den Anordnungen der Allgemeinheit|K191] oder ihrer Vertreter Gehorsam schuldig sind.

[K192|Straßenecke.|K192] Am [K193|Berlich. Breite|K193] Straße. Menschenmassen, Autos, elektrische Bahnen. Mitten in diesem Durcheinander steht ein Schupobeamter, gibt die notwendigen Zeichen. Ohne ihn wäre hier eine heillose Unordnung.

[K194|An der Grenze. Zollstation. „Alles aussteigen!" Die Koffer werden durchsucht. Ohne Zollbeamte ginge die deutsche Landwirtschaft zugrunde|K194].

Da ich mit der Gemeinschaft unlösbar verbunden bin, da ich ihre Vorteile genieße, hat sie ein Anrecht auf meine Kräfte und Fähigkeiten. Für sie muß ich meine Veranlagung  weiter ausbilden und erhalten.

[K195|In der Schule. Quarta. „Aufgaben vorzeigen!" Einige machten sie unordentlich. „Noch einmal." Die Jungen sind noch Kinder, sie spielen noch immer|K195].

[K196|In der Kohlengrube.|K196] Nur mit der Hose bekleidet schippen zwei sehnige Gestalten die Braunkohle in den Kippwagen. Werkstudenten. Der eine ist Mediziner, der andere Geologe. Sie erarbeiten sich ihr Studium; der, [K197|der sein Studium bezahlt bekommt|K197], hat der nicht mehr Pflichten?

[K198|Kostenlose Rechtsauskunft. Arbeiter und Dienstmädchen, Rentner und Arbeitslose kommen und fragen.|K198]

Alltagspflichten gegen die Gemeinschaft sind [K199|die|K199] Kleinigkeiten des täglichen Lebens [K200|und die Lebensarbeit|K200] [K201|Einzelner|K201]. Ihre kürzeste Formel und treffendste Ausdeutung ist das Wort Christi: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst."

Der Verfasser hat an Beispielen darzulegen versucht, was er unter Alltagspflichten versteht; einige dieser Beispiele lassen den Zusammenhang mit dem Thema vermissen, andere sind unrichtig gewählt (Berufspflichten). Der Begriff „Alltagspflicht" ist ihm im Laufe der Arbeit [....?....] geblieben. Auch sonst finden sich Verstöße gegen die Logik, so in A (Kultur), BI (Definition an Alltagspflichten) sowie vielfache Unklarheiten.

Der Kreis, auf den sich die Betrachtungen der Arbeit beziehen, ist sehr klein.

Auch stilistisch kann die Arbeit nicht befriedigen: ungeschickter Ausdruck, Weitschweifigkeiten.

Nicht genügend.