DKG (Köln)

Vorschläge für den deutschen Aufsatz der Reifeprüfung 1931 (Realgymnasium)

1.) Öffentliche Plätze in Köln

2.) Was interessiert mich auf Reisen besonders?

3.) Die Geschichte eines Wasserstoffatoms

4.) Alltagspflichten gegen die Gemeinschaft


Beurteilung

Oberprimaner D., Wolfgang.

Von zarter Natur. Dazu sehr schwerhörig (auch Vater und Mutter sind schwerhörig). Früher trug er auch in der Schule einen Hörapparat. Oft muss er erst durch Anstossen darauf aufmerksam gemacht werden, dass er aufgerufen ist. So ist es sicher, dass ihm beim mündlichen Unterricht vieles entgeht. Früher lebhaft und interessiert, scheint sich ein seelischer Druck auf ihn gelegt zu haben, der ihn unsicher und still gemacht hat. Seine natürliche Zartheit hat sich fast zur Empfindsamkeit gesteigert. Wenn ihm etwas nahe geht, rollen ihm die hellen Tränen über die Backen. Sein Verhalten ist durchaus einwandfrei. In den Mittelklassen besass er vielversprechende Anlagen zu Deklamation und dramatischem Vortrag. Auch die scheint er zurückgedrängt zu haben, doch macht sich diese ursprüngliche Anlage mitunter noch geltend im freien, auch fremdsprachlichen Vortrag. Seine Leistungen in Französisch, Mathematik und Chemie entsprechen nicht den Anforderungen. Gut war er zuletzt im Deutschen. Zu Hause hat er sich mit Radiobasteln und moderner Literatur befasst.

Lebenslauf

Den Prüfungsausschuss am Staatlichen Dreikönigs-Realgymnasium bitte ich um Zulassung zur Reifeprüfung 1931.

Ich wurde am 12. Januar 1912 in Köln geboren. 1918 trat ich in die Vorschule am Städtischen Gymnasium in der Kreuzgasse ein. Nach bestandener Vorschulzeit, die 3 Jahre umfasste, ging ich auf das Friedrich-Wilhelm-Gymnasium über. Dort blieb ich von 1921-1924 (Sexta bis Quarta). Im letzten Halbjahr dieser Zeit wurde meine Gesundheit teils durch vorangegangene Unterernährung, teils durch den weiten Schulweg so angegriffen, daß meine Leistungen in der Schule nicht genügten und ich Ostern 1924 sitzen blieb. Diesen Umstand benutzten meine Eltern, um mich dem uns nähergelegenen Dreikönigsgymnasium zuzuführen, und ich erholte mich bald wieder. In der Untertertia bemerkte ich bei mir einen Gehörfehler, der in der Familie meines Vaters erblich ist. Die Schwerhörigkeit verschlimmerte sich von Jahr zu Jahr und erschwerte mir besonders in den letzten Jahren das Folgen im Unterricht ausserordentlich.

Mein besonderes Interesse galt von Sexta an dem Deutschen und der Geschichte, bis zur Quarta auch der Mathematik, in den oberen Klassen ferner sozialen und kulturellen Fragen im Deutschen und den fremdsprachlichen Fächern sowie der Wirtschaftsgeographie.

Ausserhalb der Schule beschäftigte ich mich von klein auf mit Lesen. Zwischen dem 13. und 15. Lebensjahre widmete ich meine Freizeit einem Puppentheater derart, daß ich sämtliche Rollen mit wechselnder Betonung las, während meine Freunde die Puppen führten. Auch heute noch lese ich gerne vor. Ferner deklamierte und mimte ich gerne. Augenblicklich bemühe ich mich einige Stellen aus "Faust" auswendig zu lernen. Gleichzeitig begann ich mit Radiobastelei. Leider kann ich mit Rücksicht auf mein Gehör meine Liebhaberei für die Radiotechnik nicht beruflich auswerten. Daher habe ich in meiner Freizeit wieder mehr gelesen, zum Beispiel von älteren Schriftstellern: Gustav Freytag (Soll und Haben), Gottfried Keller (Novellen), Storm (Novellen), Dostojewski (Der Idiot) und von neueren Schriftstellern: Thomas Mann (Buddenbrooks), Knut Hamsun (Landstreicher), Upton Sinclair (Petroleum, Boston), Sinclair Lewis (Erwerb), Tolstoi (Anna Karenina), Galsworthy (Forsyte Saga, Silberner Löffel, Jenseits), Jack London, Hauptmann, Sudermann, Zola und von Kriegsschriftstellern Remarque und Schauwecker (Aufbruch der Nation).

Meine Reisen führten mich an die Nordsee (Borkum, Juist, Helgoland), an die Ostsee (Prerow, Grömitz), ins Weserland (Bad Eilsen, Rinteln), ins Allgäu (Oberstdorf), nach München und nach Belgien (Blankenberghe, Brügge, Brüssel). Ferner lernte ich auf Faltbootfahrten Rhein, Mosel und Lahn kennen.

Bei der Wahl zwischen Englisch und Latein entscheide ich mich für Englisch.

Als Wahlfach bezeichne ich Geschichte.

Nach bestandener Reifeprüfung beabsichtige ich Zahnarzt zu werden, da ich hoffe, dass mir meine Schwerhörigkeit in diesem Beruf die geringsten Schwierigkeiten bereiten wird.